viel Freiheit. Das junge Mädchen quaestionis war erst 17 Jahr alt, aber schon in Paris polirt.
Als ich zu Haus kam, fand ich zu meiner nicht geringen Ueberraschung einen Brief von dem unglück- seligen R.., der abermals nach Harwich zurückver- schlagen worden, und in Verzweiflung um Geld und Hülfe fleht, denn wider meinen Willen hat er, was ich erst jetzt erfahre, den ihm vorgeschriebenen Weg über Calais doch nicht eingeschlagen. Diese Irrfahr- ten des Garten-Odysseus sind eben so lächerlich als unangenehm, und Du wirst gewiß längst glauben, daß der Abentheurer malgre lui von den Fischen ver- speist worden ist. Ich erinnere mich immer noch leb- haft, daß ich vor 12 Jahren, auch um diese Zeit, mich nach Hamburg einschiffen wollte, mein alter französischer Kammerdiener rieth mir aber glücklich davon ab, denn, wie er sich seltsam ausdrückte: "dans ces tems ci il y a toujours quelques equinoxes dangereuses, qui peuvent devenir funestes!" und richtig, das Fahrzeug litt Schiffbruch, und Mehrere verloren ihr Leben dabei.
London, den 17ten.
Honneur a Sir Temple! Dein von ihm besorgter Brief ist in 10 Tagen hergekommen, während die durch unsre Diplomatie gegangenen drei Wochen un- terwegs blieben. Sage ihm meinen besten Dank. Herzlich habe ich über alle Nachrichten gelacht, die mir H. so launig meldet. Der kleine Criminalrath, den die Spötter le rat criminel nennen, der Ren-
viel Freiheit. Das junge Mädchen quaestionis war erſt 17 Jahr alt, aber ſchon in Paris polirt.
Als ich zu Haus kam, fand ich zu meiner nicht geringen Ueberraſchung einen Brief von dem unglück- ſeligen R.., der abermals nach Harwich zurückver- ſchlagen worden, und in Verzweiflung um Geld und Hülfe fleht, denn wider meinen Willen hat er, was ich erſt jetzt erfahre, den ihm vorgeſchriebenen Weg über Calais doch nicht eingeſchlagen. Dieſe Irrfahr- ten des Garten-Odyſſeus ſind eben ſo lächerlich als unangenehm, und Du wirſt gewiß längſt glauben, daß der Abentheurer malgré lui von den Fiſchen ver- ſpeist worden iſt. Ich erinnere mich immer noch leb- haft, daß ich vor 12 Jahren, auch um dieſe Zeit, mich nach Hamburg einſchiffen wollte, mein alter franzöſiſcher Kammerdiener rieth mir aber glücklich davon ab, denn, wie er ſich ſeltſam ausdrückte: „dans ces tems ci il y a toujours quelques equinoxes dangereuses, qui peuvent devenir funestes!“ und richtig, das Fahrzeug litt Schiffbruch, und Mehrere verloren ihr Leben dabei.
London, den 17ten.
Honneur à Sir Temple! Dein von ihm beſorgter Brief iſt in 10 Tagen hergekommen, während die durch unſre Diplomatie gegangenen drei Wochen un- terwegs blieben. Sage ihm meinen beſten Dank. Herzlich habe ich über alle Nachrichten gelacht, die mir H. ſo launig meldet. Der kleine Criminalrath, den die Spötter le rat criminel nennen, der Ren-
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viel Freiheit. Das junge Mädchen quaestionis war
erſt 17 Jahr alt, aber ſchon in Paris polirt.
Als ich zu Haus kam, fand ich zu meiner nicht
geringen Ueberraſchung einen Brief von dem unglück-
ſeligen R.., der abermals nach Harwich zurückver-
ſchlagen worden, und in Verzweiflung um Geld und
Hülfe fleht, denn wider meinen Willen hat er, was
ich erſt jetzt erfahre, den ihm vorgeſchriebenen Weg
über Calais doch nicht eingeſchlagen. Dieſe Irrfahr-
ten des Garten-Odyſſeus ſind eben ſo lächerlich als
unangenehm, und Du wirſt gewiß längſt glauben,
daß der Abentheurer malgré lui von den Fiſchen ver-
ſpeist worden iſt. Ich erinnere mich immer noch leb-
haft, daß ich vor 12 Jahren, auch um dieſe Zeit,
mich nach Hamburg einſchiffen wollte, mein alter
franzöſiſcher Kammerdiener rieth mir aber glücklich
davon ab, denn, wie er ſich ſeltſam ausdrückte:
„dans ces tems ci il y a toujours quelques equinoxes
dangereuses, qui peuvent devenir funestes!“ und
richtig, das Fahrzeug litt Schiffbruch, und Mehrere
verloren ihr Leben dabei.
London, den 17ten.
Honneur à Sir Temple! Dein von ihm beſorgter
Brief iſt in 10 Tagen hergekommen, während die
durch unſre Diplomatie gegangenen drei Wochen un-
terwegs blieben. Sage ihm meinen beſten Dank.
Herzlich habe ich über alle Nachrichten gelacht, die
mir H. ſo launig meldet. Der kleine Criminalrath,
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/422>, abgerufen am 24.11.2024.
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