so steht das eine im Genitivo. Das Nomen wird immer vor das Verbum gesetzt, das Ver- bum, vor die Wörter, welche es regiert, und das Substantivum vor das Adjectivum. In die- ser Sprache findet keine Versetzung der Wörter statt: sie hat weder Genera noch Numeros: die Verba haben nur einen Modum, welcher mit unsern Infinitivo übereinkommt, und nicht conjugiert wird. Man braucht, um die Nu- meros und Tempora zu unterscheiden, gewisse Partikeln, welche man bald vor, bald nach den Verben setzt. -- Es ist nicht leicht eine ärmere, und an Redensarten, weniger reiche Sprache. Es fehlt den Siamern an einzelnen Worten, um eine Menge Sachen auszudrücken, und sie müssen ihre Zuflucht zu Umschr[e]ibun- gen nehmen. Sie nennen die Lippen, Licht des Mundes, die Blumen, Ehre des Holzes, die Flüsse, Mütter der Wasser. Sie sagen, ein Kopf von einem Diamant, anstatt ein Diamant, eine Person von einem Men- schen, für ein Mensch.
Nächst dem Lesen und Schreiben lernt die siamische Jugend beynahe nichts, als rechnen. Sie haben, wie wir, zehn Figuren; die Nulle hat eben die Gestalt, wie bey uns, gilt auch im Zusammensetzen so viel wie bey uns, d. i. die Ziffern werden von der Rechten gegen die Linke gesetzt, zufolge der natürlichen Ordnung ihrer Geltung in der Rechenkunst, mit zehne. Die Siamer setzen ihre Rechnungen mit der Feder
auf,
ſo ſteht das eine im Genitivo. Das Nomen wird immer vor das Verbum geſetzt, das Ver- bum, vor die Woͤrter, welche es regiert, und das Subſtantivum vor das Adjectivum. In die- ſer Sprache findet keine Verſetzung der Woͤrter ſtatt: ſie hat weder Genera noch Numeros: die Verba haben nur einen Modum, welcher mit unſern Infinitivo uͤbereinkommt, und nicht conjugiert wird. Man braucht, um die Nu- meros und Tempora zu unterſcheiden, gewiſſe Partikeln, welche man bald vor, bald nach den Verben ſetzt. — Es iſt nicht leicht eine aͤrmere, und an Redensarten, weniger reiche Sprache. Es fehlt den Siamern an einzelnen Worten, um eine Menge Sachen auszudruͤcken, und ſie muͤſſen ihre Zuflucht zu Umſchr[e]ibun- gen nehmen. Sie nennen die Lippen, Licht des Mundes, die Blumen, Ehre des Holzes, die Fluͤſſe, Muͤtter der Waſſer. Sie ſagen, ein Kopf von einem Diamant, anſtatt ein Diamant, eine Perſon von einem Men- ſchen, fuͤr ein Menſch.
Naͤchſt dem Leſen und Schreiben lernt die ſiamiſche Jugend beynahe nichts, als rechnen. Sie haben, wie wir, zehn Figuren; die Nulle hat eben die Geſtalt, wie bey uns, gilt auch im Zuſammenſetzen ſo viel wie bey uns, d. i. die Ziffern werden von der Rechten gegen die Linke geſetzt, zufolge der natuͤrlichen Ordnung ihrer Geltung in der Rechenkunſt, mit zehne. Die Siamer ſetzen ihre Rechnungen mit der Feder
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ſo ſteht das eine im Genitivo. Das Nomen
wird immer vor das Verbum geſetzt, das Ver-
bum, vor die Woͤrter, welche es regiert, und das
Subſtantivum vor das Adjectivum. In die-
ſer Sprache findet keine Verſetzung der Woͤrter
ſtatt: ſie hat weder Genera noch Numeros:
die Verba haben nur einen Modum, welcher
mit unſern Infinitivo uͤbereinkommt, und nicht
conjugiert wird. Man braucht, um die Nu-
meros und Tempora zu unterſcheiden, gewiſſe
Partikeln, welche man bald vor, bald nach
den Verben ſetzt. — Es iſt nicht leicht eine
aͤrmere, und an Redensarten, weniger reiche
Sprache. Es fehlt den Siamern an einzelnen
Worten, um eine Menge Sachen auszudruͤcken,
und ſie muͤſſen ihre Zuflucht zu Umſchreibun-
gen nehmen. Sie nennen die Lippen, Licht
des Mundes, die Blumen, Ehre des Holzes,
die Fluͤſſe, Muͤtter der Waſſer. Sie ſagen,
ein Kopf von einem Diamant, anſtatt ein
Diamant, eine Perſon von einem Men-
ſchen, fuͤr ein Menſch.
Naͤchſt dem Leſen und Schreiben lernt die
ſiamiſche Jugend beynahe nichts, als rechnen.
Sie haben, wie wir, zehn Figuren; die Nulle
hat eben die Geſtalt, wie bey uns, gilt auch im
Zuſammenſetzen ſo viel wie bey uns, d. i. die
Ziffern werden von der Rechten gegen die Linke
geſetzt, zufolge der natuͤrlichen Ordnung ihrer
Geltung in der Rechenkunſt, mit zehne. Die
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/334>, abgerufen am 22.11.2024.
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