Siebentes. Die colossale Melpomene giebt einem der neuen Säle den Namen, und unter ihr faßt ein elegantes Broncegeländer ganz vorzüglich gelungene Nachahmungen antiker Mosaik, vom Professor Bel- loni, ein. Dies ist eine höchst interessante Erfindung, von der es mich wundert, sie von den Reichen noch so wenig benutzt zu sehen.
Achtens. Die Büste des jungen Augustus. Ein schöner, milder, kluger Kopf -- sehr verschieden im Ausdruck, wiewohl mit denselben äußern Umrissen der Züge, von der Statüe, die den Kaiser in spä- terem Alter darstellt, wo die Gewalt der Umstände und der Einfluß der Parteien ihn zu so mancher Grausamkeit hinrißen, bis zuletzt doch wieder, mit der unumschränkten Macht, die angeborne sanftere Natur die Oberherrschaft erhielt.
Neuntens. Sein großer Feldherr Agrippa. Nie sah ich eine charakteristischere Physiognomie in edlerer Form! Es ist seltsam, daß die Stirn und das Obere der Augen eine große Aehnlichkeit mit einem Manne zeigen, der auch, obwohl in ganz anderem Wir- kungskreise, zu den großen gehört -- ich meine Ale- xander v. Humbold. In den andern Theilen des Gesichts verschwindet übrigens diese Aehnlichkeit völlig. Je mehr ich diesen Eisenkopf anschaute, je mehr über- zeugte ich mich, daß ein Solcher grade dem weichen Augustus nöthig war, um Herr der Welt werden zu können, und zu bleiben.
Siebentes. Die coloſſale Melpomene giebt einem der neuen Säle den Namen, und unter ihr faßt ein elegantes Broncegeländer ganz vorzüglich gelungene Nachahmungen antiker Moſaik, vom Profeſſor Bel- loni, ein. Dies iſt eine höchſt intereſſante Erfindung, von der es mich wundert, ſie von den Reichen noch ſo wenig benutzt zu ſehen.
Achtens. Die Büſte des jungen Auguſtus. Ein ſchöner, milder, kluger Kopf — ſehr verſchieden im Ausdruck, wiewohl mit denſelben äußern Umriſſen der Züge, von der Statüe, die den Kaiſer in ſpä- terem Alter darſtellt, wo die Gewalt der Umſtände und der Einfluß der Parteien ihn zu ſo mancher Grauſamkeit hinrißen, bis zuletzt doch wieder, mit der unumſchränkten Macht, die angeborne ſanftere Natur die Oberherrſchaft erhielt.
Neuntens. Sein großer Feldherr Agrippa. Nie ſah ich eine charakteriſtiſchere Phyſiognomie in edlerer Form! Es iſt ſeltſam, daß die Stirn und das Obere der Augen eine große Aehnlichkeit mit einem Manne zeigen, der auch, obwohl in ganz anderem Wir- kungskreiſe, zu den großen gehört — ich meine Ale- xander v. Humbold. In den andern Theilen des Geſichts verſchwindet übrigens dieſe Aehnlichkeit völlig. Je mehr ich dieſen Eiſenkopf anſchaute, je mehr über- zeugte ich mich, daß ein Solcher grade dem weichen Auguſtus nöthig war, um Herr der Welt werden zu können, und zu bleiben.
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Siebentes. Die coloſſale Melpomene giebt einem
der neuen Säle den Namen, und unter ihr faßt ein
elegantes Broncegeländer ganz vorzüglich gelungene
Nachahmungen antiker Moſaik, vom Profeſſor Bel-
loni, ein. Dies iſt eine höchſt intereſſante Erfindung,
von der es mich wundert, ſie von den Reichen noch
ſo wenig benutzt zu ſehen.
Achtens. Die Büſte des jungen Auguſtus. Ein
ſchöner, milder, kluger Kopf — ſehr verſchieden im
Ausdruck, wiewohl mit denſelben äußern Umriſſen
der Züge, von der Statüe, die den Kaiſer in ſpä-
terem Alter darſtellt, wo die Gewalt der Umſtände
und der Einfluß der Parteien ihn zu ſo mancher
Grauſamkeit hinrißen, bis zuletzt doch wieder, mit
der unumſchränkten Macht, die angeborne ſanftere
Natur die Oberherrſchaft erhielt.
Neuntens. Sein großer Feldherr Agrippa. Nie
ſah ich eine charakteriſtiſchere Phyſiognomie in edlerer
Form! Es iſt ſeltſam, daß die Stirn und das Obere
der Augen eine große Aehnlichkeit mit einem Manne
zeigen, der auch, obwohl in ganz anderem Wir-
kungskreiſe, zu den großen gehört — ich meine Ale-
xander v. Humbold. In den andern Theilen des
Geſichts verſchwindet übrigens dieſe Aehnlichkeit völlig.
Je mehr ich dieſen Eiſenkopf anſchaute, je mehr über-
zeugte ich mich, daß ein Solcher grade dem weichen
Auguſtus nöthig war, um Herr der Welt werden zu
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/365>, abgerufen am 22.11.2024.
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