Preuß, Hugo: Franz Lieber, ein Bürger zweier Welten. Berlin, 1886.es auch den 15 jährigen Franz nicht länger auf der Schulbank. Auch er trat als freiwilliger Jäger ein, und zwar suchte er sich in jugendlichem Feuereifer ein pommersches Regiment aus, welches Aussicht hatte, am schnellsten vor den Feind zu kommen. Und in der Feuerprobe bewährte sich denn auch der knabenhafte Krieger als ein ganzer Mann und Held. Es sollte ihm nicht erspart bleiben, den Ernst des Krieges in seiner fürchterlichsten Gestalt an sich selbst zu erfahren. Am 20. Juni erhielt er in der Schlacht bei Namur einen Schuß durch den Hals, und während er halbbewußtlos am Boden lag, traf ihn noch eine zweite Kugel in die Brust. In den entsetzlich langen Stunden, die er mit offnen unverbundenen Wunden in wilden Schmerzen lag, lernte er alle grausen Schrecken des Schlachtfeldes kennen. Hier zeigte sich ihm die brutalste Entmenschlichung der Menschen, die von Habsucht und Raubgier gestachelt selbst vor den fürchterlichen Leiden der Todeswunden keine Scheu empfindet, die menschlichen Hyänen der Schlachtfelder, Marodeurs, rissen ihm roh die Kleider vom Leibe, daß seine Wunden heftiger schmerzten und von Neuem bluteten. Und dies mußte der 15jährige Knabe erleben in einem Zustande von dem er selbst berichtet: "Als ich zu mir kam, fand ich mich im Todeskampfe, die Erde durchwühlend, wie ich es in früheren Schlachten an so manchem sterbenden Manne gesehen hatte. Ich schauderte und betete noch einmal um ein baldiges Ende. Meine Situation an einem Abhänge war derartig, daß ich auf die Ebene von Namur sehen konnte, und ich war erfreut, an dem Feuern zu erkennen, daß unsere Truppen um diese Zeit den Feind hart bedrängten." Unter dem freundlichen Beistand eines braven Westfalen ward der arme Junge endlich am späten Abend nach einer Farm geschleppt und nothdürftig verbunden. Als Verbandzeug mußte das Futter seiner Uniform dienen. Aber, damit hatten seine es auch den 15 jährigen Franz nicht länger auf der Schulbank. Auch er trat als freiwilliger Jäger ein, und zwar suchte er sich in jugendlichem Feuereifer ein pommersches Regiment aus, welches Aussicht hatte, am schnellsten vor den Feind zu kommen. Und in der Feuerprobe bewährte sich denn auch der knabenhafte Krieger als ein ganzer Mann und Held. Es sollte ihm nicht erspart bleiben, den Ernst des Krieges in seiner fürchterlichsten Gestalt an sich selbst zu erfahren. Am 20. Juni erhielt er in der Schlacht bei Namur einen Schuß durch den Hals, und während er halbbewußtlos am Boden lag, traf ihn noch eine zweite Kugel in die Brust. In den entsetzlich langen Stunden, die er mit offnen unverbundenen Wunden in wilden Schmerzen lag, lernte er alle grausen Schrecken des Schlachtfeldes kennen. Hier zeigte sich ihm die brutalste Entmenschlichung der Menschen, die von Habsucht und Raubgier gestachelt selbst vor den fürchterlichen Leiden der Todeswunden keine Scheu empfindet, die menschlichen Hyänen der Schlachtfelder, Marodeurs, rissen ihm roh die Kleider vom Leibe, daß seine Wunden heftiger schmerzten und von Neuem bluteten. Und dies mußte der 15jährige Knabe erleben in einem Zustande von dem er selbst berichtet: „Als ich zu mir kam, fand ich mich im Todeskampfe, die Erde durchwühlend, wie ich es in früheren Schlachten an so manchem sterbenden Manne gesehen hatte. Ich schauderte und betete noch einmal um ein baldiges Ende. Meine Situation an einem Abhänge war derartig, daß ich auf die Ebene von Namur sehen konnte, und ich war erfreut, an dem Feuern zu erkennen, daß unsere Truppen um diese Zeit den Feind hart bedrängten.“ Unter dem freundlichen Beistand eines braven Westfalen ward der arme Junge endlich am späten Abend nach einer Farm geschleppt und nothdürftig verbunden. Als Verbandzeug mußte das Futter seiner Uniform dienen. Aber, damit hatten seine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010" n="10"/> es auch den 15 jährigen Franz nicht länger auf der Schulbank. Auch er trat als freiwilliger Jäger ein, und zwar suchte er sich in jugendlichem Feuereifer ein pommersches Regiment aus, welches Aussicht hatte, am schnellsten vor den Feind zu kommen. Und in der Feuerprobe bewährte sich denn auch der knabenhafte Krieger als ein ganzer Mann und Held. Es sollte ihm nicht erspart bleiben, den Ernst des Krieges in seiner fürchterlichsten Gestalt an sich selbst zu erfahren. Am 20. Juni erhielt er in der Schlacht bei Namur einen Schuß durch den Hals, und während er halbbewußtlos am Boden lag, traf ihn noch eine zweite Kugel in die Brust. In den entsetzlich langen Stunden, die er mit <choice><sic>ffneno</sic><corr>offnen</corr></choice> unverbundenen Wunden in wilden Schmerzen lag, lernte er alle grausen Schrecken des Schlachtfeldes kennen. Hier zeigte sich ihm die brutalste Entmenschlichung der Menschen, die von Habsucht und Raubgier gestachelt selbst vor den fürchterlichen Leiden der Todeswunden keine Scheu empfindet, die menschlichen Hyänen der Schlachtfelder, Marodeurs, rissen ihm roh die Kleider vom Leibe, daß seine Wunden heftiger schmerzten und von Neuem bluteten. Und dies mußte der 15jährige Knabe erleben in einem Zustande von dem er selbst berichtet: „Als ich zu mir kam, fand ich mich im Todeskampfe, die Erde durchwühlend, wie ich es in früheren Schlachten an so manchem sterbenden Manne gesehen hatte. Ich schauderte und betete noch einmal um ein baldiges Ende. Meine Situation an einem Abhänge war derartig, daß ich auf die Ebene von Namur sehen konnte, und ich war erfreut, an dem Feuern zu erkennen, daß unsere Truppen um diese Zeit den Feind hart bedrängten.“</p> <p>Unter dem freundlichen Beistand eines braven Westfalen ward der arme Junge endlich am späten Abend nach einer Farm geschleppt und nothdürftig verbunden. Als Verbandzeug mußte das Futter seiner Uniform dienen. Aber, damit hatten seine </p> </div> </body> </text> </TEI> [10/0010]
es auch den 15 jährigen Franz nicht länger auf der Schulbank. Auch er trat als freiwilliger Jäger ein, und zwar suchte er sich in jugendlichem Feuereifer ein pommersches Regiment aus, welches Aussicht hatte, am schnellsten vor den Feind zu kommen. Und in der Feuerprobe bewährte sich denn auch der knabenhafte Krieger als ein ganzer Mann und Held. Es sollte ihm nicht erspart bleiben, den Ernst des Krieges in seiner fürchterlichsten Gestalt an sich selbst zu erfahren. Am 20. Juni erhielt er in der Schlacht bei Namur einen Schuß durch den Hals, und während er halbbewußtlos am Boden lag, traf ihn noch eine zweite Kugel in die Brust. In den entsetzlich langen Stunden, die er mit offnen unverbundenen Wunden in wilden Schmerzen lag, lernte er alle grausen Schrecken des Schlachtfeldes kennen. Hier zeigte sich ihm die brutalste Entmenschlichung der Menschen, die von Habsucht und Raubgier gestachelt selbst vor den fürchterlichen Leiden der Todeswunden keine Scheu empfindet, die menschlichen Hyänen der Schlachtfelder, Marodeurs, rissen ihm roh die Kleider vom Leibe, daß seine Wunden heftiger schmerzten und von Neuem bluteten. Und dies mußte der 15jährige Knabe erleben in einem Zustande von dem er selbst berichtet: „Als ich zu mir kam, fand ich mich im Todeskampfe, die Erde durchwühlend, wie ich es in früheren Schlachten an so manchem sterbenden Manne gesehen hatte. Ich schauderte und betete noch einmal um ein baldiges Ende. Meine Situation an einem Abhänge war derartig, daß ich auf die Ebene von Namur sehen konnte, und ich war erfreut, an dem Feuern zu erkennen, daß unsere Truppen um diese Zeit den Feind hart bedrängten.“
Unter dem freundlichen Beistand eines braven Westfalen ward der arme Junge endlich am späten Abend nach einer Farm geschleppt und nothdürftig verbunden. Als Verbandzeug mußte das Futter seiner Uniform dienen. Aber, damit hatten seine
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