von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920.gewichen, als wenn eine tiefe Melancholie sie überschatte. Sie hatte angefangen an dem Buch, zu dem Boris sie ermutigt, einer Art Aufruf an alle, sich aus einem öden Jammertal ein selbsterobertes Yoshiwara zu gestalten. Sie wollte beweisen, daß die große, starke, elementare Sinnlichkeit in jedem wahren, lebenglühenden Kunstwerk enthalten sei! Das brauchte sie zwar kaum zu beweisen, dies Faktum, das so alt ist wie die Welt und seit das erste Kunstwerk geschaffen ward. Aber es fehlte ihr plötzlich die Kraft, es glaubhaft, überzeugend auszudrücken. -- Sie fühlte sich selber so matt -- fast verschmachtend auf dieser Sandbank des Friedens. Und so vergingen die Tage, die Wochen, die Monate immer in gleichem Schritt. Indra hatte fast vergessen, wie lange sie im Hindukollege weilte. Waren es zwei Jahre oder zwei Jahrzehnte? Eines Tages erhielt sie einen schwarzgerandeten Brief. Wer wußte denn ihren Aufenthalt hier, wer konnte ihr denn schreiben? Es war gewichen, als wenn eine tiefe Melancholie sie überschatte. Sie hatte angefangen an dem Buch, zu dem Boris sie ermutigt, einer Art Aufruf an alle, sich aus einem öden Jammertal ein selbsterobertes Yoshiwara zu gestalten. Sie wollte beweisen, daß die große, starke, elementare Sinnlichkeit in jedem wahren, lebenglühenden Kunstwerk enthalten sei! Das brauchte sie zwar kaum zu beweisen, dies Faktum, das so alt ist wie die Welt und seit das erste Kunstwerk geschaffen ward. Aber es fehlte ihr plötzlich die Kraft, es glaubhaft, überzeugend auszudrücken. — Sie fühlte sich selber so matt — fast verschmachtend auf dieser Sandbank des Friedens. Und so vergingen die Tage, die Wochen, die Monate immer in gleichem Schritt. Indra hatte fast vergessen, wie lange sie im Hindukollege weilte. Waren es zwei Jahre oder zwei Jahrzehnte? Eines Tages erhielt sie einen schwarzgerandeten Brief. Wer wußte denn ihren Aufenthalt hier, wer konnte ihr denn schreiben? Es war <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0180" n="181"/> gewichen, als wenn eine tiefe Melancholie sie überschatte.</p> <p>Sie hatte angefangen an dem Buch, zu dem Boris sie ermutigt, einer Art Aufruf an alle, sich aus einem öden Jammertal ein selbsterobertes Yoshiwara zu gestalten. Sie wollte beweisen, daß die große, starke, elementare Sinnlichkeit in jedem wahren, lebenglühenden Kunstwerk enthalten sei! Das brauchte sie zwar kaum zu beweisen, dies Faktum, das so alt ist wie die Welt und seit das erste Kunstwerk geschaffen ward. Aber es fehlte ihr plötzlich die Kraft, es glaubhaft, überzeugend auszudrücken. — Sie fühlte sich selber so matt — fast verschmachtend auf dieser Sandbank des Friedens.</p> <p>Und so vergingen die Tage, die Wochen, die Monate immer in gleichem Schritt. Indra hatte fast vergessen, wie lange sie im Hindukollege weilte. Waren es zwei Jahre oder zwei Jahrzehnte?</p> <p>Eines Tages erhielt sie einen schwarzgerandeten Brief. Wer wußte denn ihren Aufenthalt hier, wer konnte ihr denn schreiben? Es war </p> </div> </body> </text> </TEI> [181/0180]
gewichen, als wenn eine tiefe Melancholie sie überschatte.
Sie hatte angefangen an dem Buch, zu dem Boris sie ermutigt, einer Art Aufruf an alle, sich aus einem öden Jammertal ein selbsterobertes Yoshiwara zu gestalten. Sie wollte beweisen, daß die große, starke, elementare Sinnlichkeit in jedem wahren, lebenglühenden Kunstwerk enthalten sei! Das brauchte sie zwar kaum zu beweisen, dies Faktum, das so alt ist wie die Welt und seit das erste Kunstwerk geschaffen ward. Aber es fehlte ihr plötzlich die Kraft, es glaubhaft, überzeugend auszudrücken. — Sie fühlte sich selber so matt — fast verschmachtend auf dieser Sandbank des Friedens.
Und so vergingen die Tage, die Wochen, die Monate immer in gleichem Schritt. Indra hatte fast vergessen, wie lange sie im Hindukollege weilte. Waren es zwei Jahre oder zwei Jahrzehnte?
Eines Tages erhielt sie einen schwarzgerandeten Brief. Wer wußte denn ihren Aufenthalt hier, wer konnte ihr denn schreiben? Es war
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