und man kommt am weitesten damit. Meine erste Excursion war nach dem berühmten Ort, the mee- ting of the wators (die Begegnung der Wässer) ge- nannt, wo sich die beiden Flüsse Avonmore und Avonbeg vereinigen, und die malerischeste Gegend zu ihrem Hochzeitsfest gewählt haben. Auf einem Felsen jenseits, steht Castle Howard, mit vielfachen Thürmen und Zinnen; es sind jedoch leider nur eben fertig ge- wordne -- die in der Nähe nicht mehr imponiren. Ich fand im Schloß noch Alles im Schlaf, und ein Diener, im Hemde, zeigte mir die Gemälde, unter denen sich ein herrliches Portrait der Maria Stuart befindet. Dies war gewiß eine sprechende Aehnlich- keit. Es ist offenbar aus ihrer Zeit, und das anzie- hende, ächtfranzösische Gesicht, mit der feinen Nase, dem reizenden Mund, den schmachtenden Feueraugen, und jenem unnachahmlichen Ausdruck, der, ohne grade entgegen zu kommen, doch etwas so Muth Einflößen- des hat, und, obgleich nicht ohne weibliche Würde, dennoch, so zu sagen, auf den ersten Blick schon, Ver- traulichkeit hervorruft -- Alles überzeugt, daß so nur die Frau aussehen konnte, bei welcher fast Jeder, der mit ihr in nähere Berührung trat, ohngeachtet ihres hohen Ranges, auch sogleich die Rolle eines Liebha- bers spielte. Ihre Hände sind wunderschön, und in ihrer Tracht, obgleich im barocken Styl der Zeit, herrscht so viel Harmonie, daß man schnell inne wird, sie habe die Toilettenkunst nicht weniger gut verstan- den, als ihre heutigen Landsmänninnen.
und man kommt am weiteſten damit. Meine erſte Excurſion war nach dem berühmten Ort, the mee- ting of the wators (die Begegnung der Wäſſer) ge- nannt, wo ſich die beiden Flüſſe Avonmore und Avonbeg vereinigen, und die maleriſcheſte Gegend zu ihrem Hochzeitsfeſt gewählt haben. Auf einem Felſen jenſeits, ſteht Caſtle Howard, mit vielfachen Thürmen und Zinnen; es ſind jedoch leider nur eben fertig ge- wordne — die in der Nähe nicht mehr imponiren. Ich fand im Schloß noch Alles im Schlaf, und ein Diener, im Hemde, zeigte mir die Gemälde, unter denen ſich ein herrliches Portrait der Maria Stuart befindet. Dies war gewiß eine ſprechende Aehnlich- keit. Es iſt offenbar aus ihrer Zeit, und das anzie- hende, ächtfranzöſiſche Geſicht, mit der feinen Naſe, dem reizenden Mund, den ſchmachtenden Feueraugen, und jenem unnachahmlichen Ausdruck, der, ohne grade entgegen zu kommen, doch etwas ſo Muth Einflößen- des hat, und, obgleich nicht ohne weibliche Würde, dennoch, ſo zu ſagen, auf den erſten Blick ſchon, Ver- traulichkeit hervorruft — Alles überzeugt, daß ſo nur die Frau ausſehen konnte, bei welcher faſt Jeder, der mit ihr in nähere Berührung trat, ohngeachtet ihres hohen Ranges, auch ſogleich die Rolle eines Liebha- bers ſpielte. Ihre Hände ſind wunderſchön, und in ihrer Tracht, obgleich im barocken Styl der Zeit, herrſcht ſo viel Harmonie, daß man ſchnell inne wird, ſie habe die Toilettenkunſt nicht weniger gut verſtan- den, als ihre heutigen Landsmänninnen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0207"n="183"/>
und man kommt am weiteſten damit. Meine erſte<lb/>
Excurſion war nach dem berühmten Ort, <hirendition="#aq">the mee-<lb/>
ting of the wators</hi> (die Begegnung der Wäſſer) ge-<lb/>
nannt, wo ſich die beiden Flüſſe Avonmore und<lb/>
Avonbeg vereinigen, und die maleriſcheſte Gegend zu<lb/>
ihrem Hochzeitsfeſt gewählt haben. Auf einem Felſen<lb/>
jenſeits, ſteht Caſtle Howard, mit vielfachen Thürmen<lb/>
und Zinnen; es ſind jedoch leider nur eben fertig ge-<lb/>
wordne — die in der Nähe nicht mehr imponiren.<lb/>
Ich fand im Schloß noch Alles im Schlaf, und ein<lb/>
Diener, im Hemde, zeigte mir die Gemälde, unter<lb/>
denen ſich ein herrliches Portrait der Maria Stuart<lb/>
befindet. Dies war gewiß eine ſprechende Aehnlich-<lb/>
keit. Es iſt offenbar aus ihrer Zeit, und das anzie-<lb/>
hende, ächtfranzöſiſche Geſicht, mit der feinen Naſe,<lb/>
dem reizenden Mund, den ſchmachtenden Feueraugen,<lb/>
und jenem unnachahmlichen Ausdruck, der, ohne grade<lb/>
entgegen zu kommen, doch etwas ſo Muth Einflößen-<lb/>
des hat, und, obgleich nicht ohne weibliche Würde,<lb/>
dennoch, ſo zu ſagen, auf den erſten Blick ſchon, Ver-<lb/>
traulichkeit hervorruft — Alles überzeugt, daß <hirendition="#g">ſo</hi> nur<lb/>
die Frau ausſehen konnte, bei welcher faſt Jeder, der<lb/>
mit ihr in nähere Berührung trat, ohngeachtet ihres<lb/>
hohen Ranges, auch ſogleich die Rolle eines Liebha-<lb/>
bers ſpielte. Ihre Hände ſind wunderſchön, und in<lb/>
ihrer Tracht, obgleich im barocken Styl der Zeit,<lb/>
herrſcht ſo viel Harmonie, daß man ſchnell inne wird,<lb/>ſie habe die Toilettenkunſt nicht weniger gut verſtan-<lb/>
den, als ihre heutigen Landsmänninnen.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[183/0207]
und man kommt am weiteſten damit. Meine erſte
Excurſion war nach dem berühmten Ort, the mee-
ting of the wators (die Begegnung der Wäſſer) ge-
nannt, wo ſich die beiden Flüſſe Avonmore und
Avonbeg vereinigen, und die maleriſcheſte Gegend zu
ihrem Hochzeitsfeſt gewählt haben. Auf einem Felſen
jenſeits, ſteht Caſtle Howard, mit vielfachen Thürmen
und Zinnen; es ſind jedoch leider nur eben fertig ge-
wordne — die in der Nähe nicht mehr imponiren.
Ich fand im Schloß noch Alles im Schlaf, und ein
Diener, im Hemde, zeigte mir die Gemälde, unter
denen ſich ein herrliches Portrait der Maria Stuart
befindet. Dies war gewiß eine ſprechende Aehnlich-
keit. Es iſt offenbar aus ihrer Zeit, und das anzie-
hende, ächtfranzöſiſche Geſicht, mit der feinen Naſe,
dem reizenden Mund, den ſchmachtenden Feueraugen,
und jenem unnachahmlichen Ausdruck, der, ohne grade
entgegen zu kommen, doch etwas ſo Muth Einflößen-
des hat, und, obgleich nicht ohne weibliche Würde,
dennoch, ſo zu ſagen, auf den erſten Blick ſchon, Ver-
traulichkeit hervorruft — Alles überzeugt, daß ſo nur
die Frau ausſehen konnte, bei welcher faſt Jeder, der
mit ihr in nähere Berührung trat, ohngeachtet ihres
hohen Ranges, auch ſogleich die Rolle eines Liebha-
bers ſpielte. Ihre Hände ſind wunderſchön, und in
ihrer Tracht, obgleich im barocken Styl der Zeit,
herrſcht ſo viel Harmonie, daß man ſchnell inne wird,
ſie habe die Toilettenkunſt nicht weniger gut verſtan-
den, als ihre heutigen Landsmänninnen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/207>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.