daß alle großen Staatsmänner das Organ der Even- tualität im hohen Grade besitzen, welches zugleich eine große Begierde in sich begreift, Alles zu wissen, was im Getreibe der Welt vorgeht, sich nur wohl im Geschäftsstrudel zu befinden, der daraus hervor- geht, stets bereit zu seyn, darin handelnd einzugrei- fen, keine Mühe dabei scheuend, und alle ihre Im- pulse nur von der äußern Wirklichkeit, nie von der innern Phantasie zu erhalten. An Cannings und noch mehr an Napoleons Gyps-Schädel zeigte Herr Deville Eventualität gigantisch vorherrschend, bei bei- den waren aber auch die andern intellektuellen Eigen- schaften sehr ausgebildet, bei Napoleon die animali- schen eben so kräftig, bei Canning mehr Phantasie und Kausalität.*)
Den 14ten.
Schon mehreremal habe ich den Architekten Herrn Nash besucht, dem ich viel Lehrreiches in meiner Kunst verdanke. Man sagt, daß er sich ein Vermö- gen von 500,000 L.St. im speziellen Sinne des Wortes "aufgebaut" habe. Er besitzt einige herrliche Land- sitze, und kein Künstler in der Stadt wohnt auch in dieser anmuthiger. Vor allen gefiel mir seine Biblio- thek.
*) Darum starb auch der Eine als Gefangener Europa's in Helena, der Andere vor Kummer über die Intriguen sei- ner Feinde im trauernden Vaterlande. A. d. H.
daß alle großen Staatsmänner das Organ der Even- tualität im hohen Grade beſitzen, welches zugleich eine große Begierde in ſich begreift, Alles zu wiſſen, was im Getreibe der Welt vorgeht, ſich nur wohl im Geſchäftsſtrudel zu befinden, der daraus hervor- geht, ſtets bereit zu ſeyn, darin handelnd einzugrei- fen, keine Mühe dabei ſcheuend, und alle ihre Im- pulſe nur von der äußern Wirklichkeit, nie von der innern Phantaſie zu erhalten. An Cannings und noch mehr an Napoleons Gyps-Schädel zeigte Herr Deville Eventualität gigantiſch vorherrſchend, bei bei- den waren aber auch die andern intellektuellen Eigen- ſchaften ſehr ausgebildet, bei Napoleon die animali- ſchen eben ſo kräftig, bei Canning mehr Phantaſie und Kauſalität.*)
Den 14ten.
Schon mehreremal habe ich den Architekten Herrn Naſh beſucht, dem ich viel Lehrreiches in meiner Kunſt verdanke. Man ſagt, daß er ſich ein Vermö- gen von 500,000 L.St. im ſpeziellen Sinne des Wortes „aufgebaut“ habe. Er beſitzt einige herrliche Land- ſitze, und kein Künſtler in der Stadt wohnt auch in dieſer anmuthiger. Vor allen gefiel mir ſeine Biblio- thek.
*) Darum ſtarb auch der Eine als Gefangener Europa’s in Helena, der Andere vor Kummer uͤber die Intriguen ſei- ner Feinde im trauernden Vaterlande. A. d. H.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0105"n="89"/>
daß alle großen Staatsmänner das Organ der Even-<lb/>
tualität im hohen Grade beſitzen, welches zugleich<lb/>
eine große Begierde in ſich begreift, Alles zu wiſſen,<lb/>
was im Getreibe der Welt vorgeht, ſich nur wohl<lb/>
im Geſchäftsſtrudel zu befinden, der daraus hervor-<lb/>
geht, ſtets bereit zu ſeyn, darin handelnd einzugrei-<lb/>
fen, keine Mühe dabei ſcheuend, und alle ihre Im-<lb/>
pulſe nur von der äußern Wirklichkeit, nie von der<lb/>
innern Phantaſie zu erhalten. An Cannings und<lb/>
noch mehr an Napoleons Gyps-Schädel zeigte Herr<lb/>
Deville Eventualität gigantiſch vorherrſchend, bei bei-<lb/>
den waren aber auch die andern intellektuellen Eigen-<lb/>ſchaften ſehr ausgebildet, bei Napoleon die animali-<lb/>ſchen eben ſo kräftig, bei Canning mehr Phantaſie<lb/>
und Kauſalität.<noteplace="foot"n="*)">Darum ſtarb auch der Eine als Gefangener Europa’s in<lb/>
Helena, der Andere vor Kummer uͤber die Intriguen ſei-<lb/>
ner Feinde im trauernden Vaterlande. <hirendition="#et">A. d. H.</hi></note></p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 14ten.</hi></dateline></opener><lb/><p>Schon mehreremal habe ich den Architekten Herrn<lb/>
Naſh beſucht, dem ich viel Lehrreiches in <hirendition="#g">meiner</hi><lb/>
Kunſt verdanke. Man ſagt, daß er ſich ein Vermö-<lb/>
gen von 500,000 L.St. im ſpeziellen Sinne des Wortes<lb/>„aufgebaut“ habe. Er beſitzt einige herrliche Land-<lb/>ſitze, und kein Künſtler in der Stadt wohnt auch in<lb/>
dieſer anmuthiger. Vor allen gefiel mir ſeine Biblio-<lb/>
thek.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[89/0105]
daß alle großen Staatsmänner das Organ der Even-
tualität im hohen Grade beſitzen, welches zugleich
eine große Begierde in ſich begreift, Alles zu wiſſen,
was im Getreibe der Welt vorgeht, ſich nur wohl
im Geſchäftsſtrudel zu befinden, der daraus hervor-
geht, ſtets bereit zu ſeyn, darin handelnd einzugrei-
fen, keine Mühe dabei ſcheuend, und alle ihre Im-
pulſe nur von der äußern Wirklichkeit, nie von der
innern Phantaſie zu erhalten. An Cannings und
noch mehr an Napoleons Gyps-Schädel zeigte Herr
Deville Eventualität gigantiſch vorherrſchend, bei bei-
den waren aber auch die andern intellektuellen Eigen-
ſchaften ſehr ausgebildet, bei Napoleon die animali-
ſchen eben ſo kräftig, bei Canning mehr Phantaſie
und Kauſalität. *)
Den 14ten.
Schon mehreremal habe ich den Architekten Herrn
Naſh beſucht, dem ich viel Lehrreiches in meiner
Kunſt verdanke. Man ſagt, daß er ſich ein Vermö-
gen von 500,000 L.St. im ſpeziellen Sinne des Wortes
„aufgebaut“ habe. Er beſitzt einige herrliche Land-
ſitze, und kein Künſtler in der Stadt wohnt auch in
dieſer anmuthiger. Vor allen gefiel mir ſeine Biblio-
thek.
*) Darum ſtarb auch der Eine als Gefangener Europa’s in
Helena, der Andere vor Kummer uͤber die Intriguen ſei-
ner Feinde im trauernden Vaterlande. A. d. H.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/105>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.