Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920.

Bild:
<< vorherige Seite

Form und in rohesten Formen verewigen. Der Tempel ist uralt. Aber noch täglich erfreuen sich die Hindus an diesen urwüchsigen und -- naiven Darstellungen. Aber nun komme ich wieder auf mein Thema von Orient und Okzident. Der Orient sieht sich das ruhig und offen an. Der Okzident verpönt das Ganze. "Nur für Herren!" heißt es. In der Reisezeit aber kannst du täglich Scharen von Globetrotterinnen heimlich, mit pochendem Herzen und lüsternen Augen, hierher pilgern sehen; wenn Männer nahen, verbergen sich diese Frauen, von perversen Backfischen bis zu den ältesten Jungfern. Was aber das schlimmste ist: der Orient setzt Millionen um nach dem Okzident von rohen, widerlichen Reproduktionen dieser ursprünglich naiv empfundenen Bildwerke. -- Verlangst du nach einem packenderen Beweis, wie pervers der europäische Sinnenkult geworden ist und betrieben wird? Alles öffentlich verschreien und heimlich üben. Der alte Goethe hatte wahrlich recht:

"Man soll das nicht vor keuschen Ohren nennen, was keusche Herzen nicht entbehren können."

Form und in rohesten Formen verewigen. Der Tempel ist uralt. Aber noch täglich erfreuen sich die Hindus an diesen urwüchsigen und — naiven Darstellungen. Aber nun komme ich wieder auf mein Thema von Orient und Okzident. Der Orient sieht sich das ruhig und offen an. Der Okzident verpönt das Ganze. „Nur für Herren!“ heißt es. In der Reisezeit aber kannst du täglich Scharen von Globetrotterinnen heimlich, mit pochendem Herzen und lüsternen Augen, hierher pilgern sehen; wenn Männer nahen, verbergen sich diese Frauen, von perversen Backfischen bis zu den ältesten Jungfern. Was aber das schlimmste ist: der Orient setzt Millionen um nach dem Okzident von rohen, widerlichen Reproduktionen dieser ursprünglich naiv empfundenen Bildwerke. — Verlangst du nach einem packenderen Beweis, wie pervers der europäische Sinnenkult geworden ist und betrieben wird? Alles öffentlich verschreien und heimlich üben. Der alte Goethe hatte wahrlich recht:

„Man soll das nicht vor keuschen Ohren nennen, was keusche Herzen nicht entbehren können.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0161" n="162"/>
Form und in rohesten Formen verewigen. Der Tempel ist uralt. Aber noch täglich erfreuen sich die Hindus an diesen urwüchsigen und &#x2014; naiven Darstellungen. Aber nun komme ich wieder auf mein Thema von Orient und Okzident. Der Orient sieht sich das ruhig und offen an. Der Okzident verpönt das Ganze. &#x201E;Nur für Herren!&#x201C; heißt es. In der Reisezeit aber kannst du täglich Scharen von Globetrotterinnen heimlich, mit pochendem Herzen und lüsternen Augen, hierher pilgern sehen; wenn Männer nahen, verbergen sich diese Frauen, von perversen Backfischen bis zu den ältesten Jungfern. Was aber das schlimmste ist: der Orient setzt Millionen um nach dem Okzident von rohen, widerlichen Reproduktionen dieser ursprünglich naiv empfundenen Bildwerke. &#x2014; Verlangst du nach einem packenderen Beweis, wie pervers der europäische Sinnenkult geworden ist und betrieben wird? Alles öffentlich verschreien und heimlich üben. Der alte Goethe hatte wahrlich recht:</p>
        <p>&#x201E;Man soll das nicht vor keuschen Ohren nennen, was keusche Herzen nicht entbehren können.&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0161] Form und in rohesten Formen verewigen. Der Tempel ist uralt. Aber noch täglich erfreuen sich die Hindus an diesen urwüchsigen und — naiven Darstellungen. Aber nun komme ich wieder auf mein Thema von Orient und Okzident. Der Orient sieht sich das ruhig und offen an. Der Okzident verpönt das Ganze. „Nur für Herren!“ heißt es. In der Reisezeit aber kannst du täglich Scharen von Globetrotterinnen heimlich, mit pochendem Herzen und lüsternen Augen, hierher pilgern sehen; wenn Männer nahen, verbergen sich diese Frauen, von perversen Backfischen bis zu den ältesten Jungfern. Was aber das schlimmste ist: der Orient setzt Millionen um nach dem Okzident von rohen, widerlichen Reproduktionen dieser ursprünglich naiv empfundenen Bildwerke. — Verlangst du nach einem packenderen Beweis, wie pervers der europäische Sinnenkult geworden ist und betrieben wird? Alles öffentlich verschreien und heimlich üben. Der alte Goethe hatte wahrlich recht: „Man soll das nicht vor keuschen Ohren nennen, was keusche Herzen nicht entbehren können.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/161
Zitationshilfe: von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/161>, abgerufen am 27.11.2024.