verfallenen Mauern entlang gehen, die durch nichts geschützt sind. Der Knabe mit den Schlüsseln lief zwar wie ein Eichhörnchen darauf hin, der Barbier aus der Stadt aber, der sich mir beim Debarkiren als Führer angeboten, und mich bis hierher gebracht hatte, ließ mich nach den ersten Schritten im Stich. Diese Ruine liegt in dem Park des Herrn Bulkley, welcher sehr unpassend ein tenniscourt (Ballspiel) darin angelegt hat. Von seinem Wohnhause hat man eine sehr gerühmte Aussicht, die jedoch von einer an- dern, welche man anderthalb Stunden weiter, bei einer einfachen aber zierlichen Cottage, Craigg-Y-Don genannt, antrifft, weit überboten wird. Diese letztere Besitzung ist ein wahres Juwel, einer von den we- nigen gesegneten Oertern, die fast nichts mehr zu wünschen übrig lassen. Sie liegt zwischen dicht be- buschten Felsen, hart am Meer. Nicht zu groß, aber gleich einem boudoir aufgeputzt, mit dem frischesten Rasen und dem Blumenschmelz aller Farben umge- ben, das ganze Haus mit seinem Strohdach und Ve- randa von rankenden Monatsrosen und blauen Win- den überzogen -- bildet sie so, zwischen Wald und Felsen hervorlauschend, einen unbeschreiblich lieblichen Contrast mit der erhabenen Gegend. Labyrinthische Fußwege winden sich nach allen Richtungen durch das dunkle und kühle Gebüsch, mannichfach den großen Aussichtsschatz theilend, welchen die glücklichste Lage darbietet. Denn unter und vor Dir hast Du den tief blau gefärbten Meeresarm, dessen Brandung schäumend an den spitzen Felsen nagt, auf welchen
verfallenen Mauern entlang gehen, die durch nichts geſchützt ſind. Der Knabe mit den Schlüſſeln lief zwar wie ein Eichhörnchen darauf hin, der Barbier aus der Stadt aber, der ſich mir beim Debarkiren als Führer angeboten, und mich bis hierher gebracht hatte, ließ mich nach den erſten Schritten im Stich. Dieſe Ruine liegt in dem Park des Herrn Bulkley, welcher ſehr unpaſſend ein tenniscourt (Ballſpiel) darin angelegt hat. Von ſeinem Wohnhauſe hat man eine ſehr gerühmte Ausſicht, die jedoch von einer an- dern, welche man anderthalb Stunden weiter, bei einer einfachen aber zierlichen Cottage, Craigg-Y-Don genannt, antrifft, weit überboten wird. Dieſe letztere Beſitzung iſt ein wahres Juwel, einer von den we- nigen geſegneten Oertern, die faſt nichts mehr zu wünſchen übrig laſſen. Sie liegt zwiſchen dicht be- buſchten Felſen, hart am Meer. Nicht zu groß, aber gleich einem boudoir aufgeputzt, mit dem friſcheſten Raſen und dem Blumenſchmelz aller Farben umge- ben, das ganze Haus mit ſeinem Strohdach und Ve- randa von rankenden Monatsroſen und blauen Win- den überzogen — bildet ſie ſo, zwiſchen Wald und Felſen hervorlauſchend, einen unbeſchreiblich lieblichen Contraſt mit der erhabenen Gegend. Labyrinthiſche Fußwege winden ſich nach allen Richtungen durch das dunkle und kühle Gebüſch, mannichfach den großen Ausſichtsſchatz theilend, welchen die glücklichſte Lage darbietet. Denn unter und vor Dir haſt Du den tief blau gefärbten Meeresarm, deſſen Brandung ſchäumend an den ſpitzen Felſen nagt, auf welchen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0114"n="90"/>
verfallenen Mauern entlang gehen, die durch nichts<lb/>
geſchützt ſind. Der Knabe mit den Schlüſſeln lief<lb/>
zwar wie ein Eichhörnchen darauf hin, der Barbier<lb/>
aus der Stadt aber, der ſich mir beim Debarkiren<lb/>
als Führer angeboten, und mich bis hierher gebracht<lb/>
hatte, ließ mich nach den erſten Schritten im Stich.<lb/>
Dieſe Ruine liegt in dem Park des Herrn Bulkley,<lb/>
welcher ſehr unpaſſend ein <hirendition="#aq">tenniscourt</hi> (Ballſpiel)<lb/>
darin angelegt hat. Von ſeinem Wohnhauſe hat man<lb/>
eine ſehr gerühmte Ausſicht, die jedoch von einer an-<lb/>
dern, welche man anderthalb Stunden weiter, bei<lb/>
einer einfachen aber zierlichen Cottage, Craigg-Y-Don<lb/>
genannt, antrifft, weit überboten wird. Dieſe letztere<lb/>
Beſitzung iſt ein wahres Juwel, einer von den we-<lb/>
nigen geſegneten Oertern, die faſt nichts mehr zu<lb/>
wünſchen übrig laſſen. Sie liegt zwiſchen dicht be-<lb/>
buſchten Felſen, hart am Meer. Nicht zu groß, aber<lb/>
gleich einem <hirendition="#aq">boudoir</hi> aufgeputzt, mit dem friſcheſten<lb/>
Raſen und dem Blumenſchmelz aller Farben umge-<lb/>
ben, das ganze Haus mit ſeinem Strohdach und Ve-<lb/>
randa von rankenden Monatsroſen und blauen Win-<lb/>
den überzogen — bildet ſie ſo, zwiſchen Wald und<lb/>
Felſen hervorlauſchend, einen unbeſchreiblich lieblichen<lb/>
Contraſt mit der erhabenen Gegend. Labyrinthiſche<lb/>
Fußwege winden ſich nach allen Richtungen durch das<lb/>
dunkle und kühle Gebüſch, mannichfach den großen<lb/>
Ausſichtsſchatz theilend, welchen die glücklichſte Lage<lb/>
darbietet. Denn unter und vor Dir haſt Du den<lb/>
tief blau gefärbten Meeresarm, deſſen Brandung<lb/>ſchäumend an den ſpitzen Felſen nagt, auf welchen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[90/0114]
verfallenen Mauern entlang gehen, die durch nichts
geſchützt ſind. Der Knabe mit den Schlüſſeln lief
zwar wie ein Eichhörnchen darauf hin, der Barbier
aus der Stadt aber, der ſich mir beim Debarkiren
als Führer angeboten, und mich bis hierher gebracht
hatte, ließ mich nach den erſten Schritten im Stich.
Dieſe Ruine liegt in dem Park des Herrn Bulkley,
welcher ſehr unpaſſend ein tenniscourt (Ballſpiel)
darin angelegt hat. Von ſeinem Wohnhauſe hat man
eine ſehr gerühmte Ausſicht, die jedoch von einer an-
dern, welche man anderthalb Stunden weiter, bei
einer einfachen aber zierlichen Cottage, Craigg-Y-Don
genannt, antrifft, weit überboten wird. Dieſe letztere
Beſitzung iſt ein wahres Juwel, einer von den we-
nigen geſegneten Oertern, die faſt nichts mehr zu
wünſchen übrig laſſen. Sie liegt zwiſchen dicht be-
buſchten Felſen, hart am Meer. Nicht zu groß, aber
gleich einem boudoir aufgeputzt, mit dem friſcheſten
Raſen und dem Blumenſchmelz aller Farben umge-
ben, das ganze Haus mit ſeinem Strohdach und Ve-
randa von rankenden Monatsroſen und blauen Win-
den überzogen — bildet ſie ſo, zwiſchen Wald und
Felſen hervorlauſchend, einen unbeſchreiblich lieblichen
Contraſt mit der erhabenen Gegend. Labyrinthiſche
Fußwege winden ſich nach allen Richtungen durch das
dunkle und kühle Gebüſch, mannichfach den großen
Ausſichtsſchatz theilend, welchen die glücklichſte Lage
darbietet. Denn unter und vor Dir haſt Du den
tief blau gefärbten Meeresarm, deſſen Brandung
ſchäumend an den ſpitzen Felſen nagt, auf welchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/114>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.