uralten Ruinen, bald mit modernen Landhäusern, zuweilen auch mit Fabrikstädtchen, deren thurmhohe Feueressen dicken Rauch empor wirbeln, oder auch mit grotesken, einsam stehenden Felsengruppen, gekrönt sind. Die Vegetation ist durchgängig reich, und Berg und Thal voll hoher Bäume, deren man- nigfache Farbenschattirungen so unendlich viel zur Anmuth und dem Malerischen einer Landschaft bei- tragen. In dieser üppigen Natur erhebt sich, mit um so grandioserem Effect, eine einzige lange, schwarze, kahle Bergwand, nur mit dichtem, dunk- lem Haidekraut bedeckt, die sich geraume Zeit längs der Straße hinzieht. Diese prächtige Straße, von London bis Holy Head (200 Meilen) *) so eben wie ein Parquet, führt hier an der Seite der linken Bergkette entlang, ohngefähr in der Mitte ihrer Höhe, und allen ihren Krümmungen folgend, so daß, während man im scharfen Trabe und Gallop dahin fährt, fast jede Minute sich die Ansicht völlig umwandelt, und man, ohne seinen Sitz zu verän- dern, abwechselnd das Thal bald vor sich, bald seit- wärts, bald rückwärts übersieht. An einem Ort führt eine Wasserleitung aus 25 schlanken Steinbo- gen, ein Werk, das den Römern Ehre gemacht ha- ben würde, mitten durch das Thal und über den
*) Wo andere Meilen nicht ausdr[ü]cklich benannt sind, ist immer von englischen die Rede, deren bekanntlich vier und eine halbe auf die deutsche Meile gehen. Anm. d. H.
uralten Ruinen, bald mit modernen Landhäuſern, zuweilen auch mit Fabrikſtädtchen, deren thurmhohe Feuereſſen dicken Rauch empor wirbeln, oder auch mit grotesken, einſam ſtehenden Felſengruppen, gekrönt ſind. Die Vegetation iſt durchgängig reich, und Berg und Thal voll hoher Bäume, deren man- nigfache Farbenſchattirungen ſo unendlich viel zur Anmuth und dem Maleriſchen einer Landſchaft bei- tragen. In dieſer üppigen Natur erhebt ſich, mit um ſo grandioſerem Effect, eine einzige lange, ſchwarze, kahle Bergwand, nur mit dichtem, dunk- lem Haidekraut bedeckt, die ſich geraume Zeit längs der Straße hinzieht. Dieſe prächtige Straße, von London bis Holy Head (200 Meilen) *) ſo eben wie ein Parquet, führt hier an der Seite der linken Bergkette entlang, ohngefähr in der Mitte ihrer Höhe, und allen ihren Krümmungen folgend, ſo daß, während man im ſcharfen Trabe und Gallop dahin fährt, faſt jede Minute ſich die Anſicht völlig umwandelt, und man, ohne ſeinen Sitz zu verän- dern, abwechſelnd das Thal bald vor ſich, bald ſeit- wärts, bald rückwärts überſieht. An einem Ort führt eine Waſſerleitung aus 25 ſchlanken Steinbo- gen, ein Werk, das den Römern Ehre gemacht ha- ben würde, mitten durch das Thal und über den
*) Wo andere Meilen nicht ausdr[ü]cklich benannt ſind, iſt immer von engliſchen die Rede, deren bekanntlich vier und eine halbe auf die deutſche Meile gehen. Anm. d. H.
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uralten Ruinen, bald mit modernen Landhäuſern,
zuweilen auch mit Fabrikſtädtchen, deren thurmhohe
Feuereſſen dicken Rauch empor wirbeln, oder auch
mit grotesken, einſam ſtehenden Felſengruppen,
gekrönt ſind. Die Vegetation iſt durchgängig reich,
und Berg und Thal voll hoher Bäume, deren man-
nigfache Farbenſchattirungen ſo unendlich viel zur
Anmuth und dem Maleriſchen einer Landſchaft bei-
tragen. In dieſer üppigen Natur erhebt ſich, mit
um ſo grandioſerem Effect, eine einzige lange,
ſchwarze, kahle Bergwand, nur mit dichtem, dunk-
lem Haidekraut bedeckt, die ſich geraume Zeit längs
der Straße hinzieht. Dieſe prächtige Straße, von
London bis Holy Head (200 Meilen) *) ſo eben wie
ein Parquet, führt hier an der Seite der linken
Bergkette entlang, ohngefähr in der Mitte ihrer
Höhe, und allen ihren Krümmungen folgend, ſo
daß, während man im ſcharfen Trabe und Gallop
dahin fährt, faſt jede Minute ſich die Anſicht völlig
umwandelt, und man, ohne ſeinen Sitz zu verän-
dern, abwechſelnd das Thal bald vor ſich, bald ſeit-
wärts, bald rückwärts überſieht. An einem Ort
führt eine Waſſerleitung aus 25 ſchlanken Steinbo-
gen, ein Werk, das den Römern Ehre gemacht ha-
ben würde, mitten durch das Thal und über den
*) Wo andere Meilen nicht ausdrücklich benannt ſind,
iſt immer von engliſchen die Rede, deren bekanntlich
vier und eine halbe auf die deutſche Meile gehen.
Anm. d. H.
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/40>, abgerufen am 16.07.2024.
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