Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Sieben und vierzigster Brief.

Meine theure, geliebte Freundin!

Ich konnte Dir gestern nicht schreiben, da die Di-
ligence von Calais bis Paris zwei Tage und eine
Nacht braucht, und sich alle zwölf Stunden nur eine
halbe zum Essen aufhält. Die Fahrt ist nicht die
angenehmste. Etwas todt, etwas elend und schmutzig
kommt Einem allerdings das ganze Land, wie auch
die Hauptstadt, gegen den wogenden Wirrwarr, den
Glanz und die Nettigkeit Englands vor. Der Con-
trast ist, in so geringer Entfernung, doppelt auffal-
lend. Wenn man auf der Reise die groteske Ma-
schine betrachtet, in der man sitzt, die schlecht geschirr-
ten Karrengäule, von denen man langsam fortge-
schleppt wird, und sich der zierlich leichten Kutschen,
der schönen, mit blankem Messing und Glanzleder-

21*

Sieben und vierzigſter Brief.

Meine theure, geliebte Freundin!

Ich konnte Dir geſtern nicht ſchreiben, da die Di-
ligence von Calais bis Paris zwei Tage und eine
Nacht braucht, und ſich alle zwölf Stunden nur eine
halbe zum Eſſen aufhält. Die Fahrt iſt nicht die
angenehmſte. Etwas todt, etwas elend und ſchmutzig
kommt Einem allerdings das ganze Land, wie auch
die Hauptſtadt, gegen den wogenden Wirrwarr, den
Glanz und die Nettigkeit Englands vor. Der Con-
traſt iſt, in ſo geringer Entfernung, doppelt auffal-
lend. Wenn man auf der Reiſe die groteske Ma-
ſchine betrachtet, in der man ſitzt, die ſchlecht geſchirr-
ten Karrengäule, von denen man langſam fortge-
ſchleppt wird, und ſich der zierlich leichten Kutſchen,
der ſchönen, mit blankem Meſſing und Glanzleder-

21*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0343" n="[321]"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Sieben und vierzig&#x017F;ter Brief.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Paris, den 5<hi rendition="#sup">ten</hi> Januar 1829.</hi> </dateline><lb/>
            <salute>Meine theure, geliebte Freundin!</salute>
          </opener><lb/>
          <p>Ich konnte Dir ge&#x017F;tern nicht &#x017F;chreiben, da die Di-<lb/>
ligence von Calais bis Paris zwei Tage und eine<lb/>
Nacht braucht, und &#x017F;ich alle zwölf Stunden nur eine<lb/>
halbe zum E&#x017F;&#x017F;en aufhält. Die Fahrt i&#x017F;t nicht die<lb/>
angenehm&#x017F;te. Etwas todt, etwas elend und &#x017F;chmutzig<lb/>
kommt Einem allerdings das ganze Land, wie auch<lb/>
die Haupt&#x017F;tadt, gegen den wogenden Wirrwarr, den<lb/>
Glanz und die Nettigkeit Englands vor. Der Con-<lb/>
tra&#x017F;t i&#x017F;t, in &#x017F;o geringer Entfernung, doppelt auffal-<lb/>
lend. Wenn man auf der Rei&#x017F;e die groteske Ma-<lb/>
&#x017F;chine betrachtet, in der man &#x017F;itzt, die &#x017F;chlecht ge&#x017F;chirr-<lb/>
ten Karrengäule, von denen man lang&#x017F;am fortge-<lb/>
&#x017F;chleppt wird, und &#x017F;ich der zierlich leichten Kut&#x017F;chen,<lb/>
der &#x017F;chönen, mit blankem Me&#x017F;&#x017F;ing und Glanzleder-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">21*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[321]/0343] Sieben und vierzigſter Brief. Paris, den 5ten Januar 1829. Meine theure, geliebte Freundin! Ich konnte Dir geſtern nicht ſchreiben, da die Di- ligence von Calais bis Paris zwei Tage und eine Nacht braucht, und ſich alle zwölf Stunden nur eine halbe zum Eſſen aufhält. Die Fahrt iſt nicht die angenehmſte. Etwas todt, etwas elend und ſchmutzig kommt Einem allerdings das ganze Land, wie auch die Hauptſtadt, gegen den wogenden Wirrwarr, den Glanz und die Nettigkeit Englands vor. Der Con- traſt iſt, in ſo geringer Entfernung, doppelt auffal- lend. Wenn man auf der Reiſe die groteske Ma- ſchine betrachtet, in der man ſitzt, die ſchlecht geſchirr- ten Karrengäule, von denen man langſam fortge- ſchleppt wird, und ſich der zierlich leichten Kutſchen, der ſchönen, mit blankem Meſſing und Glanzleder- 21*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/343
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. [321]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/343>, abgerufen am 22.11.2024.