Familie und im gewöhnlichen Leben führt. Auf dem Theater aber wird sie wieder Miß Paton und als solche bezahlt, welches bei der Armuth des Lords nicht zu umgehen seyn mag *).
Was den Fremden in den hiesigen Theatern ge- wiß am meisten auffallen muß, ist die unerhörte Rohheit und Ungezogenheit des Publikums, weßhalb auch, ausser der italiänischen Oper, wo sich nur die höchste und bessere Gesellschaft vereinigt, diese Klasse nur höchst selten und einzeln die Nationaltheater be- sucht, ein Umstand, von dem es noch zweifelhaft seyn möchte, ob er gut oder nachtheilig auf die Bühne selbst wirkt.
Englische Freiheit also artet hier in die gemeinste Licenz aus, und es ist nichts Seltenes, mitten in der ergreifendsten Stelle einer Tragödie, oder wäh- rend der reizendsten Cadence der Sängerin, mit Stentorstimme eine Zote ausrufen zu hören, der, nach Stimmung der Umstehenden, in der Gallerie und obern Logen, entweder Gelächter und Beifalls- geschrei, oder eine Prügelei und Herauswerfen des Beleidigers folgt.
In jedem der beiden Fälle hört man aber lange nichts mehr vom Theater, wo Schauspieler und Sän-
*) Es ist wahr, daß in neuerer Zeit unsre liebliche Sontag, die Souverainin des Gesanges, etwas Aehnliches gethan, indem sie sich, wie es scheint, den Grafen R. an ihre linke Hand hat antrauen lassen. A. d. H.
Familie und im gewöhnlichen Leben führt. Auf dem Theater aber wird ſie wieder Miß Paton und als ſolche bezahlt, welches bei der Armuth des Lords nicht zu umgehen ſeyn mag *).
Was den Fremden in den hieſigen Theatern ge- wiß am meiſten auffallen muß, iſt die unerhörte Rohheit und Ungezogenheit des Publikums, weßhalb auch, auſſer der italiäniſchen Oper, wo ſich nur die höchſte und beſſere Geſellſchaft vereinigt, dieſe Klaſſe nur höchſt ſelten und einzeln die Nationaltheater be- ſucht, ein Umſtand, von dem es noch zweifelhaft ſeyn möchte, ob er gut oder nachtheilig auf die Bühne ſelbſt wirkt.
Engliſche Freiheit alſo artet hier in die gemeinſte Licenz aus, und es iſt nichts Seltenes, mitten in der ergreifendſten Stelle einer Tragödie, oder wäh- rend der reizendſten Cadence der Sängerin, mit Stentorſtimme eine Zote ausrufen zu hören, der, nach Stimmung der Umſtehenden, in der Gallerie und obern Logen, entweder Gelächter und Beifalls- geſchrei, oder eine Prügelei und Herauswerfen des Beleidigers folgt.
In jedem der beiden Fälle hört man aber lange nichts mehr vom Theater, wo Schauſpieler und Sän-
*) Es iſt wahr, daß in neuerer Zeit unſre liebliche Sontag, die Souverainin des Geſanges, etwas Aehnliches gethan, indem ſie ſich, wie es ſcheint, den Grafen R. an ihre linke Hand hat antrauen laſſen. A. d. H.
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Familie und im gewöhnlichen Leben führt. Auf dem
Theater aber wird ſie wieder Miß Paton und als
ſolche bezahlt, welches bei der Armuth des Lords nicht
zu umgehen ſeyn mag *).
Was den Fremden in den hieſigen Theatern ge-
wiß am meiſten auffallen muß, iſt die unerhörte
Rohheit und Ungezogenheit des Publikums, weßhalb
auch, auſſer der italiäniſchen Oper, wo ſich nur die
höchſte und beſſere Geſellſchaft vereinigt, dieſe Klaſſe
nur höchſt ſelten und einzeln die Nationaltheater be-
ſucht, ein Umſtand, von dem es noch zweifelhaft ſeyn
möchte, ob er gut oder nachtheilig auf die Bühne
ſelbſt wirkt.
Engliſche Freiheit alſo artet hier in die gemeinſte
Licenz aus, und es iſt nichts Seltenes, mitten in
der ergreifendſten Stelle einer Tragödie, oder wäh-
rend der reizendſten Cadence der Sängerin, mit
Stentorſtimme eine Zote ausrufen zu hören, der,
nach Stimmung der Umſtehenden, in der Gallerie
und obern Logen, entweder Gelächter und Beifalls-
geſchrei, oder eine Prügelei und Herauswerfen des
Beleidigers folgt.
In jedem der beiden Fälle hört man aber lange
nichts mehr vom Theater, wo Schauſpieler und Sän-
*) Es iſt wahr, daß in neuerer Zeit unſre liebliche Sontag,
die Souverainin des Geſanges, etwas Aehnliches gethan,
indem ſie ſich, wie es ſcheint, den Grafen R. an ihre
linke Hand hat antrauen laſſen. A. d. H.
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/170>, abgerufen am 09.11.2024.
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