Vater in Connaught zu begleiten, der, wie er sagt, ein eben so gastfreier als wohlhabender Mann ist, daß ich nachgegeben habe, et m'y voila. Dieser wilde Theil Irlands, welchen Fremde nie, Einhei- mische selten besuchen, steht in so üblem renommee, daß ein Sprichwort sagt: Go to hell and Connaught (geh zur Hölle und Connaught). Der Entschluß wäre also der Ueberlegung werth gewesen. -- Was aber Andere abschreckt, reizt mich oft an, und grade da finde ich oft die beste Ausbeute, und Alles ver- spricht sie mir diesmal reichlich, wenigstens was das Ungewöhnliche betrifft.
Gestern Abends, nach dem dine, setzten wir uns in meinen Wagen, und verließen die Metropolis. Der Weg, welchen wir zurücklegen sollten, betrug grade 101 Meile. In England wäre dies bald abge- than gewesen -- hier ist der Zustand der Posten nicht derselbe, und wir brauchten über 24 Stunden dazu.
Die hiesige Landschaft gleicht auffallend den wen- dischen Gegenden der Nieder-Lausitz, wo mein Un- glücksstern mich auch einmal hinverschlug, blos mit Ausnahme des vielen Waldes, der, einige dürre Kiefern abgerechnet, überall nur gewesen zu seyn scheint. Brücher und Torfmoore bedecken jetzt unab- sehbare Strecken, und das alte tausendjährige Eichen- holz, welches in der Tiefe dort gefunden wird, hat einen hohen Preis für zierliche Meuble-Arbeiten; man macht sogar Tabaksdosen und Damenparüren
Vater in Connaught zu begleiten, der, wie er ſagt, ein eben ſo gaſtfreier als wohlhabender Mann iſt, daß ich nachgegeben habe, et m’y voilà. Dieſer wilde Theil Irlands, welchen Fremde nie, Einhei- miſche ſelten beſuchen, ſteht in ſo üblem renommée, daß ein Sprichwort ſagt: Go to hell and Connaught (geh zur Hölle und Connaught). Der Entſchluß wäre alſo der Ueberlegung werth geweſen. — Was aber Andere abſchreckt, reizt mich oft an, und grade da finde ich oft die beſte Ausbeute, und Alles ver- ſpricht ſie mir diesmal reichlich, wenigſtens was das Ungewöhnliche betrifft.
Geſtern Abends, nach dem diné, ſetzten wir uns in meinen Wagen, und verließen die Metropolis. Der Weg, welchen wir zurücklegen ſollten, betrug grade 101 Meile. In England wäre dies bald abge- than geweſen — hier iſt der Zuſtand der Poſten nicht derſelbe, und wir brauchten über 24 Stunden dazu.
Die hieſige Landſchaft gleicht auffallend den wen- diſchen Gegenden der Nieder-Lauſitz, wo mein Un- glücksſtern mich auch einmal hinverſchlug, blos mit Ausnahme des vielen Waldes, der, einige dürre Kiefern abgerechnet, überall nur geweſen zu ſeyn ſcheint. Brücher und Torfmoore bedecken jetzt unab- ſehbare Strecken, und das alte tauſendjährige Eichen- holz, welches in der Tiefe dort gefunden wird, hat einen hohen Preis für zierliche Meuble-Arbeiten; man macht ſogar Tabaksdoſen und Damenparüren
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Vater in Connaught zu begleiten, der, wie er ſagt,
ein eben ſo gaſtfreier als wohlhabender Mann iſt,
daß ich nachgegeben habe, et m’y voilà. Dieſer
wilde Theil Irlands, welchen Fremde nie, Einhei-
miſche ſelten beſuchen, ſteht in ſo üblem renommée,
daß ein Sprichwort ſagt: Go to hell and Connaught
(geh zur Hölle und Connaught). Der Entſchluß
wäre alſo der Ueberlegung werth geweſen. — Was
aber Andere abſchreckt, reizt mich oft an, und grade
da finde ich oft die beſte Ausbeute, und Alles ver-
ſpricht ſie mir diesmal reichlich, wenigſtens was das
Ungewöhnliche betrifft.
Geſtern Abends, nach dem diné, ſetzten wir uns
in meinen Wagen, und verließen die Metropolis.
Der Weg, welchen wir zurücklegen ſollten, betrug
grade 101 Meile. In England wäre dies bald abge-
than geweſen — hier iſt der Zuſtand der Poſten
nicht derſelbe, und wir brauchten über 24 Stunden
dazu.
Die hieſige Landſchaft gleicht auffallend den wen-
diſchen Gegenden der Nieder-Lauſitz, wo mein Un-
glücksſtern mich auch einmal hinverſchlug, blos mit
Ausnahme des vielen Waldes, der, einige dürre
Kiefern abgerechnet, überall nur geweſen zu ſeyn
ſcheint. Brücher und Torfmoore bedecken jetzt unab-
ſehbare Strecken, und das alte tauſendjährige Eichen-
holz, welches in der Tiefe dort gefunden wird, hat
einen hohen Preis für zierliche Meuble-Arbeiten;
man macht ſogar Tabaksdoſen und Damenparüren
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/241>, abgerufen am 25.11.2024.
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