am Fuß eines weiten Rasenabhanges, grade unter dem Ort, wo Mr. W ... und sein Freund erstaunt dem Ausgang entgegensahen, völlig erschöpft und kraftlos nieder. Jetzt aber begann erst seine regel- mäßige Strafe, und wahrscheinlich ward dieses In- dividuum an dem Tage, für immer von seiner wil- den Laune kurirt. Denn nun gebrauchte der Hirt seinen, mit Blei ausgegossenen, und mit einer Eisen- spitze versehenen Stab, den er zu diesem Ende wohl- weislich beibehalten hatte, als Correktionsmittel, und damit den widerspenstigen Bullen fast lebendig ger- bend, zwang er ihn den Berg sich wieder hinanzu- schleppen, wo er zuletzt, zu Mr. W ... Füßen, die Zunge weit aus dem Halse streckend, zum zweiten- male lechzend niedersank, und in diesem Zustande gänzlicher Machtlosigkeit von ihnen verlassen wurde. Der junge Bauer, den Mr. W ... als ein Wunder jugendlicher Kraft und Agilität beschrieb, schien sei- nerseits nicht im Geringsten von der Jagd ermüdet, noch eitel auf seine That, sondern, ruhig den wegge- worfenen Pulversack und die Hundeleine wieder auf- suchend, verlor er kein Wort weiter über das Ver- gangene, als dem Obristen, indem er vergnügt mit den Augen winkte, zuzurufen: Now Master, don't foryet the bottles! (Nun Herr, vergeßt die Flaschen nicht!)
Herrlich muß eine Hetzjagd sich in diesen Felsen ausnehmen! bald auf der Höhe oder an ihren Seiten hinstürmend, bald Fuchs und Hunde über Abgründe
am Fuß eines weiten Raſenabhanges, grade unter dem Ort, wo Mr. W … und ſein Freund erſtaunt dem Ausgang entgegenſahen, völlig erſchöpft und kraftlos nieder. Jetzt aber begann erſt ſeine regel- mäßige Strafe, und wahrſcheinlich ward dieſes In- dividuum an dem Tage, für immer von ſeiner wil- den Laune kurirt. Denn nun gebrauchte der Hirt ſeinen, mit Blei ausgegoſſenen, und mit einer Eiſen- ſpitze verſehenen Stab, den er zu dieſem Ende wohl- weislich beibehalten hatte, als Correktionsmittel, und damit den widerſpenſtigen Bullen faſt lebendig ger- bend, zwang er ihn den Berg ſich wieder hinanzu- ſchleppen, wo er zuletzt, zu Mr. W … Füßen, die Zunge weit aus dem Halſe ſtreckend, zum zweiten- male lechzend niederſank, und in dieſem Zuſtande gänzlicher Machtloſigkeit von ihnen verlaſſen wurde. Der junge Bauer, den Mr. W … als ein Wunder jugendlicher Kraft und Agilität beſchrieb, ſchien ſei- nerſeits nicht im Geringſten von der Jagd ermüdet, noch eitel auf ſeine That, ſondern, ruhig den wegge- worfenen Pulverſack und die Hundeleine wieder auf- ſuchend, verlor er kein Wort weiter über das Ver- gangene, als dem Obriſten, indem er vergnügt mit den Augen winkte, zuzurufen: Now Master, don’t foryet the bottles! (Nun Herr, vergeßt die Flaſchen nicht!)
Herrlich muß eine Hetzjagd ſich in dieſen Felſen ausnehmen! bald auf der Höhe oder an ihren Seiten hinſtürmend, bald Fuchs und Hunde über Abgründe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0068"n="46"/>
am Fuß eines weiten Raſenabhanges, grade unter<lb/>
dem Ort, wo Mr. W … und ſein Freund erſtaunt<lb/>
dem Ausgang entgegenſahen, völlig erſchöpft und<lb/>
kraftlos nieder. Jetzt aber begann erſt ſeine regel-<lb/>
mäßige Strafe, und wahrſcheinlich ward dieſes In-<lb/>
dividuum an <hirendition="#g">dem</hi> Tage, für immer von ſeiner wil-<lb/>
den Laune kurirt. Denn nun gebrauchte der Hirt<lb/>ſeinen, mit Blei ausgegoſſenen, und mit einer Eiſen-<lb/>ſpitze verſehenen Stab, den er zu dieſem Ende wohl-<lb/>
weislich beibehalten hatte, als Correktionsmittel, und<lb/>
damit den widerſpenſtigen Bullen faſt lebendig ger-<lb/>
bend, zwang er ihn den Berg ſich wieder hinanzu-<lb/>ſchleppen, wo er zuletzt, zu Mr. W … Füßen, die<lb/>
Zunge weit aus dem Halſe ſtreckend, zum zweiten-<lb/>
male lechzend niederſank, und in dieſem Zuſtande<lb/>
gänzlicher Machtloſigkeit von ihnen verlaſſen wurde.<lb/>
Der junge Bauer, den Mr. W … als <hirendition="#g">ein</hi> Wunder<lb/>
jugendlicher Kraft und Agilität beſchrieb, ſchien ſei-<lb/>
nerſeits nicht im Geringſten von der Jagd ermüdet,<lb/>
noch eitel auf ſeine That, ſondern, ruhig den wegge-<lb/>
worfenen Pulverſack und die Hundeleine wieder auf-<lb/>ſuchend, verlor er kein Wort weiter über das Ver-<lb/>
gangene, als dem Obriſten, indem er vergnügt mit<lb/>
den Augen winkte, zuzurufen: <hirendition="#aq">Now Master, don’t<lb/>
foryet the bottles!</hi> (Nun Herr, vergeßt die Flaſchen<lb/>
nicht!)</p><lb/><p>Herrlich muß eine Hetzjagd ſich in dieſen Felſen<lb/>
ausnehmen! bald auf der Höhe oder an ihren Seiten<lb/>
hinſtürmend, bald Fuchs und Hunde über Abgründe<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[46/0068]
am Fuß eines weiten Raſenabhanges, grade unter
dem Ort, wo Mr. W … und ſein Freund erſtaunt
dem Ausgang entgegenſahen, völlig erſchöpft und
kraftlos nieder. Jetzt aber begann erſt ſeine regel-
mäßige Strafe, und wahrſcheinlich ward dieſes In-
dividuum an dem Tage, für immer von ſeiner wil-
den Laune kurirt. Denn nun gebrauchte der Hirt
ſeinen, mit Blei ausgegoſſenen, und mit einer Eiſen-
ſpitze verſehenen Stab, den er zu dieſem Ende wohl-
weislich beibehalten hatte, als Correktionsmittel, und
damit den widerſpenſtigen Bullen faſt lebendig ger-
bend, zwang er ihn den Berg ſich wieder hinanzu-
ſchleppen, wo er zuletzt, zu Mr. W … Füßen, die
Zunge weit aus dem Halſe ſtreckend, zum zweiten-
male lechzend niederſank, und in dieſem Zuſtande
gänzlicher Machtloſigkeit von ihnen verlaſſen wurde.
Der junge Bauer, den Mr. W … als ein Wunder
jugendlicher Kraft und Agilität beſchrieb, ſchien ſei-
nerſeits nicht im Geringſten von der Jagd ermüdet,
noch eitel auf ſeine That, ſondern, ruhig den wegge-
worfenen Pulverſack und die Hundeleine wieder auf-
ſuchend, verlor er kein Wort weiter über das Ver-
gangene, als dem Obriſten, indem er vergnügt mit
den Augen winkte, zuzurufen: Now Master, don’t
foryet the bottles! (Nun Herr, vergeßt die Flaſchen
nicht!)
Herrlich muß eine Hetzjagd ſich in dieſen Felſen
ausnehmen! bald auf der Höhe oder an ihren Seiten
hinſtürmend, bald Fuchs und Hunde über Abgründe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 2. München, 1830, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe02_1830/68>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.