mögens, unter den jetzigen Umständen gültig sey? Allerdings," antwortet der Graf, "aber -- der wah- re Namen und Stand müssen in dem Document deutlich und richtig ausgedrückt seyn." Friedrich schau- dert, bleibt aber seinem Vorsatz getreu. Der Graf verläßt ihn um Maria zu rufen, die, ein Bild trost- loser Verzweiflung, hereingeführt wird. Hierbei muß ich bemerken, daß die Schauspieler in Frankreich da- für sorgen, bei solchen Gelegenheiten so auszusehen, wie es ihre Gemüthsstimmung mit sich bringen muß, und nicht, wie ich es in Deutschland so oft er- blickte, in der Todesangst und Verzweiflung mit ro- then Pausbacken erscheinen, oder gar in diesem blü- henden Zustande sterben. Friedrich und Marie bie- ten ein treues Bild des höchsten Schmerzes dar. Er dringt in sie, ihm zu seiner Beruhigung die Gewäh- rung einer Bitte zuzuschwören. "Sein Wort," ruft sie eifrig "sey ihr Gebot!" und fällt weinend auf ihre Knie, um seine Vergebung anzuflehen. Sie aufhebend sagt er: "Was hätte ich Dir zu verzeihen! Dir allein Maria danke ich das wenige Glück, dessen ich genoß! In wenig Minuten wirst Du mein Weib, in wenigen Stunden meine Wittwe seyn. Vergiß dann die Vergangenheit ganz, und lebe ein neues glücklicheres Leben!" Die traurige Ceremonie geht in Gegenwart des Grafen vor sich. Eine Ordonnanz tritt gleich darauf ein und bringt einen Brief des alten Barons. "Gottlob," ruft der Graf, auf die Begnadigung des Statthalters hoffend. Im Lesen aber verhüllt er sein Gesicht: "der unglückliche junge
mögens, unter den jetzigen Umſtänden gültig ſey? Allerdings,“ antwortet der Graf, „aber — der wah- re Namen und Stand müſſen in dem Document deutlich und richtig ausgedrückt ſeyn.“ Friedrich ſchau- dert, bleibt aber ſeinem Vorſatz getreu. Der Graf verläßt ihn um Maria zu rufen, die, ein Bild troſt- loſer Verzweiflung, hereingeführt wird. Hierbei muß ich bemerken, daß die Schauſpieler in Frankreich da- für ſorgen, bei ſolchen Gelegenheiten ſo auszuſehen, wie es ihre Gemüthsſtimmung mit ſich bringen muß, und nicht, wie ich es in Deutſchland ſo oft er- blickte, in der Todesangſt und Verzweiflung mit ro- then Pausbacken erſcheinen, oder gar in dieſem blü- henden Zuſtande ſterben. Friedrich und Marie bie- ten ein treues Bild des höchſten Schmerzes dar. Er dringt in ſie, ihm zu ſeiner Beruhigung die Gewäh- rung einer Bitte zuzuſchwören. „Sein Wort,“ ruft ſie eifrig „ſey ihr Gebot!“ und fällt weinend auf ihre Knie, um ſeine Vergebung anzuflehen. Sie aufhebend ſagt er: „Was hätte ich Dir zu verzeihen! Dir allein Maria danke ich das wenige Glück, deſſen ich genoß! In wenig Minuten wirſt Du mein Weib, in wenigen Stunden meine Wittwe ſeyn. Vergiß dann die Vergangenheit ganz, und lebe ein neues glücklicheres Leben!“ Die traurige Ceremonie geht in Gegenwart des Grafen vor ſich. Eine Ordonnanz tritt gleich darauf ein und bringt einen Brief des alten Barons. „Gottlob,“ ruft der Graf, auf die Begnadigung des Statthalters hoffend. Im Leſen aber verhüllt er ſein Geſicht: „der unglückliche junge
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mögens, unter den jetzigen Umſtänden gültig ſey?
Allerdings,“ antwortet der Graf, „aber — der wah-
re Namen und Stand müſſen in dem Document
deutlich und richtig ausgedrückt ſeyn.“ Friedrich ſchau-
dert, bleibt aber ſeinem Vorſatz getreu. Der Graf
verläßt ihn um Maria zu rufen, die, ein Bild troſt-
loſer Verzweiflung, hereingeführt wird. Hierbei muß
ich bemerken, daß die Schauſpieler in Frankreich da-
für ſorgen, bei ſolchen Gelegenheiten ſo auszuſehen,
wie es ihre Gemüthsſtimmung mit ſich bringen
muß, und nicht, wie ich es in Deutſchland ſo oft er-
blickte, in der Todesangſt und Verzweiflung mit ro-
then Pausbacken erſcheinen, oder gar in dieſem blü-
henden Zuſtande ſterben. Friedrich und Marie bie-
ten ein treues Bild des höchſten Schmerzes dar. Er
dringt in ſie, ihm zu ſeiner Beruhigung die Gewäh-
rung einer Bitte zuzuſchwören. „Sein Wort,“ ruft
ſie eifrig „ſey ihr Gebot!“ und fällt weinend auf
ihre Knie, um ſeine Vergebung anzuflehen. Sie
aufhebend ſagt er: „Was hätte ich Dir zu verzeihen!
Dir allein Maria danke ich das wenige Glück, deſſen
ich genoß! In wenig Minuten wirſt Du mein Weib,
in wenigen Stunden meine Wittwe ſeyn. Vergiß
dann die Vergangenheit ganz, und lebe ein neues
glücklicheres Leben!“ Die traurige Ceremonie geht in
Gegenwart des Grafen vor ſich. Eine Ordonnanz
tritt gleich darauf ein und bringt einen Brief des
alten Barons. „Gottlob,“ ruft der Graf, auf die
Begnadigung des Statthalters hoffend. Im Leſen
aber verhüllt er ſein Geſicht: „der unglückliche junge
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/396>, abgerufen am 22.11.2024.
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