noch ein ähnlicher existirt, eine schmiede, wo ein Pferd im Nothstall beschlagen wird, ein Frachtwagen mit drei großen Karrenpferden vor einander gespannt, mit Leitern an den Seiten, Geschirr etc. ganz in der heutigen Form, selbst das Costume des Fuhrmanns in seiner blauen Blouze das nämliche, und manches andere, was ich nicht alles hererzählen will, zeigte an, daß, wenn Vieles sich änderte, doch auch unend- lich viel sich gleichblieb, und vielleicht, a tout prendre, das Getreibe der Menschen in den verschiedenen Zei- ten sich weit ähnlicher sieht, als man sich vorzustel- len pflegt.
Ein Bocaccio mit äusserst schönen Miniaturen und prachtvoller Schrift gehört zu den elegantesten Parade- stücken der Bibliothek, und als eine der größten Sel- tenheiten wird eine lateinisch und griechisch abge- faßte Apostelgeschichte aus dem 7. Jahrhundert ge- zeigt, in der jede Zeile nur ein Wort in beiden Sprachen enthält. Für sein hohes Alter ist das Ganze sehr wohl erhalten.
In dem Aller-Seelen-College ist eine Stelle in dem schönen Hofe, (den übrigens der feinste Rasen be- deckt) wo man einen besonders herrlichen Anblick fortwährend übereinander hinragender Spitzen und Facaden alterthümlicher Gebäude hat, ohne die ge- ringste Mischung mit Modernem. Hier ist ebenfalls eine Bibliothek von 70,000 Bänden in einem 120 Fuß langen und 60 Fuß hohen Saal aufgestellt. In der
19*
noch ein ähnlicher exiſtirt, eine ſchmiede, wo ein Pferd im Nothſtall beſchlagen wird, ein Frachtwagen mit drei großen Karrenpferden vor einander geſpannt, mit Leitern an den Seiten, Geſchirr ꝛc. ganz in der heutigen Form, ſelbſt das Coſtume des Fuhrmanns in ſeiner blauen Blouze das nämliche, und manches andere, was ich nicht alles hererzählen will, zeigte an, daß, wenn Vieles ſich änderte, doch auch unend- lich viel ſich gleichblieb, und vielleicht, à tout prendre, das Getreibe der Menſchen in den verſchiedenen Zei- ten ſich weit ähnlicher ſieht, als man ſich vorzuſtel- len pflegt.
Ein Bocaccio mit äuſſerſt ſchönen Miniaturen und prachtvoller Schrift gehört zu den eleganteſten Parade- ſtücken der Bibliothek, und als eine der größten Sel- tenheiten wird eine lateiniſch und griechiſch abge- faßte Apoſtelgeſchichte aus dem 7. Jahrhundert ge- zeigt, in der jede Zeile nur ein Wort in beiden Sprachen enthält. Für ſein hohes Alter iſt das Ganze ſehr wohl erhalten.
In dem Aller-Seelen-College iſt eine Stelle in dem ſchönen Hofe, (den übrigens der feinſte Raſen be- deckt) wo man einen beſonders herrlichen Anblick fortwährend übereinander hinragender Spitzen und Façaden alterthümlicher Gebäude hat, ohne die ge- ringſte Miſchung mit Modernem. Hier iſt ebenfalls eine Bibliothek von 70,000 Bänden in einem 120 Fuß langen und 60 Fuß hohen Saal aufgeſtellt. In der
19*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0337"n="291"/>
noch ein ähnlicher exiſtirt, eine ſchmiede, wo ein<lb/>
Pferd im Nothſtall beſchlagen wird, ein Frachtwagen<lb/>
mit drei großen Karrenpferden vor einander geſpannt,<lb/>
mit Leitern an den Seiten, Geſchirr ꝛc. ganz in der<lb/>
heutigen Form, ſelbſt das Coſtume des Fuhrmanns<lb/>
in ſeiner blauen Blouze das nämliche, und manches<lb/>
andere, was ich nicht alles hererzählen will, zeigte<lb/>
an, daß, wenn Vieles ſich änderte, doch auch unend-<lb/>
lich viel ſich gleichblieb, und vielleicht, <hirendition="#aq">à tout prendre,</hi><lb/>
das Getreibe der Menſchen in den verſchiedenen Zei-<lb/>
ten ſich weit ähnlicher ſieht, als man ſich vorzuſtel-<lb/>
len pflegt.</p><lb/><p>Ein Bocaccio mit äuſſerſt ſchönen Miniaturen und<lb/>
prachtvoller Schrift gehört zu den eleganteſten Parade-<lb/>ſtücken der Bibliothek, und als eine der größten <hirendition="#g">Sel-<lb/>
tenheiten</hi> wird eine lateiniſch und griechiſch abge-<lb/>
faßte Apoſtelgeſchichte aus dem 7. Jahrhundert ge-<lb/>
zeigt, in der jede Zeile nur <hirendition="#g">ein</hi> Wort in beiden<lb/>
Sprachen enthält. Für ſein hohes Alter iſt das<lb/>
Ganze ſehr wohl erhalten.</p><lb/><p>In dem Aller-Seelen-College iſt eine Stelle in dem<lb/>ſchönen Hofe, (den übrigens der feinſte Raſen be-<lb/>
deckt) wo man einen beſonders herrlichen Anblick<lb/>
fortwährend übereinander hinragender Spitzen und<lb/>
Fa<hirendition="#aq">ç</hi>aden alterthümlicher Gebäude hat, ohne die ge-<lb/>
ringſte Miſchung mit Modernem. Hier iſt ebenfalls<lb/>
eine Bibliothek von 70,000 Bänden in einem 120 Fuß<lb/>
langen und 60 Fuß hohen Saal aufgeſtellt. In der<lb/><fwplace="bottom"type="sig">19*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[291/0337]
noch ein ähnlicher exiſtirt, eine ſchmiede, wo ein
Pferd im Nothſtall beſchlagen wird, ein Frachtwagen
mit drei großen Karrenpferden vor einander geſpannt,
mit Leitern an den Seiten, Geſchirr ꝛc. ganz in der
heutigen Form, ſelbſt das Coſtume des Fuhrmanns
in ſeiner blauen Blouze das nämliche, und manches
andere, was ich nicht alles hererzählen will, zeigte
an, daß, wenn Vieles ſich änderte, doch auch unend-
lich viel ſich gleichblieb, und vielleicht, à tout prendre,
das Getreibe der Menſchen in den verſchiedenen Zei-
ten ſich weit ähnlicher ſieht, als man ſich vorzuſtel-
len pflegt.
Ein Bocaccio mit äuſſerſt ſchönen Miniaturen und
prachtvoller Schrift gehört zu den eleganteſten Parade-
ſtücken der Bibliothek, und als eine der größten Sel-
tenheiten wird eine lateiniſch und griechiſch abge-
faßte Apoſtelgeſchichte aus dem 7. Jahrhundert ge-
zeigt, in der jede Zeile nur ein Wort in beiden
Sprachen enthält. Für ſein hohes Alter iſt das
Ganze ſehr wohl erhalten.
In dem Aller-Seelen-College iſt eine Stelle in dem
ſchönen Hofe, (den übrigens der feinſte Raſen be-
deckt) wo man einen beſonders herrlichen Anblick
fortwährend übereinander hinragender Spitzen und
Façaden alterthümlicher Gebäude hat, ohne die ge-
ringſte Miſchung mit Modernem. Hier iſt ebenfalls
eine Bibliothek von 70,000 Bänden in einem 120 Fuß
langen und 60 Fuß hohen Saal aufgeſtellt. In der
19*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/337>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.