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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

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ten, rund um den innern Schloßhof laufenden Galle-
rie, die mit sämmtlichen Appartements des ersten
Stockes communicirt, und ihr reichliches Licht nur
von einer Seite erhält. Winter und Sommer ge-
währt sie daher den interessantesten Spaztergang,
und wird mit wenigen Schritten aus jedem Zimmer
erreicht. In den Fenstern hat man die bunten Wap-
pen aller Familien angebracht, mit denen die Pem-
brokes im Lauf der Zeiten durch Heirath alliirt
wurden, eine reiche Sammlung, unter der sich auch
das Königlich Englische Wappen befindet. In der
Halle aber sind die Rüstungen der alten Kriegshel-
den aus der eignen Familie aufgestellt, und Die ih-
rer vornehmsten Gefangnen, als der Connetable von
Montmorency, ein französischer Prinz von Geblüt,
und mehrere Andere. Gewiß, diese alten Erinnerun-
gen einer hohen und machtigen Aristokratie haben
ihre poetische Seite.

Die Castellanin, welche mich herumführte, schien
selbst aus einer jener colossalen Rüstungen hervorge-
krochen zu seyn, denn sie war ihre volle sechs Fuß
hoch, und mit einem Schnurbart geschmückt, dessen
sich der alte Connetable nicht zu schäumen gehabt
hätte. Auch konnte man nicht besser in der Geschichte
des Mittelalters bewandert sein; dagegen mißhandelte
sie die Namen römischer Kaiser und griechischer Phi-
losophen auf eine barbarische Weise, erklärte aber
ohne Scheu einige sehr leichtfertige Darstellungen
ganz richtig, und mit sehr drolligen Kennerausdrücken.

ten, rund um den innern Schloßhof laufenden Galle-
rie, die mit ſämmtlichen Appartements des erſten
Stockes communicirt, und ihr reichliches Licht nur
von einer Seite erhält. Winter und Sommer ge-
währt ſie daher den intereſſanteſten Spaztergang,
und wird mit wenigen Schritten aus jedem Zimmer
erreicht. In den Fenſtern hat man die bunten Wap-
pen aller Familien angebracht, mit denen die Pem-
brokes im Lauf der Zeiten durch Heirath alliirt
wurden, eine reiche Sammlung, unter der ſich auch
das Königlich Engliſche Wappen befindet. In der
Halle aber ſind die Rüſtungen der alten Kriegshel-
den aus der eignen Familie aufgeſtellt, und Die ih-
rer vornehmſten Gefangnen, als der Connetable von
Montmorency, ein franzöſiſcher Prinz von Geblüt,
und mehrere Andere. Gewiß, dieſe alten Erinnerun-
gen einer hohen und machtigen Ariſtokratie haben
ihre poetiſche Seite.

Die Caſtellanin, welche mich herumführte, ſchien
ſelbſt aus einer jener coloſſalen Rüſtungen hervorge-
krochen zu ſeyn, denn ſie war ihre volle ſechs Fuß
hoch, und mit einem Schnurbart geſchmückt, deſſen
ſich der alte Connetable nicht zu ſchäumen gehabt
hätte. Auch konnte man nicht beſſer in der Geſchichte
des Mittelalters bewandert ſein; dagegen mißhandelte
ſie die Namen römiſcher Kaiſer und griechiſcher Phi-
loſophen auf eine barbariſche Weiſe, erklärte aber
ohne Scheu einige ſehr leichtfertige Darſtellungen
ganz richtig, und mit ſehr drolligen Kennerausdrücken.

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[298/0320] ten, rund um den innern Schloßhof laufenden Galle- rie, die mit ſämmtlichen Appartements des erſten Stockes communicirt, und ihr reichliches Licht nur von einer Seite erhält. Winter und Sommer ge- währt ſie daher den intereſſanteſten Spaztergang, und wird mit wenigen Schritten aus jedem Zimmer erreicht. In den Fenſtern hat man die bunten Wap- pen aller Familien angebracht, mit denen die Pem- brokes im Lauf der Zeiten durch Heirath alliirt wurden, eine reiche Sammlung, unter der ſich auch das Königlich Engliſche Wappen befindet. In der Halle aber ſind die Rüſtungen der alten Kriegshel- den aus der eignen Familie aufgeſtellt, und Die ih- rer vornehmſten Gefangnen, als der Connetable von Montmorency, ein franzöſiſcher Prinz von Geblüt, und mehrere Andere. Gewiß, dieſe alten Erinnerun- gen einer hohen und machtigen Ariſtokratie haben ihre poetiſche Seite. Die Caſtellanin, welche mich herumführte, ſchien ſelbſt aus einer jener coloſſalen Rüſtungen hervorge- krochen zu ſeyn, denn ſie war ihre volle ſechs Fuß hoch, und mit einem Schnurbart geſchmückt, deſſen ſich der alte Connetable nicht zu ſchäumen gehabt hätte. Auch konnte man nicht beſſer in der Geſchichte des Mittelalters bewandert ſein; dagegen mißhandelte ſie die Namen römiſcher Kaiſer und griechiſcher Phi- loſophen auf eine barbariſche Weiſe, erklärte aber ohne Scheu einige ſehr leichtfertige Darſtellungen ganz richtig, und mit ſehr drolligen Kennerausdrücken.

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/320>, abgerufen am 22.11.2024.