Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

zulocken sucht, nahm hier eine furchtbare Person, die
den lepreux d'Aosta glich, die Geldspenden ein.

Das Diorama, eine halbe Stunde weiter auf den
Boulevards, giebt eine Ansicht des Gotthards und
Venedigs. Die erstere Gegend, auf der italienischen
Seite des Gebürges, die ich in natura gesehen, war
schön und täuschend abgebildet, da aber keine Verän-
derungen der Beleuchtung dabei statt finden, wie bei
dem, (weit vorzüglicheren) Diorama in London, so
giebt der Anblick weniger Abwechselung und Genuß.
Venedig war schlecht gemalt, und von so gelbem
Lichte beschienen, als wenn es, aus gerechtem Aerger
über die Franzosen, die einst seine politische Existenz
zerstörten, und es dann nicht einmal behielten -- die
jaunisse bekommen hätte.

Beim Neorama sieht man sich in die Mitte der
Peterskirche versetzt, -- die Täuschung ist aber nur
sehr mittelmäßig, und die Menge der natürlich unbe-
weglichen Figuren, bei so viel Prätension zu voll-
kommner Nachahmung, störend. Nur Schlafende
oder Todte sollte man zur Staffage eines solchen
Bildes benutzen. Das Fest des heiligen Petrus wird
dargestellt. Pabst, Kardinäle, Gefolge und die päbst-
liche Garde en haye füllen die Kirche, und sind da-
bei so schlecht gemalt, daß Seine Heiligkeit der Pabst
wie ein vor der alten Jupiter-Statue Petri's hinge-
worfener Schlafrock aussahen.

zulocken ſucht, nahm hier eine furchtbare Perſon, die
den lepreux d’Aosta glich, die Geldſpenden ein.

Das Diorama, eine halbe Stunde weiter auf den
Boulevards, giebt eine Anſicht des Gotthards und
Venedigs. Die erſtere Gegend, auf der italieniſchen
Seite des Gebürges, die ich in natura geſehen, war
ſchön und täuſchend abgebildet, da aber keine Verän-
derungen der Beleuchtung dabei ſtatt finden, wie bei
dem, (weit vorzüglicheren) Diorama in London, ſo
giebt der Anblick weniger Abwechſelung und Genuß.
Venedig war ſchlecht gemalt, und von ſo gelbem
Lichte beſchienen, als wenn es, aus gerechtem Aerger
über die Franzoſen, die einſt ſeine politiſche Exiſtenz
zerſtörten, und es dann nicht einmal behielten — die
jaunisse bekommen hätte.

Beim Neorama ſieht man ſich in die Mitte der
Peterskirche verſetzt, — die Täuſchung iſt aber nur
ſehr mittelmäßig, und die Menge der natürlich unbe-
weglichen Figuren, bei ſo viel Prätenſion zu voll-
kommner Nachahmung, ſtörend. Nur Schlafende
oder Todte ſollte man zur Staffage eines ſolchen
Bildes benutzen. Das Feſt des heiligen Petrus wird
dargeſtellt. Pabſt, Kardinäle, Gefolge und die päbſt-
liche Garde en haye füllen die Kirche, und ſind da-
bei ſo ſchlecht gemalt, daß Seine Heiligkeit der Pabſt
wie ein vor der alten Jupiter-Statue Petri’s hinge-
worfener Schlafrock ausſahen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0417" n="395"/>
zulocken &#x017F;ucht, nahm hier eine furchtbare Per&#x017F;on, die<lb/>
den <hi rendition="#aq">lepreux d&#x2019;Aosta</hi> glich, die Geld&#x017F;penden ein.</p><lb/>
          <p>Das Diorama, eine halbe Stunde weiter auf den<lb/>
Boulevards, giebt eine An&#x017F;icht des Gotthards und<lb/>
Venedigs. Die er&#x017F;tere Gegend, auf der italieni&#x017F;chen<lb/>
Seite des Gebürges, die ich <hi rendition="#aq">in natura</hi> ge&#x017F;ehen, war<lb/>
&#x017F;chön und täu&#x017F;chend abgebildet, da aber keine Verän-<lb/>
derungen der Beleuchtung dabei &#x017F;tatt finden, wie bei<lb/>
dem, (weit vorzüglicheren) Diorama in London, &#x017F;o<lb/>
giebt der Anblick weniger Abwech&#x017F;elung und Genuß.<lb/>
Venedig war &#x017F;chlecht gemalt, und von &#x017F;o gelbem<lb/>
Lichte be&#x017F;chienen, als wenn es, aus gerechtem Aerger<lb/>
über die Franzo&#x017F;en, die ein&#x017F;t &#x017F;eine politi&#x017F;che Exi&#x017F;tenz<lb/>
zer&#x017F;törten, und es dann nicht einmal behielten &#x2014; die<lb/><hi rendition="#aq">jaunisse</hi> bekommen hätte.</p><lb/>
          <p>Beim Neorama &#x017F;ieht man &#x017F;ich in die Mitte der<lb/>
Peterskirche ver&#x017F;etzt, &#x2014; die Täu&#x017F;chung i&#x017F;t aber nur<lb/>
&#x017F;ehr mittelmäßig, und die Menge der natürlich unbe-<lb/>
weglichen Figuren, bei &#x017F;o viel Präten&#x017F;ion zu voll-<lb/>
kommner Nachahmung, &#x017F;törend. Nur Schlafende<lb/>
oder Todte &#x017F;ollte man zur Staffage eines &#x017F;olchen<lb/>
Bildes benutzen. Das Fe&#x017F;t des heiligen Petrus wird<lb/>
darge&#x017F;tellt. Pab&#x017F;t, <choice><sic>Kardina&#x0307;le</sic><corr>Kardinäle</corr></choice>, Gefolge und die päb&#x017F;t-<lb/>
liche <hi rendition="#aq">Garde en haye</hi> füllen die Kirche, und &#x017F;ind da-<lb/>
bei &#x017F;o &#x017F;chlecht gemalt, daß Seine Heiligkeit der Pab&#x017F;t<lb/>
wie ein vor der alten Jupiter-Statue Petri&#x2019;s hinge-<lb/>
worfener Schlafrock aus&#x017F;ahen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[395/0417] zulocken ſucht, nahm hier eine furchtbare Perſon, die den lepreux d’Aosta glich, die Geldſpenden ein. Das Diorama, eine halbe Stunde weiter auf den Boulevards, giebt eine Anſicht des Gotthards und Venedigs. Die erſtere Gegend, auf der italieniſchen Seite des Gebürges, die ich in natura geſehen, war ſchön und täuſchend abgebildet, da aber keine Verän- derungen der Beleuchtung dabei ſtatt finden, wie bei dem, (weit vorzüglicheren) Diorama in London, ſo giebt der Anblick weniger Abwechſelung und Genuß. Venedig war ſchlecht gemalt, und von ſo gelbem Lichte beſchienen, als wenn es, aus gerechtem Aerger über die Franzoſen, die einſt ſeine politiſche Exiſtenz zerſtörten, und es dann nicht einmal behielten — die jaunisse bekommen hätte. Beim Neorama ſieht man ſich in die Mitte der Peterskirche verſetzt, — die Täuſchung iſt aber nur ſehr mittelmäßig, und die Menge der natürlich unbe- weglichen Figuren, bei ſo viel Prätenſion zu voll- kommner Nachahmung, ſtörend. Nur Schlafende oder Todte ſollte man zur Staffage eines ſolchen Bildes benutzen. Das Feſt des heiligen Petrus wird dargeſtellt. Pabſt, Kardinäle, Gefolge und die päbſt- liche Garde en haye füllen die Kirche, und ſind da- bei ſo ſchlecht gemalt, daß Seine Heiligkeit der Pabſt wie ein vor der alten Jupiter-Statue Petri’s hinge- worfener Schlafrock ausſahen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/417
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/417>, abgerufen am 22.11.2024.