Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920.

Bild:
<< vorherige Seite

umspielte dabei seine Lippen, das Indra peinlich berührte. Sie wußte nicht, warum.

Am Abend waren alle Fräulein bei Tisch, und die Vorstellung begann. Da waren zwei tiefschwarze Damen aus Warschau, polnische Jüdinnen, wie es Indra schien, die ein furchtbares Deutsch sprachen, Ella und Bella genannt. Da war eine hellblonde Italienerin, Carmela, in einer Art italienischen Phantasiekostüms. Indra versuchte, italienisch mit ihr zu sprechen, aber sie erhielt nur eine kaum verständliche Antwort. Da war Carmen, die Spanierin, in Bolerohut und Jacke. Ferner Ellicon, eine Griechin, in einer Art weißwollener Fustanella. Dann das feine, blonde Mädchen mit dem Madonnenscheitel und züchtigen Augenniederschlag, Margot, zu dem sich Indra schon beim Lunch hingezogen fühlte. Außerdem waren da noch ein paar Fräulein, schwarz und ebenfalls stark jüdisch, üppig und nicht mehr allzu jung, die als Französin, Russin und Amerikanerin figurierten. -- "Abgelagerte Ware," wie Madame sich ausdrückte. "Ich hab' halt für jeden Geschmack was auf Lager", sagte

umspielte dabei seine Lippen, das Indra peinlich berührte. Sie wußte nicht, warum.

Am Abend waren alle Fräulein bei Tisch, und die Vorstellung begann. Da waren zwei tiefschwarze Damen aus Warschau, polnische Jüdinnen, wie es Indra schien, die ein furchtbares Deutsch sprachen, Ella und Bella genannt. Da war eine hellblonde Italienerin, Carmela, in einer Art italienischen Phantasiekostüms. Indra versuchte, italienisch mit ihr zu sprechen, aber sie erhielt nur eine kaum verständliche Antwort. Da war Carmen, die Spanierin, in Bolerohut und Jacke. Ferner Ellicon, eine Griechin, in einer Art weißwollener Fustanella. Dann das feine, blonde Mädchen mit dem Madonnenscheitel und züchtigen Augenniederschlag, Margot, zu dem sich Indra schon beim Lunch hingezogen fühlte. Außerdem waren da noch ein paar Fräulein, schwarz und ebenfalls stark jüdisch, üppig und nicht mehr allzu jung, die als Französin, Russin und Amerikanerin figurierten. — „Abgelagerte Ware,“ wie Madame sich ausdrückte. „Ich hab’ halt für jeden Geschmack was auf Lager“, sagte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0053" n="54"/>
umspielte dabei seine Lippen, das Indra peinlich berührte. Sie wußte nicht, warum.</p>
        <p>Am Abend waren alle Fräulein bei Tisch, und die Vorstellung begann. Da waren zwei tiefschwarze Damen aus Warschau, polnische Jüdinnen, wie es Indra schien, die ein furchtbares Deutsch sprachen, Ella und Bella genannt. Da war eine hellblonde Italienerin, Carmela, in einer Art italienischen Phantasiekostüms. Indra versuchte, italienisch mit ihr zu sprechen, aber sie erhielt nur eine kaum verständliche Antwort. Da war Carmen, die Spanierin, in Bolerohut und Jacke. Ferner Ellicon, eine Griechin, in einer Art weißwollener Fustanella. Dann das feine, blonde Mädchen mit dem Madonnenscheitel und züchtigen Augenniederschlag, Margot, zu dem sich Indra schon beim Lunch hingezogen fühlte. Außerdem waren da noch ein paar Fräulein, schwarz und ebenfalls stark jüdisch, üppig und nicht mehr allzu jung, die als Französin, Russin und Amerikanerin figurierten. &#x2014; &#x201E;Abgelagerte Ware,&#x201C; wie Madame sich ausdrückte. &#x201E;Ich hab&#x2019; halt für jeden Geschmack was auf Lager&#x201C;, sagte
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0053] umspielte dabei seine Lippen, das Indra peinlich berührte. Sie wußte nicht, warum. Am Abend waren alle Fräulein bei Tisch, und die Vorstellung begann. Da waren zwei tiefschwarze Damen aus Warschau, polnische Jüdinnen, wie es Indra schien, die ein furchtbares Deutsch sprachen, Ella und Bella genannt. Da war eine hellblonde Italienerin, Carmela, in einer Art italienischen Phantasiekostüms. Indra versuchte, italienisch mit ihr zu sprechen, aber sie erhielt nur eine kaum verständliche Antwort. Da war Carmen, die Spanierin, in Bolerohut und Jacke. Ferner Ellicon, eine Griechin, in einer Art weißwollener Fustanella. Dann das feine, blonde Mädchen mit dem Madonnenscheitel und züchtigen Augenniederschlag, Margot, zu dem sich Indra schon beim Lunch hingezogen fühlte. Außerdem waren da noch ein paar Fräulein, schwarz und ebenfalls stark jüdisch, üppig und nicht mehr allzu jung, die als Französin, Russin und Amerikanerin figurierten. — „Abgelagerte Ware,“ wie Madame sich ausdrückte. „Ich hab’ halt für jeden Geschmack was auf Lager“, sagte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/53
Zitationshilfe: von Preuschen, Hermione: Yoshiwara. Vom Freudenhaus des Lebens. Berlin, 1920, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/preuschen_yoshiwara_1920/53>, abgerufen am 21.11.2024.