ter fand ich endlich einen Bekannten, der mich mit mehreren sehr hübschen jungen Mädchen bekannt mach- te, unter denen sich ganz besonders Miß W ..., eine Niece des Lord E ... auszeichnete, die in Deutsch- land erzogen, und mehr Deutsche als Engländerin ist, was ihr in meinen Augen nur vortheilhaft seyn konnte. Sie war bei weitem die hübscheste und grazieuseste auf dem Balle, so daß ich mich beinahe wieder zum Tanzen verstanden hätte, obgleich ich aus Eitelkeit (denn ich tanzte immer schlecht) seit vielen Jahren die- sem sogenannten Vergnügen entfremdet war. Hier hätte ich es nun wohl wagen können, da man, Gott weiß es, nirgends ungeschickter herumspringt, und na- mentlich ein Walzender im Takt zu den wahren Sel- tenheiten gehört, aber es kam mir doch zu komisch vor, mich an der Grenze des Schwabenalters von neuem den Anbetern der Tarantel zuzugesellen. II est vrai que la fortune m'a souvent envoye prome- ner, mais danser -- c'est trop fort!
Die Marquise erzählte mir hierauf von einem ihrer anwesenden Verwandten, dem Chef eines Highlander Clans, mit einem Namen, so lang als ein spanischer, Nachkommen der Könige der Inseln, und stolz wie Holofernes auf tausendjährigen Adel, der meine Be- kanntschaft zu machen wünsche. Ich konnte mir nur zu der seinigen gratuliren, da ich den Mann ganz so fand, wie Walter Scott seine hochländischen Roma- nen-Figuren schildert. Ein ächter Schotte, mit Leib und Seele an Vorfahren und alten Gebräuchen hän- gend, mit großer Geringschätzung für die Engländer,
ter fand ich endlich einen Bekannten, der mich mit mehreren ſehr hübſchen jungen Mädchen bekannt mach- te, unter denen ſich ganz beſonders Miß W …, eine Niece des Lord E … auszeichnete, die in Deutſch- land erzogen, und mehr Deutſche als Engländerin iſt, was ihr in meinen Augen nur vortheilhaft ſeyn konnte. Sie war bei weitem die hübſcheſte und grazieuſeſte auf dem Balle, ſo daß ich mich beinahe wieder zum Tanzen verſtanden hätte, obgleich ich aus Eitelkeit (denn ich tanzte immer ſchlecht) ſeit vielen Jahren die- ſem ſogenannten Vergnügen entfremdet war. Hier hätte ich es nun wohl wagen können, da man, Gott weiß es, nirgends ungeſchickter herumſpringt, und na- mentlich ein Walzender im Takt zu den wahren Sel- tenheiten gehört, aber es kam mir doch zu komiſch vor, mich an der Grenze des Schwabenalters von neuem den Anbetern der Tarantel zuzugeſellen. II est vrai que la fortune m’a souvent envoyé prome- ner, mais danser — c’est trop fort!
Die Marquiſe erzählte mir hierauf von einem ihrer anweſenden Verwandten, dem Chef eines Highlander Clans, mit einem Namen, ſo lang als ein ſpaniſcher, Nachkommen der Könige der Inſeln, und ſtolz wie Holofernes auf tauſendjährigen Adel, der meine Be- kanntſchaft zu machen wünſche. Ich konnte mir nur zu der ſeinigen gratuliren, da ich den Mann ganz ſo fand, wie Walter Scott ſeine hochländiſchen Roma- nen-Figuren ſchildert. Ein ächter Schotte, mit Leib und Seele an Vorfahren und alten Gebräuchen hän- gend, mit großer Geringſchätzung für die Engländer,
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ter fand ich endlich einen Bekannten, der mich mit
mehreren ſehr hübſchen jungen Mädchen bekannt mach-
te, unter denen ſich ganz beſonders Miß W …, eine
Niece des Lord E … auszeichnete, die in Deutſch-
land erzogen, und mehr Deutſche als Engländerin iſt,
was ihr in meinen Augen nur vortheilhaft ſeyn konnte.
Sie war bei weitem die hübſcheſte und grazieuſeſte
auf dem Balle, ſo daß ich mich beinahe wieder zum
Tanzen verſtanden hätte, obgleich ich aus Eitelkeit
(denn ich tanzte immer ſchlecht) ſeit vielen Jahren die-
ſem ſogenannten Vergnügen entfremdet war. Hier
hätte ich es nun wohl wagen können, da man, Gott
weiß es, nirgends ungeſchickter herumſpringt, und na-
mentlich ein Walzender im Takt zu den wahren Sel-
tenheiten gehört, aber es kam mir doch zu komiſch
vor, mich an der Grenze des Schwabenalters von
neuem den Anbetern der Tarantel zuzugeſellen. II
est vrai que la fortune m’a souvent envoyé prome-
ner, mais danser — c’est trop fort!
Die Marquiſe erzählte mir hierauf von einem ihrer
anweſenden Verwandten, dem Chef eines Highlander
Clans, mit einem Namen, ſo lang als ein ſpaniſcher,
Nachkommen der Könige der Inſeln, und ſtolz wie
Holofernes auf tauſendjährigen Adel, der meine Be-
kanntſchaft zu machen wünſche. Ich konnte mir nur
zu der ſeinigen gratuliren, da ich den Mann ganz ſo
fand, wie Walter Scott ſeine hochländiſchen Roma-
nen-Figuren ſchildert. Ein ächter Schotte, mit Leib
und Seele an Vorfahren und alten Gebräuchen hän-
gend, mit großer Geringſchätzung für die Engländer,
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/406>, abgerufen am 23.11.2024.
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