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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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und bei jedem neuen Spaß ertönte lauter Jubel,
mit einem solchen Demonstriren, Geschrei und Ge-
stikuliren verbunden, daß man schon glaubte, Streit
sey entstanden, und auf irgend Jemand würde es
bald Prügel regnen. Das neue Angehen des Schau-
spiels brachte aber jedesmal wieder Todtenstille her-
vor. Jetzt konnte indeß die Lebhafteste der Gesell-
schaft sich nicht länger mehr mit bloßen Zuschauen
begnügen. Sie muß selbst agiren, und in unbe-
zwinglicher Lustigkeit springt sie in den magischen
Kreis, ergreift den erschrocknen Affen, und überbietet
ihn in Possen, Sprüngen und Grimassen aller Art,
die das verdoppelte Lachen und Jauchzen der erfreu-
ten Menge belohnt. Die Darstellungs-Wuth wirkt
aber ansteckend -- mehrere gesellen sich zu der ersten
Aktrice, die bisherige Ordnung fängt an, sich immer
mehr in Wirrwarr zu verkehren, der Künstler, be-
sorgt für die Sicherheit seines Affen, oder um ihn
nicht durch übles Beispiel verführen zu lassen, bricht
schleunigst auf; seine Retirade gleicht schon einer
übereilten Flucht, der ganze Haufen stürzt ihm
schreiend nach, jeder will der erste hinter ihm seyn,
Einige schimpfen, und verschiedene Syileilas, die die
vorige Lust in der Scheide erhielt, werden sichtbar,
Andere nehmen die Parthei des fliehenden Künstlers,
dieser entwischt indessen, und ehe man sich's versieht,
endet die Verfolgung in einem allgemeinen Gefecht
der Verfolger.

Ein garcon-dine bei Lord S . . . ., dem ich nach-
her beiwohnte, endigte, beinahe eben so geräuschvoll,

und bei jedem neuen Spaß ertönte lauter Jubel,
mit einem ſolchen Demonſtriren, Geſchrei und Ge-
ſtikuliren verbunden, daß man ſchon glaubte, Streit
ſey entſtanden, und auf irgend Jemand würde es
bald Prügel regnen. Das neue Angehen des Schau-
ſpiels brachte aber jedesmal wieder Todtenſtille her-
vor. Jetzt konnte indeß die Lebhafteſte der Geſell-
ſchaft ſich nicht länger mehr mit bloßen Zuſchauen
begnügen. Sie muß ſelbſt agiren, und in unbe-
zwinglicher Luſtigkeit ſpringt ſie in den magiſchen
Kreis, ergreift den erſchrocknen Affen, und überbietet
ihn in Poſſen, Sprüngen und Grimaſſen aller Art,
die das verdoppelte Lachen und Jauchzen der erfreu-
ten Menge belohnt. Die Darſtellungs-Wuth wirkt
aber anſteckend — mehrere geſellen ſich zu der erſten
Aktrice, die bisherige Ordnung fängt an, ſich immer
mehr in Wirrwarr zu verkehren, der Künſtler, be-
ſorgt für die Sicherheit ſeines Affen, oder um ihn
nicht durch übles Beiſpiel verführen zu laſſen, bricht
ſchleunigſt auf; ſeine Retirade gleicht ſchon einer
übereilten Flucht, der ganze Haufen ſtürzt ihm
ſchreiend nach, jeder will der erſte hinter ihm ſeyn,
Einige ſchimpfen, und verſchiedene Syileilas, die die
vorige Luſt in der Scheide erhielt, werden ſichtbar,
Andere nehmen die Parthei des fliehenden Künſtlers,
dieſer entwiſcht indeſſen, und ehe man ſich’s verſieht,
endet die Verfolgung in einem allgemeinen Gefecht
der Verfolger.

Ein garcon-diné bei Lord S . . . ., dem ich nach-
her beiwohnte, endigte, beinahe eben ſo geräuſchvoll,

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[175/0197] und bei jedem neuen Spaß ertönte lauter Jubel, mit einem ſolchen Demonſtriren, Geſchrei und Ge- ſtikuliren verbunden, daß man ſchon glaubte, Streit ſey entſtanden, und auf irgend Jemand würde es bald Prügel regnen. Das neue Angehen des Schau- ſpiels brachte aber jedesmal wieder Todtenſtille her- vor. Jetzt konnte indeß die Lebhafteſte der Geſell- ſchaft ſich nicht länger mehr mit bloßen Zuſchauen begnügen. Sie muß ſelbſt agiren, und in unbe- zwinglicher Luſtigkeit ſpringt ſie in den magiſchen Kreis, ergreift den erſchrocknen Affen, und überbietet ihn in Poſſen, Sprüngen und Grimaſſen aller Art, die das verdoppelte Lachen und Jauchzen der erfreu- ten Menge belohnt. Die Darſtellungs-Wuth wirkt aber anſteckend — mehrere geſellen ſich zu der erſten Aktrice, die bisherige Ordnung fängt an, ſich immer mehr in Wirrwarr zu verkehren, der Künſtler, be- ſorgt für die Sicherheit ſeines Affen, oder um ihn nicht durch übles Beiſpiel verführen zu laſſen, bricht ſchleunigſt auf; ſeine Retirade gleicht ſchon einer übereilten Flucht, der ganze Haufen ſtürzt ihm ſchreiend nach, jeder will der erſte hinter ihm ſeyn, Einige ſchimpfen, und verſchiedene Syileilas, die die vorige Luſt in der Scheide erhielt, werden ſichtbar, Andere nehmen die Parthei des fliehenden Künſtlers, dieſer entwiſcht indeſſen, und ehe man ſich’s verſieht, endet die Verfolgung in einem allgemeinen Gefecht der Verfolger. Ein garcon-diné bei Lord S . . . ., dem ich nach- her beiwohnte, endigte, beinahe eben ſo geräuſchvoll,

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/197>, abgerufen am 22.11.2024.