Canning ist todt! Ein Mann in der Fülle der geistigen Kraft, seit wenigen Wochen erst am Ziel seines thätigen Lebens angelangt, endlich der Regie- rer Englands und dadurch ohne Zweifel der einfluß- reichste Mann in Europa, mit einem Feuergeiste be- gabt, der diese Zügel mit mächtiger Hand zu führen wußte, und einer Seele, die das Wohl der Mensch- heit von einem noch höhern Standpunkte zu umfas- sen fähig war. -- Ein Schlag hat dieses stolze Ge- bäude vieler Jahre zertrümmert, und enden mußte der kühne Mann, wie ein Verbrecher -- plötzlich, tragisch, unter den fürchterlichsten Leiden, das Opfer einer unbarmherzigen Natur, die mit eisernem Fuße fort und fort niedertritt, was in ihren Weg kömmt, unbekümmert, ob sie die junge Saat, die schwellende Blüthe, den königlichen Baum, oder die schon hin- sterbende Pflanze zerknickt.
Was werden die Folgen dieses Todes seyn? In Jahren werden sie erst klar werden, und vielleicht eine Auflösung beschleunigen, die uns in vielen Din- gen droht, und der nur ein großartiger, aufgeklär- ter Staatsmann, wie Canning es war, Einheit und günstige Richtung zu geben im Stande seyn möchte. Vielleicht wird grade die Parthei, die jetzt so unan- ständig und gefühllos über seinen frühen Tod trium- phirt, durch diesen Tod die erste ernstlich gefährdete werden, denn nicht mit Unrecht hat Lord Chester- field vor langer Zeit mit prophetischem Sinne ge- sagt: Je prevois que dans cent ans d'ici les me-
Den 8ten.
Canning iſt todt! Ein Mann in der Fülle der geiſtigen Kraft, ſeit wenigen Wochen erſt am Ziel ſeines thätigen Lebens angelangt, endlich der Regie- rer Englands und dadurch ohne Zweifel der einfluß- reichſte Mann in Europa, mit einem Feuergeiſte be- gabt, der dieſe Zügel mit mächtiger Hand zu führen wußte, und einer Seele, die das Wohl der Menſch- heit von einem noch höhern Standpunkte zu umfaſ- ſen fähig war. — Ein Schlag hat dieſes ſtolze Ge- bäude vieler Jahre zertrümmert, und enden mußte der kühne Mann, wie ein Verbrecher — plötzlich, tragiſch, unter den fürchterlichſten Leiden, das Opfer einer unbarmherzigen Natur, die mit eiſernem Fuße fort und fort niedertritt, was in ihren Weg kömmt, unbekümmert, ob ſie die junge Saat, die ſchwellende Blüthe, den königlichen Baum, oder die ſchon hin- ſterbende Pflanze zerknickt.
Was werden die Folgen dieſes Todes ſeyn? In Jahren werden ſie erſt klar werden, und vielleicht eine Auflöſung beſchleunigen, die uns in vielen Din- gen droht, und der nur ein großartiger, aufgeklär- ter Staatsmann, wie Canning es war, Einheit und günſtige Richtung zu geben im Stande ſeyn möchte. Vielleicht wird grade die Parthei, die jetzt ſo unan- ſtändig und gefühllos über ſeinen frühen Tod trium- phirt, durch dieſen Tod die erſte ernſtlich gefährdete werden, denn nicht mit Unrecht hat Lord Cheſter- field vor langer Zeit mit prophetiſchem Sinne ge- ſagt: Je prevois que dans cent ans d’ici les me-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0143"n="127"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 8ten.</hi></dateline></opener><lb/><p>Canning iſt todt! Ein Mann in der Fülle der<lb/>
geiſtigen Kraft, ſeit wenigen Wochen erſt am Ziel<lb/>ſeines thätigen Lebens angelangt, endlich der Regie-<lb/>
rer Englands und dadurch ohne Zweifel der einfluß-<lb/>
reichſte Mann in Europa, mit einem Feuergeiſte be-<lb/>
gabt, der dieſe Zügel mit mächtiger Hand zu führen<lb/>
wußte, und einer Seele, die das Wohl der Menſch-<lb/>
heit von einem noch höhern Standpunkte zu umfaſ-<lb/>ſen fähig war. —<hirendition="#g">Ein</hi> Schlag hat dieſes ſtolze Ge-<lb/>
bäude vieler Jahre zertrümmert, und enden mußte<lb/>
der kühne Mann, wie ein Verbrecher — plötzlich,<lb/>
tragiſch, unter den fürchterlichſten Leiden, das Opfer<lb/>
einer unbarmherzigen Natur, die mit eiſernem Fuße<lb/>
fort und fort niedertritt, was in ihren Weg kömmt,<lb/>
unbekümmert, ob ſie die junge Saat, die ſchwellende<lb/>
Blüthe, den königlichen Baum, oder die ſchon hin-<lb/>ſterbende Pflanze zerknickt.</p><lb/><p>Was werden die Folgen dieſes Todes ſeyn? In<lb/>
Jahren werden ſie erſt klar werden, und vielleicht<lb/>
eine Auflöſung beſchleunigen, die uns in vielen Din-<lb/>
gen droht, und der nur ein großartiger, aufgeklär-<lb/>
ter Staatsmann, wie Canning es war, Einheit <hirendition="#g">und</hi><lb/>
günſtige Richtung zu geben im Stande ſeyn möchte.<lb/>
Vielleicht wird grade die Parthei, die jetzt ſo unan-<lb/>ſtändig und gefühllos über ſeinen frühen Tod trium-<lb/>
phirt, durch dieſen Tod die erſte ernſtlich gefährdete<lb/>
werden, denn nicht mit Unrecht hat Lord Cheſter-<lb/>
field vor langer Zeit mit prophetiſchem Sinne ge-<lb/>ſagt: <hirendition="#aq">Je prevois que dans cent ans d’ici les me-<lb/></hi></p></div></div></body></text></TEI>
[127/0143]
Den 8ten.
Canning iſt todt! Ein Mann in der Fülle der
geiſtigen Kraft, ſeit wenigen Wochen erſt am Ziel
ſeines thätigen Lebens angelangt, endlich der Regie-
rer Englands und dadurch ohne Zweifel der einfluß-
reichſte Mann in Europa, mit einem Feuergeiſte be-
gabt, der dieſe Zügel mit mächtiger Hand zu führen
wußte, und einer Seele, die das Wohl der Menſch-
heit von einem noch höhern Standpunkte zu umfaſ-
ſen fähig war. — Ein Schlag hat dieſes ſtolze Ge-
bäude vieler Jahre zertrümmert, und enden mußte
der kühne Mann, wie ein Verbrecher — plötzlich,
tragiſch, unter den fürchterlichſten Leiden, das Opfer
einer unbarmherzigen Natur, die mit eiſernem Fuße
fort und fort niedertritt, was in ihren Weg kömmt,
unbekümmert, ob ſie die junge Saat, die ſchwellende
Blüthe, den königlichen Baum, oder die ſchon hin-
ſterbende Pflanze zerknickt.
Was werden die Folgen dieſes Todes ſeyn? In
Jahren werden ſie erſt klar werden, und vielleicht
eine Auflöſung beſchleunigen, die uns in vielen Din-
gen droht, und der nur ein großartiger, aufgeklär-
ter Staatsmann, wie Canning es war, Einheit und
günſtige Richtung zu geben im Stande ſeyn möchte.
Vielleicht wird grade die Parthei, die jetzt ſo unan-
ſtändig und gefühllos über ſeinen frühen Tod trium-
phirt, durch dieſen Tod die erſte ernſtlich gefährdete
werden, denn nicht mit Unrecht hat Lord Cheſter-
field vor langer Zeit mit prophetiſchem Sinne ge-
ſagt: Je prevois que dans cent ans d’ici les me-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/143>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.