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von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920.

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Er drückte einen Kuß auf ihre Stirn. Indra schwieg in tiefer Bewegung. Der Mond strahlte jetzt leuchtend klar über die beiden und verwandelte die Welt umher in flüssiges Silber. Brostoczicz geleitete Indra stumm an die Pforte ihres "Klosters".

Und nun war sie bei Annie Besant, der Vielgerühmten, Vielgeliebten, Vielgeschmähten. Sie war nur im äußersten Schatten ihrer starken Persönlichkeit, ein kleines, neues Nichts, das die große Frau kaum bemerkte. Desto mehr bemerkte Indra alles um sich her. Mrs. Higgins hatte ihrem Schützling eine kleine Kammer in ihrer Nähe, in einem der Nebengebäude des Riesenpalastes eines Maharadja, in dem das Hindukollege sein Asyl gefunden, überlassen und eingeräumt. Die dreihundert Zöglinge, zum großen Teil aus den vornehmsten Hindufamilien stammend, wohnten, schliefen, lernten und aßen alle im Hauptgebäude.

So hatte Indra nach mehr als zwei Jahren Kopfpolster, wieder ein europäisches Bett, was ihr allein schon wie ein ungewohnter Luxus vorkam. Auch stand neben ihrem kleinen Fenster, das in

Er drückte einen Kuß auf ihre Stirn. Indra schwieg in tiefer Bewegung. Der Mond strahlte jetzt leuchtend klar über die beiden und verwandelte die Welt umher in flüssiges Silber. Brostoczicz geleitete Indra stumm an die Pforte ihres „Klosters“.

Und nun war sie bei Annie Besant, der Vielgerühmten, Vielgeliebten, Vielgeschmähten. Sie war nur im äußersten Schatten ihrer starken Persönlichkeit, ein kleines, neues Nichts, das die große Frau kaum bemerkte. Desto mehr bemerkte Indra alles um sich her. Mrs. Higgins hatte ihrem Schützling eine kleine Kammer in ihrer Nähe, in einem der Nebengebäude des Riesenpalastes eines Maharadja, in dem das Hindukollege sein Asyl gefunden, überlassen und eingeräumt. Die dreihundert Zöglinge, zum großen Teil aus den vornehmsten Hindufamilien stammend, wohnten, schliefen, lernten und aßen alle im Hauptgebäude.

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[174/0173] Er drückte einen Kuß auf ihre Stirn. Indra schwieg in tiefer Bewegung. Der Mond strahlte jetzt leuchtend klar über die beiden und verwandelte die Welt umher in flüssiges Silber. Brostoczicz geleitete Indra stumm an die Pforte ihres „Klosters“. Und nun war sie bei Annie Besant, der Vielgerühmten, Vielgeliebten, Vielgeschmähten. Sie war nur im äußersten Schatten ihrer starken Persönlichkeit, ein kleines, neues Nichts, das die große Frau kaum bemerkte. Desto mehr bemerkte Indra alles um sich her. Mrs. Higgins hatte ihrem Schützling eine kleine Kammer in ihrer Nähe, in einem der Nebengebäude des Riesenpalastes eines Maharadja, in dem das Hindukollege sein Asyl gefunden, überlassen und eingeräumt. Die dreihundert Zöglinge, zum großen Teil aus den vornehmsten Hindufamilien stammend, wohnten, schliefen, lernten und aßen alle im Hauptgebäude. So hatte Indra nach mehr als zwei Jahren Kopfpolster, wieder ein europäisches Bett, was ihr allein schon wie ein ungewohnter Luxus vorkam. Auch stand neben ihrem kleinen Fenster, das in

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Zitationshilfe: von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/173>, abgerufen am 23.11.2024.