Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Wasserfall. Gerade an dieser Stelle, der Caskade von
Pont-Y-Glyn gegenüber, begegnete ich einer sehr ele-
ganten englischen Droschke (die sehr verbesserte Aus-
gabe des Wiener Originals) mit vier hübschen Pfer-
den bespannt, aber mit einem noch hübscheren Mäd-
chen darin, die von einer zwar älteren, aber auch
nicht übel aussehenden, Frau begleitet war. Wir
hielten beide zur Besichtigung des Wasserfalles an,
und während unsere Wagen so gegenüber standen,
schielte das Mädchen neugierig nach mir herüber,
was ich bemerkte, und lachte. Dies erschreckte die
scheue Engländerin, sie ward über und über roth,
und konnte doch gleich nachher, in jugendlicher Lustig-
keit, sich selbst des Lachens nicht über die Pantomi-
men enthalten, welche ich, im Wagen vor der Beglei-
terin versteckt, ihr adressirte. Der Kampf in dem sie
darüber mit sich selbst gerieth, machte die Scene noch
komischer. In diesem Moment fielen meine Augen
auf einen Haufen eben von mir gesammelter schöner
Bergblumen, und ich schrieb schnell auf ein ausge-
rissenes Blatt meines Portefeuille folgende Worte:
"F ... M .... empfiehlt sich den unbekannten Damen
"respectvoll und bittet um Erlaubniß, ihnen zwei eben
"gepflückte Sträußer Gebirgsblumen zu senden; er
"sollicitirt als Gegengeschenk um die Namen der lie-
"benswürdigen Reisenden, die ihm sein guter Stern
"bei Pont-Y-Glyn begegnen ließ." -- Dies befahl
ich meinem Kammerdiener zu übergeben. Es wurde,
wie ich hinter dem herabgezogenen Rouleau sah, mit
satyrischem Lächeln von der ältern Dame, mit Errö-

Waſſerfall. Gerade an dieſer Stelle, der Caskade von
Pont-Y-Glyn gegenüber, begegnete ich einer ſehr ele-
ganten engliſchen Droſchke (die ſehr verbeſſerte Aus-
gabe des Wiener Originals) mit vier hübſchen Pfer-
den beſpannt, aber mit einem noch hübſcheren Mäd-
chen darin, die von einer zwar älteren, aber auch
nicht übel ausſehenden, Frau begleitet war. Wir
hielten beide zur Beſichtigung des Waſſerfalles an,
und während unſere Wagen ſo gegenüber ſtanden,
ſchielte das Mädchen neugierig nach mir herüber,
was ich bemerkte, und lachte. Dies erſchreckte die
ſcheue Engländerin, ſie ward über und über roth,
und konnte doch gleich nachher, in jugendlicher Luſtig-
keit, ſich ſelbſt des Lachens nicht über die Pantomi-
men enthalten, welche ich, im Wagen vor der Beglei-
terin verſteckt, ihr adreſſirte. Der Kampf in dem ſie
darüber mit ſich ſelbſt gerieth, machte die Scene noch
komiſcher. In dieſem Moment fielen meine Augen
auf einen Haufen eben von mir geſammelter ſchöner
Bergblumen, und ich ſchrieb ſchnell auf ein ausge-
riſſenes Blatt meines Portefeuille folgende Worte:
„F … M .... empfiehlt ſich den unbekannten Damen
„reſpectvoll und bittet um Erlaubniß, ihnen zwei eben
„gepflückte Sträußer Gebirgsblumen zu ſenden; er
„ſollicitirt als Gegengeſchenk um die Namen der lie-
„benswürdigen Reiſenden, die ihm ſein guter Stern
„bei Pont-Y-Glyn begegnen ließ.“ — Dies befahl
ich meinem Kammerdiener zu übergeben. Es wurde,
wie ich hinter dem herabgezogenen Rouleau ſah, mit
ſatyriſchem Lächeln von der ältern Dame, mit Errö-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0047" n="23"/>
Wa&#x017F;&#x017F;erfall. Gerade an die&#x017F;er Stelle, der Caskade von<lb/>
Pont-Y-Glyn gegenüber, begegnete ich einer &#x017F;ehr ele-<lb/>
ganten engli&#x017F;chen Dro&#x017F;chke (die &#x017F;ehr verbe&#x017F;&#x017F;erte Aus-<lb/>
gabe des Wiener Originals) mit vier hüb&#x017F;chen Pfer-<lb/>
den be&#x017F;pannt, aber mit einem noch hüb&#x017F;cheren Mäd-<lb/>
chen darin, die von einer zwar älteren, aber auch<lb/>
nicht übel aus&#x017F;ehenden, Frau begleitet war. Wir<lb/>
hielten beide zur Be&#x017F;ichtigung des Wa&#x017F;&#x017F;erfalles an,<lb/>
und während un&#x017F;ere Wagen &#x017F;o gegenüber &#x017F;tanden,<lb/>
&#x017F;chielte das Mädchen neugierig nach mir herüber,<lb/>
was ich bemerkte, und lachte. Dies er&#x017F;chreckte die<lb/>
&#x017F;cheue Engländerin, &#x017F;ie ward über und über roth,<lb/>
und konnte doch gleich nachher, in jugendlicher Lu&#x017F;tig-<lb/>
keit, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t des Lachens nicht über die Pantomi-<lb/>
men enthalten, welche ich, im Wagen vor der Beglei-<lb/>
terin ver&#x017F;teckt, ihr adre&#x017F;&#x017F;irte. Der Kampf in dem &#x017F;ie<lb/>
darüber mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gerieth, machte die Scene noch<lb/>
komi&#x017F;cher. In die&#x017F;em Moment fielen meine Augen<lb/>
auf einen Haufen eben von mir ge&#x017F;ammelter &#x017F;chöner<lb/>
Bergblumen, und ich &#x017F;chrieb &#x017F;chnell auf ein ausge-<lb/>
ri&#x017F;&#x017F;enes Blatt meines Portefeuille folgende Worte:<lb/>
&#x201E;F &#x2026; M .... empfiehlt &#x017F;ich den unbekannten Damen<lb/>
&#x201E;re&#x017F;pectvoll und bittet um Erlaubniß, ihnen zwei eben<lb/>
&#x201E;gepflückte Sträußer Gebirgsblumen zu &#x017F;enden; er<lb/>
&#x201E;&#x017F;ollicitirt als Gegenge&#x017F;chenk um die Namen der lie-<lb/>
&#x201E;benswürdigen Rei&#x017F;enden, die ihm &#x017F;ein guter Stern<lb/>
&#x201E;bei Pont-Y-Glyn begegnen ließ.&#x201C; &#x2014; Dies befahl<lb/>
ich meinem Kammerdiener zu übergeben. Es wurde,<lb/>
wie ich hinter dem herabgezogenen Rouleau &#x017F;ah, mit<lb/>
&#x017F;atyri&#x017F;chem Lächeln von der <choice><sic>a&#x0307;ltern</sic><corr>ältern</corr></choice> Dame, mit Errö-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0047] Waſſerfall. Gerade an dieſer Stelle, der Caskade von Pont-Y-Glyn gegenüber, begegnete ich einer ſehr ele- ganten engliſchen Droſchke (die ſehr verbeſſerte Aus- gabe des Wiener Originals) mit vier hübſchen Pfer- den beſpannt, aber mit einem noch hübſcheren Mäd- chen darin, die von einer zwar älteren, aber auch nicht übel ausſehenden, Frau begleitet war. Wir hielten beide zur Beſichtigung des Waſſerfalles an, und während unſere Wagen ſo gegenüber ſtanden, ſchielte das Mädchen neugierig nach mir herüber, was ich bemerkte, und lachte. Dies erſchreckte die ſcheue Engländerin, ſie ward über und über roth, und konnte doch gleich nachher, in jugendlicher Luſtig- keit, ſich ſelbſt des Lachens nicht über die Pantomi- men enthalten, welche ich, im Wagen vor der Beglei- terin verſteckt, ihr adreſſirte. Der Kampf in dem ſie darüber mit ſich ſelbſt gerieth, machte die Scene noch komiſcher. In dieſem Moment fielen meine Augen auf einen Haufen eben von mir geſammelter ſchöner Bergblumen, und ich ſchrieb ſchnell auf ein ausge- riſſenes Blatt meines Portefeuille folgende Worte: „F … M .... empfiehlt ſich den unbekannten Damen „reſpectvoll und bittet um Erlaubniß, ihnen zwei eben „gepflückte Sträußer Gebirgsblumen zu ſenden; er „ſollicitirt als Gegengeſchenk um die Namen der lie- „benswürdigen Reiſenden, die ihm ſein guter Stern „bei Pont-Y-Glyn begegnen ließ.“ — Dies befahl ich meinem Kammerdiener zu übergeben. Es wurde, wie ich hinter dem herabgezogenen Rouleau ſah, mit ſatyriſchem Lächeln von der ältern Dame, mit Errö-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/47
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 1. München, 1830, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe01_1830/47>, abgerufen am 23.11.2024.