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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

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von Elisabeth erbaut, und ganz in statu quo erhal-
ten. Die Decke derselben ist mit Holzcaissons verziert,
und in jedem Caisson ein Wappen, was sich gar alter-
thümlich und prächtig ausnimmt. Sehr gut ausge-
führte Gypsmodelle von den berühmtesten Tempeln
des Alterthums stehen im Vorsaal. Unter den Ge-
mälden befinden sich einige Vortreffliche. Das liebste
war mir ein Portrait der Königin Maria von Schott-
land, authentisch von dem Italiener Zuccaro, gleich
nach ihrer Ankunft aus Frankreich gemalt, wo sie
noch in allem unbeschreiblichen Reiz ihrer Jugend und
Frische glänzte. Man begreift, wie diese Frau nur
leidenschaftliche Verehrer oder wüthende Feinde haben
konnte. Ein im wahren Sinne des Worts reizen-
deres
, verführenderes Gesicht wird man selten se-
hen, aber bei aller französischen Grazie verräth es
doch, daß diese Schönheit eigensinnig genug, und in
ihren Leidenschaften nichts achtend seyn konnte, doch
von Bösem oder Gemeinem, wie das erste bei Elisa-
beth, Katherine von Medicis, das letzte bei der Kö-
nigin Anna sichtlich ist, keine Spur. Eigentlich ein
ächt weiblicher, und daher ganz verführerischer Cha-
rakter, mit allen Tugenden und Schwächen ih-
res Geschlechts in erhöhtem Maßstabe ausgestattet.
Den Besitz eines solchen Bildes möchte ich ein wah-
res Glück nennen! Das Original möchte einem schon
mehr zu schaffen machen. Derselbe Künstler hat auch
Elisabeth gemalt, ein Portrait, das dem in Warwick
beschriebenen vollkommen gleich ist. Graf Leicester,
kurz vor seinem Tode dargestellt, erweckt auch viel

von Eliſabeth erbaut, und ganz in statu quo erhal-
ten. Die Decke derſelben iſt mit Holzcaiſſons verziert,
und in jedem Caiſſon ein Wappen, was ſich gar alter-
thümlich und prächtig ausnimmt. Sehr gut ausge-
führte Gypsmodelle von den berühmteſten Tempeln
des Alterthums ſtehen im Vorſaal. Unter den Ge-
mälden befinden ſich einige Vortreffliche. Das liebſte
war mir ein Portrait der Königin Maria von Schott-
land, authentiſch von dem Italiener Zuccaro, gleich
nach ihrer Ankunft aus Frankreich gemalt, wo ſie
noch in allem unbeſchreiblichen Reiz ihrer Jugend und
Friſche glänzte. Man begreift, wie dieſe Frau nur
leidenſchaftliche Verehrer oder wüthende Feinde haben
konnte. Ein im wahren Sinne des Worts reizen-
deres
, verführenderes Geſicht wird man ſelten ſe-
hen, aber bei aller franzöſiſchen Grazie verräth es
doch, daß dieſe Schönheit eigenſinnig genug, und in
ihren Leidenſchaften nichts achtend ſeyn konnte, doch
von Böſem oder Gemeinem, wie das erſte bei Eliſa-
beth, Katherine von Medicis, das letzte bei der Kö-
nigin Anna ſichtlich iſt, keine Spur. Eigentlich ein
ächt weiblicher, und daher ganz verführeriſcher Cha-
rakter, mit allen Tugenden und Schwächen ih-
res Geſchlechts in erhöhtem Maßſtabe ausgeſtattet.
Den Beſitz eines ſolchen Bildes möchte ich ein wah-
res Glück nennen! Das Original möchte einem ſchon
mehr zu ſchaffen machen. Derſelbe Künſtler hat auch
Eliſabeth gemalt, ein Portrait, das dem in Warwick
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[284/0330] von Eliſabeth erbaut, und ganz in statu quo erhal- ten. Die Decke derſelben iſt mit Holzcaiſſons verziert, und in jedem Caiſſon ein Wappen, was ſich gar alter- thümlich und prächtig ausnimmt. Sehr gut ausge- führte Gypsmodelle von den berühmteſten Tempeln des Alterthums ſtehen im Vorſaal. Unter den Ge- mälden befinden ſich einige Vortreffliche. Das liebſte war mir ein Portrait der Königin Maria von Schott- land, authentiſch von dem Italiener Zuccaro, gleich nach ihrer Ankunft aus Frankreich gemalt, wo ſie noch in allem unbeſchreiblichen Reiz ihrer Jugend und Friſche glänzte. Man begreift, wie dieſe Frau nur leidenſchaftliche Verehrer oder wüthende Feinde haben konnte. Ein im wahren Sinne des Worts reizen- deres, verführenderes Geſicht wird man ſelten ſe- hen, aber bei aller franzöſiſchen Grazie verräth es doch, daß dieſe Schönheit eigenſinnig genug, und in ihren Leidenſchaften nichts achtend ſeyn konnte, doch von Böſem oder Gemeinem, wie das erſte bei Eliſa- beth, Katherine von Medicis, das letzte bei der Kö- nigin Anna ſichtlich iſt, keine Spur. Eigentlich ein ächt weiblicher, und daher ganz verführeriſcher Cha- rakter, mit allen Tugenden und Schwächen ih- res Geſchlechts in erhöhtem Maßſtabe ausgeſtattet. Den Beſitz eines ſolchen Bildes möchte ich ein wah- res Glück nennen! Das Original möchte einem ſchon mehr zu ſchaffen machen. Derſelbe Künſtler hat auch Eliſabeth gemalt, ein Portrait, das dem in Warwick beſchriebenen vollkommen gleich iſt. Graf Leiceſter, kurz vor ſeinem Tode dargeſtellt, erweckt auch viel

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/330>, abgerufen am 22.11.2024.