von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920.was hatte sie erlebt an bunten, großen Schicksalen? Innerlich freilich wälzten sich täglich neue Tragödien in ihrer Seele, von denen sie abends todmüde, fast zerbrochen aufs Lager sank. -- Ach, wie verstand sie doch Schopenhauer, wenn er sagt: "Ganz mit Unrecht pflegt man die Jugend die glücklichste Lebenszeit zu nennen. Das wäre wahr, wenn Leidenschaften glücklich machten." Indra seufzte, ja, ihre Leidenschaften, ihre Sehnsucht nach allem Großen, allem Herrlichen dieser Welt, auch allen Wundern der Liebe, die ihr erschienen wie ein glänzendes Mysterium, hatten sie tief unglücklich gemacht. Das durfte sie der guten Mutter nicht zeigen, die nach des Vaters Tod, der ein herrlicher Landpfarrer im alten Stil gewesen, und nach dem Tod von vier jüngeren Kindern, die einer Diphtheritisepidemie erlagen, mit der damals vierzehnjährigen Indra nach einer Vorstadt von Berlin gezogen war, um dem hochbegabten, aufgeweckten Mädchen alle Gelegenheit zur Weiterbildung zu geben. Die gute Mutter vergaß, daß die hochgemute Tochter das tägliche Elend des "sich nach der Decke streckens" immer was hatte sie erlebt an bunten, großen Schicksalen? Innerlich freilich wälzten sich täglich neue Tragödien in ihrer Seele, von denen sie abends todmüde, fast zerbrochen aufs Lager sank. — Ach, wie verstand sie doch Schopenhauer, wenn er sagt: „Ganz mit Unrecht pflegt man die Jugend die glücklichste Lebenszeit zu nennen. Das wäre wahr, wenn Leidenschaften glücklich machten.“ Indra seufzte, ja, ihre Leidenschaften, ihre Sehnsucht nach allem Großen, allem Herrlichen dieser Welt, auch allen Wundern der Liebe, die ihr erschienen wie ein glänzendes Mysterium, hatten sie tief unglücklich gemacht. Das durfte sie der guten Mutter nicht zeigen, die nach des Vaters Tod, der ein herrlicher Landpfarrer im alten Stil gewesen, und nach dem Tod von vier jüngeren Kindern, die einer Diphtheritisepidemie erlagen, mit der damals vierzehnjährigen Indra nach einer Vorstadt von Berlin gezogen war, um dem hochbegabten, aufgeweckten Mädchen alle Gelegenheit zur Weiterbildung zu geben. Die gute Mutter vergaß, daß die hochgemute Tochter das tägliche Elend des „sich nach der Decke streckens“ immer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0019" n="20"/> was hatte sie erlebt an bunten, großen Schicksalen? Innerlich freilich wälzten sich täglich neue Tragödien in ihrer Seele, von denen sie abends todmüde, fast zerbrochen aufs Lager sank. — Ach, wie verstand sie doch Schopenhauer, wenn er sagt: „Ganz mit Unrecht pflegt man die Jugend die glücklichste Lebenszeit zu nennen. Das wäre wahr, wenn Leidenschaften glücklich machten.“ Indra seufzte, ja, ihre Leidenschaften, ihre Sehnsucht nach allem Großen, allem Herrlichen dieser Welt, auch allen Wundern der Liebe, die ihr erschienen wie ein glänzendes Mysterium, hatten sie tief unglücklich gemacht. Das durfte sie der guten Mutter nicht zeigen, die nach des Vaters Tod, der ein herrlicher Landpfarrer im alten Stil gewesen, und nach dem Tod von vier jüngeren Kindern, die einer Diphtheritisepidemie erlagen, mit der damals vierzehnjährigen Indra nach einer Vorstadt von Berlin gezogen war, um dem hochbegabten, aufgeweckten Mädchen alle Gelegenheit zur Weiterbildung zu geben. Die gute Mutter vergaß, daß die hochgemute Tochter das tägliche Elend des „sich nach der Decke streckens“ immer </p> </div> </body> </text> </TEI> [20/0019]
was hatte sie erlebt an bunten, großen Schicksalen? Innerlich freilich wälzten sich täglich neue Tragödien in ihrer Seele, von denen sie abends todmüde, fast zerbrochen aufs Lager sank. — Ach, wie verstand sie doch Schopenhauer, wenn er sagt: „Ganz mit Unrecht pflegt man die Jugend die glücklichste Lebenszeit zu nennen. Das wäre wahr, wenn Leidenschaften glücklich machten.“ Indra seufzte, ja, ihre Leidenschaften, ihre Sehnsucht nach allem Großen, allem Herrlichen dieser Welt, auch allen Wundern der Liebe, die ihr erschienen wie ein glänzendes Mysterium, hatten sie tief unglücklich gemacht. Das durfte sie der guten Mutter nicht zeigen, die nach des Vaters Tod, der ein herrlicher Landpfarrer im alten Stil gewesen, und nach dem Tod von vier jüngeren Kindern, die einer Diphtheritisepidemie erlagen, mit der damals vierzehnjährigen Indra nach einer Vorstadt von Berlin gezogen war, um dem hochbegabten, aufgeweckten Mädchen alle Gelegenheit zur Weiterbildung zu geben. Die gute Mutter vergaß, daß die hochgemute Tochter das tägliche Elend des „sich nach der Decke streckens“ immer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |