Sicherheit zu stellen. Sie bedienen sich selten einer andern Decke, als ihrer Hosen oder Hem- den, sie müßten denn ein dünnes oder schlech- tes Tuch von Callico über sich herbreiten.
Es ist in der That sehr sonderbar, daß die Hindistaner niemals aus dem Stamme heyra- then, zu welchem sie gehören. Ein Bramine heyrathet allemal die Tochter eines Braminen; ein Kaufmann verbindet sich mit der Tochter eines Kaufmanns, u. s. f. Eben so werden auch die Kinder in der Profession erzogen, die der Vater treibt. Dieß ist nun zwar ein Mit- tel, es in ihrer Kunst weit zu bringen; es bleibt ihnen aber die Gelegenheit benommen, höher zu kommen, als sie anfangs waren. Man findet unter ihnen die Vielweiberey nicht einge- führt. Ein Mann hat eine Frau auf einmal. Ihre Heyrathen werden bereits im sechsten oder siebenten Jahre vollzogen, sie schlafen aber nicht eher als im funfzehnten Jahre bey einander. Die Cerimonien, die bey diesen Hochzeiten vorfal- len, haben mit den der Mohammedaner viel Aehn- liches, nur mit dem Unterschiede, daß die jun- gen Leute öffentlich auf Pferden reiten, und sich über und über mit Blumen bestreuen. Die Ursache, warum die Hindistaner ihre Kinder so frühzeitig verheyrathen, ist diese: Sie glauben nemlich, es sey ein großes Unglück, da das Heyrathen eine der glückseligsten Handlungen des menschlichen Lebens ausmache, unverhey- rathet zu sterben. Um nun das Unglück zu ver-
meiden,
Sicherheit zu ſtellen. Sie bedienen ſich ſelten einer andern Decke, als ihrer Hoſen oder Hem- den, ſie muͤßten denn ein duͤnnes oder ſchlech- tes Tuch von Callico uͤber ſich herbreiten.
Es iſt in der That ſehr ſonderbar, daß die Hindiſtaner niemals aus dem Stamme heyra- then, zu welchem ſie gehoͤren. Ein Bramine heyrathet allemal die Tochter eines Braminen; ein Kaufmann verbindet ſich mit der Tochter eines Kaufmanns, u. ſ. f. Eben ſo werden auch die Kinder in der Profeſſion erzogen, die der Vater treibt. Dieß iſt nun zwar ein Mit- tel, es in ihrer Kunſt weit zu bringen; es bleibt ihnen aber die Gelegenheit benommen, hoͤher zu kommen, als ſie anfangs waren. Man findet unter ihnen die Vielweiberey nicht einge- fuͤhrt. Ein Mann hat eine Frau auf einmal. Ihre Heyrathen werden bereits im ſechſten oder ſiebenten Jahre vollzogen, ſie ſchlafen aber nicht eher als im funfzehnten Jahre bey einander. Die Cerimonien, die bey dieſen Hochzeiten vorfal- len, haben mit den der Mohammedaner viel Aehn- liches, nur mit dem Unterſchiede, daß die jun- gen Leute oͤffentlich auf Pferden reiten, und ſich uͤber und uͤber mit Blumen beſtreuen. Die Urſache, warum die Hindiſtaner ihre Kinder ſo fruͤhzeitig verheyrathen, iſt dieſe: Sie glauben nemlich, es ſey ein großes Ungluͤck, da das Heyrathen eine der gluͤckſeligſten Handlungen des menſchlichen Lebens ausmache, unverhey- rathet zu ſterben. Um nun das Ungluͤck zu ver-
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Sicherheit zu ſtellen. Sie bedienen ſich ſelten
einer andern Decke, als ihrer Hoſen oder Hem-
den, ſie muͤßten denn ein duͤnnes oder ſchlech-
tes Tuch von Callico uͤber ſich herbreiten.
Es iſt in der That ſehr ſonderbar, daß die
Hindiſtaner niemals aus dem Stamme heyra-
then, zu welchem ſie gehoͤren. Ein Bramine
heyrathet allemal die Tochter eines Braminen;
ein Kaufmann verbindet ſich mit der Tochter
eines Kaufmanns, u. ſ. f. Eben ſo werden
auch die Kinder in der Profeſſion erzogen, die
der Vater treibt. Dieß iſt nun zwar ein Mit-
tel, es in ihrer Kunſt weit zu bringen; es bleibt
ihnen aber die Gelegenheit benommen, hoͤher
zu kommen, als ſie anfangs waren. Man
findet unter ihnen die Vielweiberey nicht einge-
fuͤhrt. Ein Mann hat eine Frau auf einmal.
Ihre Heyrathen werden bereits im ſechſten oder
ſiebenten Jahre vollzogen, ſie ſchlafen aber nicht
eher als im funfzehnten Jahre bey einander.
Die Cerimonien, die bey dieſen Hochzeiten vorfal-
len, haben mit den der Mohammedaner viel Aehn-
liches, nur mit dem Unterſchiede, daß die jun-
gen Leute oͤffentlich auf Pferden reiten, und ſich
uͤber und uͤber mit Blumen beſtreuen. Die
Urſache, warum die Hindiſtaner ihre Kinder ſo
fruͤhzeitig verheyrathen, iſt dieſe: Sie glauben
nemlich, es ſey ein großes Ungluͤck, da das
Heyrathen eine der gluͤckſeligſten Handlungen
des menſchlichen Lebens ausmache, unverhey-
rathet zu ſterben. Um nun das Ungluͤck zu ver-
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[Poppe, Johann Friedrich]: Characteristik der merkwürdigsten Asiatischen Nationen. Bd. 2. Breslau, 1777, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poppe_charakteristik02_1777/412>, abgerufen am 22.11.2024.
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