könnten, oder sie benutzen wenigstens solches Gewächs nur, um andern schlechten Wein damit passiren zu machen.
Entschuldige diese Weindigression, welche Dich, die nur Wasser trinkt, eben nicht sehr interessiren kann, aber Du weißt einmal, ich schreibe für uns Beide, und mir, ich gestehe es, ist der Gegenstand nicht un- wichtig. Gern "führe ich Wein im Munde."
Doch zurück zu unsern Clubs. Die Verschiedenheit der englischen Sitten kann man hier gleich beim er- sten Abord weit besser beobachten als in der großen Welt, die sich immer mehr oder weniger gleicht, wäh- rend hier dieselben Individuen, die zum Theil jene bilden, sich weit ungenirter zeigen.
Für's Erste muß der Fremde die raffinirte Bequem- lichkeit bewundern, mit der der Engländer zu sitzen versteht, so wie man auch gestehen muß, daß, wer die genialen englischen Stühle aller Formen, und für alle Grade der Ermüdung, Kränklichkeit und Kon- stitutions-Eigenthümlichkeit berechnet, nicht kennt, wirklich einen guten Theil irdischen Lebensgenusses entbehrt. Es ist schon eine wahre Freude, einen Engländer nur in solchem bettartigen Stuhl am Ka- minfeuer sitzen, oder vielmehr liegen zu sehen. Eine Vorrichtung an der Armlehne, einem Notenpulte ähnlich, und mit einem Leuchter versehen, ist vor ihm so aufgeschlagen, daß er sie mit dem leisesten Druck sich beliebig näher bringen oder weiter entfer- nen, rechts oder links schieben kann. Ausserdem
könnten, oder ſie benutzen wenigſtens ſolches Gewächs nur, um andern ſchlechten Wein damit paſſiren zu machen.
Entſchuldige dieſe Weindigreſſion, welche Dich, die nur Waſſer trinkt, eben nicht ſehr intereſſiren kann, aber Du weißt einmal, ich ſchreibe für uns Beide, und mir, ich geſtehe es, iſt der Gegenſtand nicht un- wichtig. Gern „führe ich Wein im Munde.“
Doch zurück zu unſern Clubs. Die Verſchiedenheit der engliſchen Sitten kann man hier gleich beim er- ſten Abord weit beſſer beobachten als in der großen Welt, die ſich immer mehr oder weniger gleicht, wäh- rend hier dieſelben Individuen, die zum Theil jene bilden, ſich weit ungenirter zeigen.
Für’s Erſte muß der Fremde die raffinirte Bequem- lichkeit bewundern, mit der der Engländer zu ſitzen verſteht, ſo wie man auch geſtehen muß, daß, wer die genialen engliſchen Stühle aller Formen, und für alle Grade der Ermüdung, Kränklichkeit und Kon- ſtitutions-Eigenthümlichkeit berechnet, nicht kennt, wirklich einen guten Theil irdiſchen Lebensgenuſſes entbehrt. Es iſt ſchon eine wahre Freude, einen Engländer nur in ſolchem bettartigen Stuhl am Ka- minfeuer ſitzen, oder vielmehr liegen zu ſehen. Eine Vorrichtung an der Armlehne, einem Notenpulte ähnlich, und mit einem Leuchter verſehen, iſt vor ihm ſo aufgeſchlagen, daß er ſie mit dem leiſeſten Druck ſich beliebig näher bringen oder weiter entfer- nen, rechts oder links ſchieben kann. Auſſerdem
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könnten, oder ſie benutzen wenigſtens ſolches Gewächs
nur, um andern ſchlechten Wein damit paſſiren zu
machen.
Entſchuldige dieſe Weindigreſſion, welche Dich, die
nur Waſſer trinkt, eben nicht ſehr intereſſiren kann,
aber Du weißt einmal, ich ſchreibe für uns Beide,
und mir, ich geſtehe es, iſt der Gegenſtand nicht un-
wichtig. Gern „führe ich Wein im Munde.“
Doch zurück zu unſern Clubs. Die Verſchiedenheit
der engliſchen Sitten kann man hier gleich beim er-
ſten Abord weit beſſer beobachten als in der großen
Welt, die ſich immer mehr oder weniger gleicht, wäh-
rend hier dieſelben Individuen, die zum Theil jene
bilden, ſich weit ungenirter zeigen.
Für’s Erſte muß der Fremde die raffinirte Bequem-
lichkeit bewundern, mit der der Engländer zu ſitzen
verſteht, ſo wie man auch geſtehen muß, daß, wer die
genialen engliſchen Stühle aller Formen, und für
alle Grade der Ermüdung, Kränklichkeit und Kon-
ſtitutions-Eigenthümlichkeit berechnet, nicht kennt,
wirklich einen guten Theil irdiſchen Lebensgenuſſes
entbehrt. Es iſt ſchon eine wahre Freude, einen
Engländer nur in ſolchem bettartigen Stuhl am Ka-
minfeuer ſitzen, oder vielmehr liegen zu ſehen. Eine
Vorrichtung an der Armlehne, einem Notenpulte
ähnlich, und mit einem Leuchter verſehen, iſt vor
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/148>, abgerufen am 24.11.2024.
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