Cäsars daneben placirt habe. Man frägt sich un- willkührlich bei dem Anblick dieser Bilder, ob die Menschen wohl seitdem wirklich weiter gekommen sind? Im Kunstsinn scheint es kaum, besonders wenn man nach den beiden hervorstechendsten und den höchsten Sitz einnehmenden Personen der re- spektiven Ceremonien urtheilt. Ich meine den könig- lichen Leibkutscher und Cäsar.
Gegen halb 3 Uhr erschien der König, allein von Allen in völliger Toilette, und zwar von Kopf bis zu Fuß in den alten Königsornat gekleidet, mit der Krone auf dem Haupt und den Scepter in der Hand. Er sah blaß und geschwollen aus, und mußte lange auf seinem Throne sitzen, ehe er genug zu Athem kommen konnte, um seine Rede abzulesen. Während dem warf er einigen der begünstigtesten Damen freund- liche Blicke und herablassende Grüße zu. Lord Liver- pool stand mit dem Reichsschwerdte und der Rede in der Hand ihm zur Seite, auf der andern der Herzog von Wellington. Alle drei sahen aber so elend, asch- grau und abgelebt aus, daß mir nie menschliche Größe geringer an Werth erschien, ja die tragische Seite aller Komödien, die wir hier unten spielen, fiel mir fast schwer aufs Herz! Doch erregte es auch ein leb- haftes Gefühl des Komischen in mir, zu sehen, wie
begleitet, deren Totalität zugleich einen kurzen, folgerech- ten Abriß seines Treibens auf dieser Welt giebt, also ei- nen wahren Lebensatlas, wie er ihn auch manchmal selbst nannte. A. d. H.
Cäſars daneben placirt habe. Man frägt ſich un- willkührlich bei dem Anblick dieſer Bilder, ob die Menſchen wohl ſeitdem wirklich weiter gekommen ſind? Im Kunſtſinn ſcheint es kaum, beſonders wenn man nach den beiden hervorſtechendſten und den höchſten Sitz einnehmenden Perſonen der re- ſpektiven Ceremonien urtheilt. Ich meine den könig- lichen Leibkutſcher und Cäſar.
Gegen halb 3 Uhr erſchien der König, allein von Allen in völliger Toilette, und zwar von Kopf bis zu Fuß in den alten Königsornat gekleidet, mit der Krone auf dem Haupt und den Scepter in der Hand. Er ſah blaß und geſchwollen aus, und mußte lange auf ſeinem Throne ſitzen, ehe er genug zu Athem kommen konnte, um ſeine Rede abzuleſen. Während dem warf er einigen der begünſtigteſten Damen freund- liche Blicke und herablaſſende Grüße zu. Lord Liver- pool ſtand mit dem Reichsſchwerdte und der Rede in der Hand ihm zur Seite, auf der andern der Herzog von Wellington. Alle drei ſahen aber ſo elend, aſch- grau und abgelebt aus, daß mir nie menſchliche Größe geringer an Werth erſchien, ja die tragiſche Seite aller Komödien, die wir hier unten ſpielen, fiel mir faſt ſchwer aufs Herz! Doch erregte es auch ein leb- haftes Gefühl des Komiſchen in mir, zu ſehen, wie
begleitet, deren Totalitaͤt zugleich einen kurzen, folgerech- ten Abriß ſeines Treibens auf dieſer Welt giebt, alſo ei- nen wahren Lebensatlas, wie er ihn auch manchmal ſelbſt nannte. A. d. H.
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Cäſars daneben placirt habe. Man frägt ſich un-
willkührlich bei dem Anblick dieſer Bilder, ob die
Menſchen wohl ſeitdem wirklich weiter gekommen
ſind? Im Kunſtſinn ſcheint es kaum, beſonders wenn
man nach den beiden hervorſtechendſten und
den höchſten Sitz einnehmenden Perſonen der re-
ſpektiven Ceremonien urtheilt. Ich meine den könig-
lichen Leibkutſcher und Cäſar.
Gegen halb 3 Uhr erſchien der König, allein von
Allen in völliger Toilette, und zwar von Kopf bis
zu Fuß in den alten Königsornat gekleidet, mit der
Krone auf dem Haupt und den Scepter in der Hand.
Er ſah blaß und geſchwollen aus, und mußte lange
auf ſeinem Throne ſitzen, ehe er genug zu Athem
kommen konnte, um ſeine Rede abzuleſen. Während
dem warf er einigen der begünſtigteſten Damen freund-
liche Blicke und herablaſſende Grüße zu. Lord Liver-
pool ſtand mit dem Reichsſchwerdte und der Rede in
der Hand ihm zur Seite, auf der andern der Herzog
von Wellington. Alle drei ſahen aber ſo elend, aſch-
grau und abgelebt aus, daß mir nie menſchliche Größe
geringer an Werth erſchien, ja die tragiſche Seite
aller Komödien, die wir hier unten ſpielen, fiel mir
faſt ſchwer aufs Herz! Doch erregte es auch ein leb-
haftes Gefühl des Komiſchen in mir, zu ſehen, wie
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*) begleitet, deren Totalitaͤt zugleich einen kurzen, folgerech-
ten Abriß ſeines Treibens auf dieſer Welt giebt, alſo ei-
nen wahren Lebensatlas, wie er ihn auch manchmal ſelbſt
nannte. A. d. H.
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/199>, abgerufen am 24.11.2024.
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