die reichsten Fluren, und die schönsten Landgüter. Ich fand im Gasthofe einen entsetzlichen trouble, weil eben einer der liberalen Clubbs "meeting" und folglich auch dinner hatte. *) Man ließ mir kaum Zeit, meine Stube zu betreten, als auch schon der Präsident in propria persona nebst einer Deputa- tion ankam, um mich einzuladen, dem dine beizu- wohnen. Ich bat inständig, mich mit der Ermüdung von der Reise und einem heftigen Kopfweh zu ent- schuldigen, versprach aber beim Dessert zu erscheinen, weil ich selbst neugierig war, ihr Treiben von nahem zu sehen. Der Clubb hatte einer recht vernünftigen Absich[t] sein Entstehen zu verdanken, denn er war aus Katholiken und Protestanten zugleich zusammen- gesetzt, die sich vorgenommen, an der Versöhnung beider Theile zu arbeiten, und zugleich für Erlan- gung der "Emancipation" nach Kräften mitzuwirken. Als ich eintrat, fand ich ohngefähr 80--100 Personen an einer langen Tafel sitzend, die alle aufstanden, während der Präsident mich an die Spitze des Ti- sches führte. Ich hielt ihnen eine dankende kleine Anrede, worauf meine Gesundheit getrunken wurde, die ich erwiederte. Unzählige andere folgten, immer von Reden begleitet. Die Beredsamkeit der Spre-
*) Ohne dinner geschieht nichts, irgend Feierliches, in England, es mag nun religieuser, politischer, belletristi- scher oder irgend andrer Natur seyn, vom königlichen Gastmahl bis zur Henkersmahlzeit herab. Anm. d. H.
die reichſten Fluren, und die ſchönſten Landgüter. Ich fand im Gaſthofe einen entſetzlichen trouble, weil eben einer der liberalen Clubbs „meeting“ und folglich auch dinner hatte. *) Man ließ mir kaum Zeit, meine Stube zu betreten, als auch ſchon der Präſident in propria persona nebſt einer Deputa- tion ankam, um mich einzuladen, dem diné beizu- wohnen. Ich bat inſtändig, mich mit der Ermüdung von der Reiſe und einem heftigen Kopfweh zu ent- ſchuldigen, verſprach aber beim Deſſert zu erſcheinen, weil ich ſelbſt neugierig war, ihr Treiben von nahem zu ſehen. Der Clubb hatte einer recht vernünftigen Abſich[t] ſein Entſtehen zu verdanken, denn er war aus Katholiken und Proteſtanten zugleich zuſammen- geſetzt, die ſich vorgenommen, an der Verſöhnung beider Theile zu arbeiten, und zugleich für Erlan- gung der „Emancipation“ nach Kräften mitzuwirken. Als ich eintrat, fand ich ohngefähr 80—100 Perſonen an einer langen Tafel ſitzend, die alle aufſtanden, während der Präſident mich an die Spitze des Ti- ſches führte. Ich hielt ihnen eine dankende kleine Anrede, worauf meine Geſundheit getrunken wurde, die ich erwiederte. Unzählige andere folgten, immer von Reden begleitet. Die Beredſamkeit der Spre-
*) Ohne dinner geſchieht nichts, irgend Feierliches, in England, es mag nun religieuſer, politiſcher, belletriſti- ſcher oder irgend andrer Natur ſeyn, vom königlichen Gaſtmahl bis zur Henkersmahlzeit herab. Anm. d. H.
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die reichſten Fluren, und die ſchönſten Landgüter.
Ich fand im Gaſthofe einen entſetzlichen trouble,
weil eben einer der liberalen Clubbs „meeting“ und
folglich auch dinner hatte. *) Man ließ mir kaum
Zeit, meine Stube zu betreten, als auch ſchon der
Präſident in propria persona nebſt einer Deputa-
tion ankam, um mich einzuladen, dem diné beizu-
wohnen. Ich bat inſtändig, mich mit der Ermüdung
von der Reiſe und einem heftigen Kopfweh zu ent-
ſchuldigen, verſprach aber beim Deſſert zu erſcheinen,
weil ich ſelbſt neugierig war, ihr Treiben von nahem
zu ſehen. Der Clubb hatte einer recht vernünftigen
Abſicht ſein Entſtehen zu verdanken, denn er war
aus Katholiken und Proteſtanten zugleich zuſammen-
geſetzt, die ſich vorgenommen, an der Verſöhnung
beider Theile zu arbeiten, und zugleich für Erlan-
gung der „Emancipation“ nach Kräften mitzuwirken.
Als ich eintrat, fand ich ohngefähr 80—100 Perſonen
an einer langen Tafel ſitzend, die alle aufſtanden,
während der Präſident mich an die Spitze des Ti-
ſches führte. Ich hielt ihnen eine dankende kleine
Anrede, worauf meine Geſundheit getrunken wurde,
die ich erwiederte. Unzählige andere folgten, immer
von Reden begleitet. Die Beredſamkeit der Spre-
*) Ohne dinner geſchieht nichts, irgend Feierliches, in
England, es mag nun religieuſer, politiſcher, belletriſti-
ſcher oder irgend andrer Natur ſeyn, vom königlichen
Gaſtmahl bis zur Henkersmahlzeit herab.
Anm. d. H.
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/102>, abgerufen am 22.11.2024.
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