befinden glaubte. Auch waren diese alle frei wie dort, keinen die Flügel verschnitten, und ein, imme- diat an ihre Wohnung stoßendes, Wäldchen hoher Bäume diente ihnen zum anmuthigsten Vergnügungs- ort. Noch wiegten sich die meisten von ihnen behag- lich auf den schwankenden Gipfeln, als wir anka- men; kaum erblickten sie aber die kleine rosige Fanny, wie eine wohlthuende Fee mit Leckerbissen in der Sch[ü]rze ihnen entgegentretend, als sie in brausender Wolke herabeilten, und sich pickend und frohlockend zu ihren Füßen niederließen. Ich fühlte mich idyl- lisch gerührt, und trieb zu Haus, um noch vor dem Frühstück mich des Feuers meiner Begeisterung zu entledigen. Nun waren aber noch die Kindergärten zu besehen, und ein Haus der Laune, und Gott weiß was alles -- kurz wir kamen zu spät und wur- den ausgescholten. Mit englischem Pathos rief Miß Fanny:
We do but row -- And we are steered by fate. Wir rudern wohl -- Jedoch das Schicksal sitzt am Steuer!
mit andern Worten: der Mensch denkt, Gott lenkt ... und Ja wohl, dachte ich, der kleine Philosoph hat nur zu Recht! Es kömmt immer anders, wie man sich's vorstellt, selbst bei so wenig bedeutenden Dingen als die Promenade mit einem hübschen Mäd- chen, und das Warten der Eltern beim Frühstück. --
befinden glaubte. Auch waren dieſe alle frei wie dort, keinen die Flügel verſchnitten, und ein, imme- diat an ihre Wohnung ſtoßendes, Wäldchen hoher Bäume diente ihnen zum anmuthigſten Vergnügungs- ort. Noch wiegten ſich die meiſten von ihnen behag- lich auf den ſchwankenden Gipfeln, als wir anka- men; kaum erblickten ſie aber die kleine roſige Fanny, wie eine wohlthuende Fee mit Leckerbiſſen in der Sch[ü]rze ihnen entgegentretend, als ſie in brauſender Wolke herabeilten, und ſich pickend und frohlockend zu ihren Füßen niederließen. Ich fühlte mich idyl- liſch gerührt, und trieb zu Haus, um noch vor dem Frühſtück mich des Feuers meiner Begeiſterung zu entledigen. Nun waren aber noch die Kindergärten zu beſehen, und ein Haus der Laune, und Gott weiß was alles — kurz wir kamen zu ſpät und wur- den ausgeſcholten. Mit engliſchem Pathos rief Miß Fanny:
We do but row — And we are steered by fate. Wir rudern wohl — Jedoch das Schickſal ſitzt am Steuer!
mit andern Worten: der Menſch denkt, Gott lenkt … und Ja wohl, dachte ich, der kleine Philoſoph hat nur zu Recht! Es kömmt immer anders, wie man ſich’s vorſtellt, ſelbſt bei ſo wenig bedeutenden Dingen als die Promenade mit einem hübſchen Mäd- chen, und das Warten der Eltern beim Frühſtück. —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0167"n="143"/>
befinden glaubte. Auch waren dieſe alle frei wie<lb/>
dort, keinen die Flügel verſchnitten, und ein, imme-<lb/>
diat an ihre Wohnung ſtoßendes, Wäldchen hoher<lb/>
Bäume diente ihnen zum anmuthigſten Vergnügungs-<lb/>
ort. Noch wiegten ſich die meiſten von ihnen behag-<lb/>
lich auf den ſchwankenden Gipfeln, als wir anka-<lb/>
men; kaum erblickten ſie aber die kleine roſige Fanny,<lb/>
wie eine wohlthuende Fee mit Leckerbiſſen in der<lb/>
Sch<supplied>ü</supplied>rze ihnen entgegentretend, als ſie in brauſender<lb/>
Wolke herabeilten, und ſich pickend und frohlockend<lb/>
zu ihren Füßen niederließen. Ich fühlte mich idyl-<lb/>
liſch gerührt, und trieb zu Haus, um noch vor dem<lb/>
Frühſtück mich des Feuers meiner Begeiſterung zu<lb/>
entledigen. Nun waren aber noch die Kindergärten<lb/>
zu beſehen, und ein Haus der Laune, und Gott<lb/>
weiß was alles — kurz wir kamen zu ſpät und wur-<lb/>
den ausgeſcholten. Mit engliſchem Pathos rief Miß<lb/>
Fanny:</p><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#aq">We do but row —</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">And we are steered by fate.</hi></l><lb/><l>Wir rudern wohl —</l><lb/><l>Jedoch das Schickſal ſitzt am Steuer!</l></lg><lb/><p>mit andern Worten: der Menſch denkt, Gott lenkt<lb/>… und Ja wohl, dachte ich, der kleine Philoſoph<lb/>
hat nur zu Recht! Es kömmt immer anders, wie<lb/>
man ſich’s vorſtellt, ſelbſt bei ſo wenig bedeutenden<lb/>
Dingen als die Promenade mit einem hübſchen Mäd-<lb/>
chen, und das Warten der Eltern beim Frühſtück. —</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[143/0167]
befinden glaubte. Auch waren dieſe alle frei wie
dort, keinen die Flügel verſchnitten, und ein, imme-
diat an ihre Wohnung ſtoßendes, Wäldchen hoher
Bäume diente ihnen zum anmuthigſten Vergnügungs-
ort. Noch wiegten ſich die meiſten von ihnen behag-
lich auf den ſchwankenden Gipfeln, als wir anka-
men; kaum erblickten ſie aber die kleine roſige Fanny,
wie eine wohlthuende Fee mit Leckerbiſſen in der
Schürze ihnen entgegentretend, als ſie in brauſender
Wolke herabeilten, und ſich pickend und frohlockend
zu ihren Füßen niederließen. Ich fühlte mich idyl-
liſch gerührt, und trieb zu Haus, um noch vor dem
Frühſtück mich des Feuers meiner Begeiſterung zu
entledigen. Nun waren aber noch die Kindergärten
zu beſehen, und ein Haus der Laune, und Gott
weiß was alles — kurz wir kamen zu ſpät und wur-
den ausgeſcholten. Mit engliſchem Pathos rief Miß
Fanny:
We do but row —
And we are steered by fate.
Wir rudern wohl —
Jedoch das Schickſal ſitzt am Steuer!
mit andern Worten: der Menſch denkt, Gott lenkt
… und Ja wohl, dachte ich, der kleine Philoſoph
hat nur zu Recht! Es kömmt immer anders, wie
man ſich’s vorſtellt, ſelbſt bei ſo wenig bedeutenden
Dingen als die Promenade mit einem hübſchen Mäd-
chen, und das Warten der Eltern beim Frühſtück. —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/167>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.