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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

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Diesen Morgen empfing mich wieder der Ruf:
"Long life to Napoleon and to Your honour!" und
während mein Wagen, mit meinem Kammerdiener
darin, den man diesmal für Napoleons Sohn nahm,
unter Vivatgeschrei abfuhr, schlich ich mich heimlich,
mit dem Hausknecht, der meinen Nachtsack trug, zur
Hinterthür hinaus, um einen Platz auf der Diligence
zu nehmen, die mich nach dem See von Killarney
bringen sollte. Meine Leute hatten Befehl, mich in
Cashel zu erwarten, wo ich in 14 Tagen sie einzu-
holen denke.

In meinem jetzigen einfachen Aufzug fiel es keinem
Menschen mehr ein, mir mit Ehrenbezeugungen be-
schwerlich zu fallen, und ich konnte nicht umhin, bei
Gelegenheit dieser offenbaren Farce darüber zu
philosophiren, daß aller Ehrgeiz doch auch nur zu
einer verdeckten führt. Gewiß von allen Träumen
dieses Lebens ist dieses der schattenartigste! Liebe
befriedigt zuweilen, Wissenschaft beruhigt, Kunst er-
freut, aber Ehrgeiz -- Ehrgeiz giebt nur den qual-
vollen Genuß eines Hungers, den nichts stillen kann,
oder gleicht der Jagd nach einem Phantom, das im-
mer unerreichbar bleibt.

Nach einer Viertelstunde war ich ganz bequem in
meiner Diligence etablirt. Außer den Passagieren
auf der Imperiale, bestand die Gesellschaft aus einer
dicken jovialen Frau, einer andern, sehr magern, einer


Dieſen Morgen empfing mich wieder der Ruf:
„Long life to Napoléon and to Your honour!“ und
während mein Wagen, mit meinem Kammerdiener
darin, den man diesmal für Napoleons Sohn nahm,
unter Vivatgeſchrei abfuhr, ſchlich ich mich heimlich,
mit dem Hausknecht, der meinen Nachtſack trug, zur
Hinterthür hinaus, um einen Platz auf der Diligence
zu nehmen, die mich nach dem See von Killarney
bringen ſollte. Meine Leute hatten Befehl, mich in
Caſhel zu erwarten, wo ich in 14 Tagen ſie einzu-
holen denke.

In meinem jetzigen einfachen Aufzug fiel es keinem
Menſchen mehr ein, mir mit Ehrenbezeugungen be-
ſchwerlich zu fallen, und ich konnte nicht umhin, bei
Gelegenheit dieſer offenbaren Farce darüber zu
philoſophiren, daß aller Ehrgeiz doch auch nur zu
einer verdeckten führt. Gewiß von allen Träumen
dieſes Lebens iſt dieſes der ſchattenartigſte! Liebe
befriedigt zuweilen, Wiſſenſchaft beruhigt, Kunſt er-
freut, aber Ehrgeiz — Ehrgeiz giebt nur den qual-
vollen Genuß eines Hungers, den nichts ſtillen kann,
oder gleicht der Jagd nach einem Phantom, das im-
mer unerreichbar bleibt.

Nach einer Viertelſtunde war ich ganz bequem in
meiner Diligence etablirt. Außer den Paſſagieren
auf der Imperiale, beſtand die Geſellſchaft aus einer
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[288/0312] Trallee, den 23ſten. Dieſen Morgen empfing mich wieder der Ruf: „Long life to Napoléon and to Your honour!“ und während mein Wagen, mit meinem Kammerdiener darin, den man diesmal für Napoleons Sohn nahm, unter Vivatgeſchrei abfuhr, ſchlich ich mich heimlich, mit dem Hausknecht, der meinen Nachtſack trug, zur Hinterthür hinaus, um einen Platz auf der Diligence zu nehmen, die mich nach dem See von Killarney bringen ſollte. Meine Leute hatten Befehl, mich in Caſhel zu erwarten, wo ich in 14 Tagen ſie einzu- holen denke. In meinem jetzigen einfachen Aufzug fiel es keinem Menſchen mehr ein, mir mit Ehrenbezeugungen be- ſchwerlich zu fallen, und ich konnte nicht umhin, bei Gelegenheit dieſer offenbaren Farce darüber zu philoſophiren, daß aller Ehrgeiz doch auch nur zu einer verdeckten führt. Gewiß von allen Träumen dieſes Lebens iſt dieſes der ſchattenartigſte! Liebe befriedigt zuweilen, Wiſſenſchaft beruhigt, Kunſt er- freut, aber Ehrgeiz — Ehrgeiz giebt nur den qual- vollen Genuß eines Hungers, den nichts ſtillen kann, oder gleicht der Jagd nach einem Phantom, das im- mer unerreichbar bleibt. Nach einer Viertelſtunde war ich ganz bequem in meiner Diligence etablirt. Außer den Paſſagieren auf der Imperiale, beſtand die Geſellſchaft aus einer dicken jovialen Frau, einer andern, ſehr magern, einer

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/312>, abgerufen am 27.11.2024.