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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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keinen Vorschub leisten, und hatte daher, bei augen-
blicklicher Verabschiedung, die Oeffnung seiner Pfor-
ten verpönt. Ich versuchte, durch meine frühere Dir
bekannte avanture in England gewitzigt, nicht einmal
durch ein Geschenk den Eingang zu erzwingen, son-
dern verfolgte meinen Weg längs der Mauer, über
die ich zuweilen sehnsüchtig nach dem großen Wasser-
fall und der bezauberten Gegend verstohlene Blicke
warf. Du lieber Gott, dachte ich, wie verschieden
wirst Du angebetet! die Einen braten Dir ihren
Nächsten, die Andern machen Dich zum Apis, diese
glauben Dich partheiischer und ungerechter noch als
der Teufel selbst, und Jene denken: mehr als Alle
zu leisten, wenn sie Deine schöne Lebensgabe sich
und andern verderben und entziehen! O Herr von
P ...! Du wirst diese Zeilen nicht lesen, aber es
wäre gut wenn du es thätest, und sie beherzigtest.
Gar mancher arme Mann, der die Woche lang
schwitzt um dir sein Pachtgeld abzuzahlen, würde am
Sonntag froh in deinem schönen Parke seyn, und
des Herrn Güte segnen, der ihm doch nicht Alles,
selbst den Anblick seiner Herrlichkeit, entzieht, dies
würde am Ende auch Dich erfreuen, aber -- du
selbst bist wohl gar nicht zugegen, und sendest deine
frommen Befehle blos von weitem? du bist vielleicht,
wie so viele deiner Collegen, auch einer jener absen-
tees,
der durch heißhungrige und erbarmungslose
Beamten das Volk von dem letzten Lumpen entblö-
ßen, die letzte Kartoffel ihm rauben läßt, um in Lon-
don, Paris oder Italien, Maitressen und Charlatans

keinen Vorſchub leiſten, und hatte daher, bei augen-
blicklicher Verabſchiedung, die Oeffnung ſeiner Pfor-
ten verpönt. Ich verſuchte, durch meine frühere Dir
bekannte avanture in England gewitzigt, nicht einmal
durch ein Geſchenk den Eingang zu erzwingen, ſon-
dern verfolgte meinen Weg längs der Mauer, über
die ich zuweilen ſehnſüchtig nach dem großen Waſſer-
fall und der bezauberten Gegend verſtohlene Blicke
warf. Du lieber Gott, dachte ich, wie verſchieden
wirſt Du angebetet! die Einen braten Dir ihren
Nächſten, die Andern machen Dich zum Apis, dieſe
glauben Dich partheiiſcher und ungerechter noch als
der Teufel ſelbſt, und Jene denken: mehr als Alle
zu leiſten, wenn ſie Deine ſchöne Lebensgabe ſich
und andern verderben und entziehen! O Herr von
P …! Du wirſt dieſe Zeilen nicht leſen, aber es
wäre gut wenn du es thäteſt, und ſie beherzigteſt.
Gar mancher arme Mann, der die Woche lang
ſchwitzt um dir ſein Pachtgeld abzuzahlen, würde am
Sonntag froh in deinem ſchönen Parke ſeyn, und
des Herrn Güte ſegnen, der ihm doch nicht Alles,
ſelbſt den Anblick ſeiner Herrlichkeit, entzieht, dies
würde am Ende auch Dich erfreuen, aber — du
ſelbſt biſt wohl gar nicht zugegen, und ſendeſt deine
frommen Befehle blos von weitem? du biſt vielleicht,
wie ſo viele deiner Collegen, auch einer jener absen-
tées,
der durch heißhungrige und erbarmungsloſe
Beamten das Volk von dem letzten Lumpen entblö-
ßen, die letzte Kartoffel ihm rauben läßt, um in Lon-
don, Paris oder Italien, Maitreſſen und Charlatans

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[196/0220] keinen Vorſchub leiſten, und hatte daher, bei augen- blicklicher Verabſchiedung, die Oeffnung ſeiner Pfor- ten verpönt. Ich verſuchte, durch meine frühere Dir bekannte avanture in England gewitzigt, nicht einmal durch ein Geſchenk den Eingang zu erzwingen, ſon- dern verfolgte meinen Weg längs der Mauer, über die ich zuweilen ſehnſüchtig nach dem großen Waſſer- fall und der bezauberten Gegend verſtohlene Blicke warf. Du lieber Gott, dachte ich, wie verſchieden wirſt Du angebetet! die Einen braten Dir ihren Nächſten, die Andern machen Dich zum Apis, dieſe glauben Dich partheiiſcher und ungerechter noch als der Teufel ſelbſt, und Jene denken: mehr als Alle zu leiſten, wenn ſie Deine ſchöne Lebensgabe ſich und andern verderben und entziehen! O Herr von P …! Du wirſt dieſe Zeilen nicht leſen, aber es wäre gut wenn du es thäteſt, und ſie beherzigteſt. Gar mancher arme Mann, der die Woche lang ſchwitzt um dir ſein Pachtgeld abzuzahlen, würde am Sonntag froh in deinem ſchönen Parke ſeyn, und des Herrn Güte ſegnen, der ihm doch nicht Alles, ſelbſt den Anblick ſeiner Herrlichkeit, entzieht, dies würde am Ende auch Dich erfreuen, aber — du ſelbſt biſt wohl gar nicht zugegen, und ſendeſt deine frommen Befehle blos von weitem? du biſt vielleicht, wie ſo viele deiner Collegen, auch einer jener absen- tées, der durch heißhungrige und erbarmungsloſe Beamten das Volk von dem letzten Lumpen entblö- ßen, die letzte Kartoffel ihm rauben läßt, um in Lon- don, Paris oder Italien, Maitreſſen und Charlatans

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/220>, abgerufen am 26.11.2024.