Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.
ersparen, heut zu Tage immer ein wichtiges Objekt. Solche weise Betrachtungen wurden bei mir durch Wahr ist es, die Engländer mittlerer Klasse, an übel bekommen, um eine neue zu wagen. Die lieblichsten
Damen in Sandomir sprachen ja den Bann aus über den Aermsten, und, schreibt mir mein dasiger Correspondent: "se demandant partout: avez vous lü les lettres d'un mort? -- elles prirent toutes le mort aux dents." Man versteht keinen Spaß mehr in jener traurig gewordenen Welt! Jeder Scherz wird in einer wunden Stimmung auf- genommen, die ihn zur absichtlichen Beleidigung stempelt, und ein Aristophanes würde heut zu Tage daselbst mit zwanzig Criminalprozessen verfolgt und des Landes ver- wiesen werden. A. d. H. erſparen, heut zu Tage immer ein wichtiges Objekt. Solche weiſe Betrachtungen wurden bei mir durch Wahr iſt es, die Engländer mittlerer Klaſſe, an uͤbel bekommen, um eine neue zu wagen. Die lieblichſten
Damen in Sandomir ſprachen ja den Bann aus uͤber den Aermſten, und, ſchreibt mir mein daſiger Correſpondent: „se demandant partout: avez vous luͤ les lettres d’un mort? — elles prirent toutes le mort aux dents.“ Man verſteht keinen Spaß mehr in jener traurig gewordenen Welt! Jeder Scherz wird in einer wunden Stimmung auf- genommen, die ihn zur abſichtlichen Beleidigung ſtempelt, und ein Ariſtophanes wuͤrde heut zu Tage daſelbſt mit zwanzig Criminalprozeſſen verfolgt und des Landes ver- wieſen werden. A. d. H. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0143" n="103"/> erſparen, heut zu Tage immer ein wichtiges Objekt.<lb/> Dieſe Oekonomie gehört aber zu denjenigen, von<lb/> denen <hi rendition="#g">eine</hi> mehr koſtet, als <hi rendition="#g">vier</hi> Verſchwendun-<lb/> gen, und man hängt ſich überdieß ein Gewicht an,<lb/> das vielfach hinderlich iſt.</p><lb/> <p>Solche weiſe Betrachtungen wurden bei mir durch<lb/> meinen alten Kammerdiener erweckt, der im Begriff<lb/> iſt, in engliſchen Spleen zu verfallen, weil er zuviel<lb/> Schwierigkeiten findet, täglich hier — Suppe zu ſei-<lb/> nem Mittagseſſen zu erhalten, und mit Thränen in<lb/> den Augen dieſer geliebten Speiſe zu Hauſe gedenkt.<lb/> Er mahnt mich an die preußiſchen Soldaten, die bei<lb/> Strömen von Champagner die franzöſiſchen Bauern<lb/> prügelten, weil ſie ihnen kein Stettiner Bier vor-<lb/> ſetzen wollten.</p><lb/> <p>Wahr iſt es, die Engländer mittlerer Klaſſe, an<lb/> eine nahrhafte Fleiſchkoſt gewöhnt, kennen nordiſche<lb/> Waſſer- und Brühſuppen nicht, und was bei ihnen<lb/> ſo heißt, iſt ein verhältnißmäßig eben ſo theures als<lb/><note xml:id="seg2pn_3_2" prev="#seg2pn_3_1" place="foot" n="*)">uͤbel bekommen, um eine neue zu wagen. Die lieblichſten<lb/> Damen in Sandomir ſprachen ja den Bann aus uͤber den<lb/> Aermſten, und, ſchreibt mir mein daſiger Correſpondent:<lb/><hi rendition="#aq">„se demandant partout: avez vous luͤ les lettres d’un<lb/> mort? — elles prirent toutes le mort aux dents.“</hi> Man<lb/> verſteht keinen Spaß mehr in jener traurig gewordenen<lb/> Welt! Jeder Scherz wird in einer wunden Stimmung auf-<lb/> genommen, die ihn zur abſichtlichen Beleidigung ſtempelt,<lb/> und ein Ariſtophanes wuͤrde heut zu Tage daſelbſt mit<lb/> zwanzig Criminalprozeſſen verfolgt und des Landes ver-<lb/> wieſen werden. <hi rendition="#et">A. d. H.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0143]
erſparen, heut zu Tage immer ein wichtiges Objekt.
Dieſe Oekonomie gehört aber zu denjenigen, von
denen eine mehr koſtet, als vier Verſchwendun-
gen, und man hängt ſich überdieß ein Gewicht an,
das vielfach hinderlich iſt.
Solche weiſe Betrachtungen wurden bei mir durch
meinen alten Kammerdiener erweckt, der im Begriff
iſt, in engliſchen Spleen zu verfallen, weil er zuviel
Schwierigkeiten findet, täglich hier — Suppe zu ſei-
nem Mittagseſſen zu erhalten, und mit Thränen in
den Augen dieſer geliebten Speiſe zu Hauſe gedenkt.
Er mahnt mich an die preußiſchen Soldaten, die bei
Strömen von Champagner die franzöſiſchen Bauern
prügelten, weil ſie ihnen kein Stettiner Bier vor-
ſetzen wollten.
Wahr iſt es, die Engländer mittlerer Klaſſe, an
eine nahrhafte Fleiſchkoſt gewöhnt, kennen nordiſche
Waſſer- und Brühſuppen nicht, und was bei ihnen
ſo heißt, iſt ein verhältnißmäßig eben ſo theures als
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*) uͤbel bekommen, um eine neue zu wagen. Die lieblichſten
Damen in Sandomir ſprachen ja den Bann aus uͤber den
Aermſten, und, ſchreibt mir mein daſiger Correſpondent:
„se demandant partout: avez vous luͤ les lettres d’un
mort? — elles prirent toutes le mort aux dents.“ Man
verſteht keinen Spaß mehr in jener traurig gewordenen
Welt! Jeder Scherz wird in einer wunden Stimmung auf-
genommen, die ihn zur abſichtlichen Beleidigung ſtempelt,
und ein Ariſtophanes wuͤrde heut zu Tage daſelbſt mit
zwanzig Criminalprozeſſen verfolgt und des Landes ver-
wieſen werden. A. d. H.
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| Zitationshilfe: | Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/143>, abgerufen am 21.11.2024. |
