Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

viel höchst Wichtiges zu Tage gefördert, doch sind wir
Beide, gute Julie, zu unwissend in demselben, um
daß ich Dich mit weitern Details darüber langweilen
sollte. Doch Eins interessirt Dich vielleicht. Er er-
zählte von einem Caschemir-Shawl Typo Saybs, in
Gold und allen Farben gewirkt, der 1000 £. St. werth,
und zehn Ellen lang gewesen sey, ein Gegenstand, der
allerdings eine weibliche Phantasie in Feuer setzen
kann.

Abends sah ich noch ein wunderschönes Gemälde.
Eine Venus von Titian, nur mit ihren Reizen beklei-
det, wollüstig auf weiche Küssen hingegossen. Ein
süßer Traum schien sie krampfhaft zu durchzucken,
und mit den kleinen Händen bewahrte sie sich gleich
der im Bade überraschten Venus.

Ich habe in meinem Leben nichts Schöneres gese-
hen, als dieses himmlische Wesen, höchst vortheilhaft
von einem auflodernden Kaminfeuer beleuchtet, und
das grelle Licht sanft durch den halb herabgezogenen
Vorhang gedämpft. So weiß wie Schnee erschienen
dahinter die schönen Glieder, auch nicht der leiseste
Fehler war an dem üppigen, elastischen Körper zu ent-
decken, den eine Fülle brauner Locken umfloß, welche
die Rosenknospen des jungfräulichen Busens nur wie
verstohlen durchschimmern ließen. Die zarteste Hand,
ein allerliebster Fuß, den kein zu enger Schuh ver-
unstaltet hatte, Lippen zum Kusse geschaffen, und ein
schmachtendes blasses Gesicht mit griechischen Zügen,
das, waren auch die Augen geschlossen, doch durch ein
schmerzlich süßes Lächeln hinreißend belebt wurde --

viel höchſt Wichtiges zu Tage gefördert, doch ſind wir
Beide, gute Julie, zu unwiſſend in demſelben, um
daß ich Dich mit weitern Details darüber langweilen
ſollte. Doch Eins intereſſirt Dich vielleicht. Er er-
zählte von einem Caſchemir-Shawl Typo Saybs, in
Gold und allen Farben gewirkt, der 1000 £. St. werth,
und zehn Ellen lang geweſen ſey, ein Gegenſtand, der
allerdings eine weibliche Phantaſie in Feuer ſetzen
kann.

Abends ſah ich noch ein wunderſchönes Gemälde.
Eine Venus von Titian, nur mit ihren Reizen beklei-
det, wollüſtig auf weiche Küſſen hingegoſſen. Ein
ſüßer Traum ſchien ſie krampfhaft zu durchzucken,
und mit den kleinen Händen bewahrte ſie ſich gleich
der im Bade überraſchten Venus.

Ich habe in meinem Leben nichts Schöneres geſe-
hen, als dieſes himmliſche Weſen, höchſt vortheilhaft
von einem auflodernden Kaminfeuer beleuchtet, und
das grelle Licht ſanft durch den halb herabgezogenen
Vorhang gedämpft. So weiß wie Schnee erſchienen
dahinter die ſchönen Glieder, auch nicht der leiſeſte
Fehler war an dem üppigen, elaſtiſchen Körper zu ent-
decken, den eine Fülle brauner Locken umfloß, welche
die Roſenknoſpen des jungfräulichen Buſens nur wie
verſtohlen durchſchimmern ließen. Die zarteſte Hand,
ein allerliebſter Fuß, den kein zu enger Schuh ver-
unſtaltet hatte, Lippen zum Kuſſe geſchaffen, und ein
ſchmachtendes blaſſes Geſicht mit griechiſchen Zügen,
das, waren auch die Augen geſchloſſen, doch durch ein
ſchmerzlich ſüßes Lächeln hinreißend belebt wurde —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0457" n="411"/>
viel höch&#x017F;t Wichtiges zu Tage gefördert, doch &#x017F;ind wir<lb/>
Beide, gute Julie, zu unwi&#x017F;&#x017F;end in dem&#x017F;elben, um<lb/>
daß ich Dich mit weitern Details darüber langweilen<lb/>
&#x017F;ollte. Doch Eins intere&#x017F;&#x017F;irt Dich vielleicht. Er er-<lb/>
zählte von einem Ca&#x017F;chemir-Shawl <hi rendition="#aq">Typo Saybs,</hi> in<lb/>
Gold und allen Farben gewirkt, der 1000 £. St. werth,<lb/>
und zehn Ellen lang gewe&#x017F;en &#x017F;ey, ein Gegen&#x017F;tand, der<lb/>
allerdings eine weibliche Phanta&#x017F;ie in Feuer &#x017F;etzen<lb/>
kann.</p><lb/>
          <p>Abends &#x017F;ah ich noch ein wunder&#x017F;chönes Gemälde.<lb/>
Eine Venus von Titian, nur mit ihren Reizen beklei-<lb/>
det, wollü&#x017F;tig auf weiche Kü&#x017F;&#x017F;en hingego&#x017F;&#x017F;en. Ein<lb/>
&#x017F;üßer Traum &#x017F;chien &#x017F;ie krampfhaft zu durchzucken,<lb/>
und mit den kleinen Händen bewahrte &#x017F;ie &#x017F;ich gleich<lb/>
der im Bade überra&#x017F;chten Venus.</p><lb/>
          <p>Ich habe in meinem Leben nichts Schöneres ge&#x017F;e-<lb/>
hen, als die&#x017F;es himmli&#x017F;che We&#x017F;en, höch&#x017F;t vortheilhaft<lb/>
von einem auflodernden Kaminfeuer beleuchtet, und<lb/>
das grelle Licht &#x017F;anft durch den halb herabgezogenen<lb/>
Vorhang gedämpft. So weiß wie Schnee er&#x017F;chienen<lb/>
dahinter die &#x017F;chönen Glieder, auch nicht der lei&#x017F;e&#x017F;te<lb/>
Fehler war an dem üppigen, ela&#x017F;ti&#x017F;chen Körper zu ent-<lb/>
decken, den eine Fülle brauner Locken umfloß, welche<lb/>
die Ro&#x017F;enkno&#x017F;pen des jungfräulichen Bu&#x017F;ens nur wie<lb/>
ver&#x017F;tohlen durch&#x017F;chimmern ließen. Die zarte&#x017F;te Hand,<lb/>
ein allerlieb&#x017F;ter Fuß, den kein zu enger Schuh ver-<lb/>
un&#x017F;taltet hatte, Lippen zum Ku&#x017F;&#x017F;e ge&#x017F;chaffen, und ein<lb/>
&#x017F;chmachtendes bla&#x017F;&#x017F;es Ge&#x017F;icht mit griechi&#x017F;chen Zügen,<lb/>
das, waren auch die Augen ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, doch durch ein<lb/>
&#x017F;chmerzlich &#x017F;üßes Lächeln hinreißend belebt wurde &#x2014;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0457] viel höchſt Wichtiges zu Tage gefördert, doch ſind wir Beide, gute Julie, zu unwiſſend in demſelben, um daß ich Dich mit weitern Details darüber langweilen ſollte. Doch Eins intereſſirt Dich vielleicht. Er er- zählte von einem Caſchemir-Shawl Typo Saybs, in Gold und allen Farben gewirkt, der 1000 £. St. werth, und zehn Ellen lang geweſen ſey, ein Gegenſtand, der allerdings eine weibliche Phantaſie in Feuer ſetzen kann. Abends ſah ich noch ein wunderſchönes Gemälde. Eine Venus von Titian, nur mit ihren Reizen beklei- det, wollüſtig auf weiche Küſſen hingegoſſen. Ein ſüßer Traum ſchien ſie krampfhaft zu durchzucken, und mit den kleinen Händen bewahrte ſie ſich gleich der im Bade überraſchten Venus. Ich habe in meinem Leben nichts Schöneres geſe- hen, als dieſes himmliſche Weſen, höchſt vortheilhaft von einem auflodernden Kaminfeuer beleuchtet, und das grelle Licht ſanft durch den halb herabgezogenen Vorhang gedämpft. So weiß wie Schnee erſchienen dahinter die ſchönen Glieder, auch nicht der leiſeſte Fehler war an dem üppigen, elaſtiſchen Körper zu ent- decken, den eine Fülle brauner Locken umfloß, welche die Roſenknoſpen des jungfräulichen Buſens nur wie verſtohlen durchſchimmern ließen. Die zarteſte Hand, ein allerliebſter Fuß, den kein zu enger Schuh ver- unſtaltet hatte, Lippen zum Kuſſe geſchaffen, und ein ſchmachtendes blaſſes Geſicht mit griechiſchen Zügen, das, waren auch die Augen geſchloſſen, doch durch ein ſchmerzlich ſüßes Lächeln hinreißend belebt wurde —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/457
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 3. Stuttgart, 1831, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe03_1831/457>, abgerufen am 21.11.2024.