uns gleich unbekannt sind. Aus eben dem Grunde wird es dem Guten, Fleißigen, Sparsamen, Klu- gen etc. in der Regel der liebe Gott gut gehen, und vieles was er wünscht gelingen lassen, dem Thoren und Bösen aber, der sich in Krieg mit der Welt setzt, wird es nicht so gut ergehen. Dem, der die Hand im Eise liegen läßt, wird sie der liebe Gott höchst wahrscheinlich erfrieren, und dem der sie ins Feuer hält verbrennen lassen, es müßte denn der unverbrennbare Spanier seyn. Wer zu Schiffe geht, wird zuweilen vom lieben Gott die Schickung des Ertrinkens zugetheilt erhalten, wer aber nie das Land verläßt, den wird der liebe Gott auch gewiß nie im Meere umkommen lassen. Daher heißt es auch mit Recht: Hilf Dir selbst, und Gott wird Dir helfen. Die Wahrheit ist, daß Gott uns schon von vornherein geholfen hat. -- Das Werk des Meisters ist vollendet und, soweit es beabsichtigt war, voll- kommen. Es braucht daher keiner fernern extraordi- nairen Nachhülfe und Corrigirung von oben. In unsre eignen Hände ist für jetzt die weitere Entwick- lung gelegt. Wir können gut und böse, klug und thöricht seyn, nicht immer vielleicht wie es die In- dividuen frei wollen möchten, aber wie sie die vorhergehende Menschheit herangebildet. Tugend und Sünde, Klugheit und Thorheit sind ja über- haupt blos Worte, die ihre Bedeutung hier erst durch die menschliche Gesellschaft erhalten, und ohne sie gänzlich verlieren würden. Der Begriff des Gu- ten und Bösen entwickelt sich offenbar nur in Bezug
uns gleich unbekannt ſind. Aus eben dem Grunde wird es dem Guten, Fleißigen, Sparſamen, Klu- gen ꝛc. in der Regel der liebe Gott gut gehen, und vieles was er wünſcht gelingen laſſen, dem Thoren und Böſen aber, der ſich in Krieg mit der Welt ſetzt, wird es nicht ſo gut ergehen. Dem, der die Hand im Eiſe liegen läßt, wird ſie der liebe Gott höchſt wahrſcheinlich erfrieren, und dem der ſie ins Feuer hält verbrennen laſſen, es müßte denn der unverbrennbare Spanier ſeyn. Wer zu Schiffe geht, wird zuweilen vom lieben Gott die Schickung des Ertrinkens zugetheilt erhalten, wer aber nie das Land verläßt, den wird der liebe Gott auch gewiß nie im Meere umkommen laſſen. Daher heißt es auch mit Recht: Hilf Dir ſelbſt, und Gott wird Dir helfen. Die Wahrheit iſt, daß Gott uns ſchon von vornherein geholfen hat. — Das Werk des Meiſters iſt vollendet und, ſoweit es beabſichtigt war, voll- kommen. Es braucht daher keiner fernern extraordi- nairen Nachhülfe und Corrigirung von oben. In unſre eignen Hände iſt für jetzt die weitere Entwick- lung gelegt. Wir können gut und böſe, klug und thöricht ſeyn, nicht immer vielleicht wie es die In- dividuen frei wollen möchten, aber wie ſie die vorhergehende Menſchheit herangebildet. Tugend und Sünde, Klugheit und Thorheit ſind ja über- haupt blos Worte, die ihre Bedeutung hier erſt durch die menſchliche Geſellſchaft erhalten, und ohne ſie gänzlich verlieren würden. Der Begriff des Gu- ten und Böſen entwickelt ſich offenbar nur in Bezug
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0127"n="103"/>
uns gleich unbekannt ſind. Aus eben dem Grunde<lb/>
wird es dem Guten, Fleißigen, Sparſamen, Klu-<lb/>
gen ꝛc. in der Regel der liebe Gott gut gehen, und<lb/>
vieles was er wünſcht gelingen laſſen, dem Thoren<lb/>
und Böſen aber, der ſich in Krieg mit der Welt<lb/>ſetzt, wird es nicht ſo gut ergehen. Dem, der die<lb/>
Hand im Eiſe liegen läßt, wird ſie der liebe Gott<lb/>
höchſt wahrſcheinlich erfrieren, und dem der ſie ins<lb/>
Feuer hält verbrennen laſſen, es müßte denn der<lb/>
unverbrennbare Spanier ſeyn. Wer zu Schiffe geht,<lb/>
wird zuweilen vom lieben Gott die Schickung des<lb/>
Ertrinkens zugetheilt erhalten, wer aber nie das<lb/>
Land verläßt, den wird der liebe Gott auch gewiß<lb/>
nie im Meere umkommen laſſen. Daher heißt es<lb/>
auch mit Recht: Hilf Dir ſelbſt, und Gott wird Dir<lb/>
helfen. Die Wahrheit iſt, daß Gott uns ſchon von<lb/>
vornherein geholfen hat. — Das Werk des Meiſters<lb/>
iſt vollendet und, ſoweit es beabſichtigt war, voll-<lb/>
kommen. Es braucht daher keiner fernern extraordi-<lb/>
nairen Nachhülfe und Corrigirung von oben. In<lb/>
unſre eignen Hände iſt für jetzt die weitere Entwick-<lb/>
lung gelegt. Wir können gut und böſe, klug und<lb/>
thöricht ſeyn, nicht immer vielleicht wie es die <hirendition="#g">In-<lb/>
dividuen</hi> frei wollen möchten, aber wie ſie die<lb/>
vorhergehende <hirendition="#g">Menſchheit</hi> herangebildet. Tugend<lb/>
und Sünde, Klugheit und Thorheit ſind ja über-<lb/>
haupt blos Worte, die ihre Bedeutung hier erſt durch<lb/>
die <hirendition="#g">menſchliche Geſellſchaft</hi> erhalten, und ohne<lb/>ſie gänzlich verlieren würden. Der Begriff des Gu-<lb/>
ten und Böſen entwickelt ſich offenbar <hirendition="#g">nur</hi> in Bezug<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[103/0127]
uns gleich unbekannt ſind. Aus eben dem Grunde
wird es dem Guten, Fleißigen, Sparſamen, Klu-
gen ꝛc. in der Regel der liebe Gott gut gehen, und
vieles was er wünſcht gelingen laſſen, dem Thoren
und Böſen aber, der ſich in Krieg mit der Welt
ſetzt, wird es nicht ſo gut ergehen. Dem, der die
Hand im Eiſe liegen läßt, wird ſie der liebe Gott
höchſt wahrſcheinlich erfrieren, und dem der ſie ins
Feuer hält verbrennen laſſen, es müßte denn der
unverbrennbare Spanier ſeyn. Wer zu Schiffe geht,
wird zuweilen vom lieben Gott die Schickung des
Ertrinkens zugetheilt erhalten, wer aber nie das
Land verläßt, den wird der liebe Gott auch gewiß
nie im Meere umkommen laſſen. Daher heißt es
auch mit Recht: Hilf Dir ſelbſt, und Gott wird Dir
helfen. Die Wahrheit iſt, daß Gott uns ſchon von
vornherein geholfen hat. — Das Werk des Meiſters
iſt vollendet und, ſoweit es beabſichtigt war, voll-
kommen. Es braucht daher keiner fernern extraordi-
nairen Nachhülfe und Corrigirung von oben. In
unſre eignen Hände iſt für jetzt die weitere Entwick-
lung gelegt. Wir können gut und böſe, klug und
thöricht ſeyn, nicht immer vielleicht wie es die In-
dividuen frei wollen möchten, aber wie ſie die
vorhergehende Menſchheit herangebildet. Tugend
und Sünde, Klugheit und Thorheit ſind ja über-
haupt blos Worte, die ihre Bedeutung hier erſt durch
die menſchliche Geſellſchaft erhalten, und ohne
ſie gänzlich verlieren würden. Der Begriff des Gu-
ten und Böſen entwickelt ſich offenbar nur in Bezug
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/127>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.