Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

ohne jedoch dem majestätisch verheerenden Natur-
Phänomen auch nur den geringsten Widerstand ent-
gegensetzen zu können.

Als wir an der bestimmten Stelle des Jagd-rendez-
vous
ankamen, waren wohl die Pferde, aber keine
Hunde da. Dagegen hatten sich noch mehrere Gent-
lemen eingefunden, und anstatt Hasen zu jagen,
durchzogen wir nun Alle die Felder, in lang ausge-
dehnter Linie, um wo möglich die verirrten Hunde
aufzusuchen. Von dem Reiten, was hierbei statt
fand, macht man sich bei uns kaum einen Begriff.
Obgleich die meisten Felder von Mauern umschlossen
werden, die drei bis sechs Fuß hoch, und abwechselnd,
entweder nur von Feldsteinen lose aufgeschichtet, oder
ordentlich mit Kalk gemauert sind, andere aber durch
sogenannte Ditches begränzt werden -- feste Erd-
wälle von Lehm und Feldsteinen, die oben spitz zu-
laufen, fünf bis sieben Fuß Höhe haben und noch
mit einem Graben auf der andern Seite, zuweilen
auf beiden Seiten, versehen sind -- so darf dies alles
den Reitern doch kein Hinderniß seyn, ihre Linie zu
behaupten. Wie außerordentlich die hiesigen Pferde
springen, habe ich Dir schon einmal beschrieben, wenn
ich nicht irre; ihre Sagacität ist aber auch zu be-
wundern, mit der sie sogleich eine lose Mauer von
einer festen, einen eben aufgeworfenen weichen Wall
von einem durch die Zeit gehärteten zu unterscheiden
wissen, die losen mit einem Satz überspringen
("clear them," wie der Kunstausdruck heißt) bei

ohne jedoch dem majeſtätiſch verheerenden Natur-
Phänomen auch nur den geringſten Widerſtand ent-
gegenſetzen zu können.

Als wir an der beſtimmten Stelle des Jagd-rendez-
vous
ankamen, waren wohl die Pferde, aber keine
Hunde da. Dagegen hatten ſich noch mehrere Gent-
lemen eingefunden, und anſtatt Haſen zu jagen,
durchzogen wir nun Alle die Felder, in lang ausge-
dehnter Linie, um wo möglich die verirrten Hunde
aufzuſuchen. Von dem Reiten, was hierbei ſtatt
fand, macht man ſich bei uns kaum einen Begriff.
Obgleich die meiſten Felder von Mauern umſchloſſen
werden, die drei bis ſechs Fuß hoch, und abwechſelnd,
entweder nur von Feldſteinen loſe aufgeſchichtet, oder
ordentlich mit Kalk gemauert ſind, andere aber durch
ſogenannte Ditches begränzt werden — feſte Erd-
wälle von Lehm und Feldſteinen, die oben ſpitz zu-
laufen, fünf bis ſieben Fuß Höhe haben und noch
mit einem Graben auf der andern Seite, zuweilen
auf beiden Seiten, verſehen ſind — ſo darf dies alles
den Reitern doch kein Hinderniß ſeyn, ihre Linie zu
behaupten. Wie außerordentlich die hieſigen Pferde
ſpringen, habe ich Dir ſchon einmal beſchrieben, wenn
ich nicht irre; ihre Sagacität iſt aber auch zu be-
wundern, mit der ſie ſogleich eine loſe Mauer von
einer feſten, einen eben aufgeworfenen weichen Wall
von einem durch die Zeit gehärteten zu unterſcheiden
wiſſen, die loſen mit einem Satz überſpringen
(„clear them,“ wie der Kunſtausdruck heißt) bei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0129" n="107"/>
ohne jedoch dem <choice><sic>maje&#x017F;ta&#x0307;ti&#x017F;ch</sic><corr>maje&#x017F;täti&#x017F;ch</corr></choice> verheerenden Natur-<lb/>
Phänomen auch nur den gering&#x017F;ten Wider&#x017F;tand ent-<lb/>
gegen&#x017F;etzen zu können.</p><lb/>
          <p>Als wir an der be&#x017F;timmten Stelle des Jagd-<hi rendition="#aq">rendez-<lb/>
vous</hi> ankamen, waren wohl die Pferde, aber keine<lb/>
Hunde da. Dagegen hatten &#x017F;ich noch mehrere Gent-<lb/>
lemen eingefunden, und an&#x017F;tatt Ha&#x017F;en zu jagen,<lb/>
durchzogen wir nun Alle die Felder, in lang ausge-<lb/>
dehnter Linie, um wo möglich die verirrten Hunde<lb/>
aufzu&#x017F;uchen. Von dem Reiten, was hierbei &#x017F;tatt<lb/>
fand, macht man &#x017F;ich bei uns kaum einen Begriff.<lb/>
Obgleich die mei&#x017F;ten Felder von Mauern um&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
werden, die drei bis &#x017F;echs Fuß hoch, und abwech&#x017F;elnd,<lb/>
entweder nur von Feld&#x017F;teinen lo&#x017F;e aufge&#x017F;chichtet, oder<lb/>
ordentlich mit Kalk gemauert &#x017F;ind, andere aber durch<lb/>
&#x017F;ogenannte Ditches begränzt werden &#x2014; fe&#x017F;te Erd-<lb/>
wälle von Lehm und Feld&#x017F;teinen, die oben &#x017F;pitz zu-<lb/>
laufen, fünf bis &#x017F;ieben Fuß Höhe haben und noch<lb/>
mit einem Graben auf der andern Seite, zuweilen<lb/>
auf beiden Seiten, ver&#x017F;ehen &#x017F;ind &#x2014; &#x017F;o darf dies alles<lb/>
den Reitern doch kein Hinderniß &#x017F;eyn, ihre Linie zu<lb/>
behaupten. Wie außerordentlich die hie&#x017F;igen Pferde<lb/>
&#x017F;pringen, habe ich Dir &#x017F;chon einmal be&#x017F;chrieben, wenn<lb/>
ich nicht irre; ihre Sagacität i&#x017F;t aber auch zu be-<lb/>
wundern, mit der &#x017F;ie &#x017F;ogleich eine lo&#x017F;e Mauer von<lb/>
einer fe&#x017F;ten, einen eben aufgeworfenen weichen Wall<lb/>
von einem durch die Zeit gehärteten zu unter&#x017F;cheiden<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en, die lo&#x017F;en mit <hi rendition="#g">einem</hi> Satz über&#x017F;pringen<lb/>
(<hi rendition="#aq">&#x201E;clear them,&#x201C;</hi> wie der Kun&#x017F;tausdruck heißt) bei<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0129] ohne jedoch dem majeſtätiſch verheerenden Natur- Phänomen auch nur den geringſten Widerſtand ent- gegenſetzen zu können. Als wir an der beſtimmten Stelle des Jagd-rendez- vous ankamen, waren wohl die Pferde, aber keine Hunde da. Dagegen hatten ſich noch mehrere Gent- lemen eingefunden, und anſtatt Haſen zu jagen, durchzogen wir nun Alle die Felder, in lang ausge- dehnter Linie, um wo möglich die verirrten Hunde aufzuſuchen. Von dem Reiten, was hierbei ſtatt fand, macht man ſich bei uns kaum einen Begriff. Obgleich die meiſten Felder von Mauern umſchloſſen werden, die drei bis ſechs Fuß hoch, und abwechſelnd, entweder nur von Feldſteinen loſe aufgeſchichtet, oder ordentlich mit Kalk gemauert ſind, andere aber durch ſogenannte Ditches begränzt werden — feſte Erd- wälle von Lehm und Feldſteinen, die oben ſpitz zu- laufen, fünf bis ſieben Fuß Höhe haben und noch mit einem Graben auf der andern Seite, zuweilen auf beiden Seiten, verſehen ſind — ſo darf dies alles den Reitern doch kein Hinderniß ſeyn, ihre Linie zu behaupten. Wie außerordentlich die hieſigen Pferde ſpringen, habe ich Dir ſchon einmal beſchrieben, wenn ich nicht irre; ihre Sagacität iſt aber auch zu be- wundern, mit der ſie ſogleich eine loſe Mauer von einer feſten, einen eben aufgeworfenen weichen Wall von einem durch die Zeit gehärteten zu unterſcheiden wiſſen, die loſen mit einem Satz überſpringen („clear them,“ wie der Kunſtausdruck heißt) bei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/129
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/129>, abgerufen am 24.11.2024.