Schlosse vorfuhr, der Besitzer Graf Harewood (Ha- senwald im Deutschen) mit seiner Meute von 100 Hunden, seinen rothgekleideten Piqueurs und einer Menge muthiger Jagdpferde, den Bergabhang herab, über die Wiesen, vom Fuchsjagen zurückkam. Es war nicht zu vermeiden, ihm entgegen zu gehen, um die Ursache meines Hierseyns zu erklären. Ich fand einen großen schönen Mann von außerordentlich ein- nehmendem Aeußern, in Gestalt und Benehmen noch jung und rüstig, an Jahren aber, was man sich sa- gen lassen mußte, um es zu glauben, schon ein Fünf- undsechziger. Er empfing mich auf's Höflichste, sagte, daß er das Vergnügen gehabt habe, mich mehrmals in London zu sehen (je n'en savois pas un mot) und bat mich, zu erlauben, daß er mir selbst seine Be- sitzungen zeige. So sehr ich dies nach seiner Fatigue auf der Fuchsjagd (bei einer solchen pflegt man ge- wöhnlich 5 -- 6 deutsche Meilen im Gallop zu jagen und während dem 50--60 Sprünge über Hecken und Gräben zu machen) ablehnte, half mein Sträuben doch nichts, und der alte Mann begleitete mich, berg- auf, bergab, über den größten Theil seiner fürstlichen Domaine. Was mich, als mir neu, diesmal am mei- sten interessirte, waren die Hundeställe. 150 Stück Hunde fand ich dort in zwei sehr reinlichen Sälen, jeder Saal mit einer großen Bettstelle versehen, auf der 75 Stück Hunde schlafen. Jeder der Säle hat vorn seinen eignen Zwinger. Nirgends spürte man den mindesten üblen Geruch, noch bemerkte man die kleinste Unreinlichkeit. In jedem Zwinger befand sich ein
Schloſſe vorfuhr, der Beſitzer Graf Harewood (Ha- ſenwald im Deutſchen) mit ſeiner Meute von 100 Hunden, ſeinen rothgekleideten Piqueurs und einer Menge muthiger Jagdpferde, den Bergabhang herab, über die Wieſen, vom Fuchsjagen zurückkam. Es war nicht zu vermeiden, ihm entgegen zu gehen, um die Urſache meines Hierſeyns zu erklären. Ich fand einen großen ſchönen Mann von außerordentlich ein- nehmendem Aeußern, in Geſtalt und Benehmen noch jung und rüſtig, an Jahren aber, was man ſich ſa- gen laſſen mußte, um es zu glauben, ſchon ein Fünf- undſechziger. Er empfing mich auf’s Höflichſte, ſagte, daß er das Vergnügen gehabt habe, mich mehrmals in London zu ſehen (je n’en savois pas un mot) und bat mich, zu erlauben, daß er mir ſelbſt ſeine Be- ſitzungen zeige. So ſehr ich dies nach ſeiner Fatigue auf der Fuchsjagd (bei einer ſolchen pflegt man ge- wöhnlich 5 — 6 deutſche Meilen im Gallop zu jagen und während dem 50—60 Sprünge über Hecken und Gräben zu machen) ablehnte, half mein Sträuben doch nichts, und der alte Mann begleitete mich, berg- auf, bergab, über den größten Theil ſeiner fürſtlichen Domaine. Was mich, als mir neu, diesmal am mei- ſten intereſſirte, waren die Hundeſtälle. 150 Stück Hunde fand ich dort in zwei ſehr reinlichen Sälen, jeder Saal mit einer großen Bettſtelle verſehen, auf der 75 Stück Hunde ſchlafen. Jeder der Säle hat vorn ſeinen eignen Zwinger. Nirgends ſpürte man den mindeſten üblen Geruch, noch bemerkte man die kleinſte Unreinlichkeit. In jedem Zwinger befand ſich ein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0236"n="220"/>
Schloſſe vorfuhr, der Beſitzer Graf Harewood (Ha-<lb/>ſenwald im Deutſchen) mit ſeiner Meute von 100<lb/>
Hunden, ſeinen rothgekleideten Piqueurs und einer<lb/>
Menge muthiger Jagdpferde, den Bergabhang herab,<lb/>
über die Wieſen, vom Fuchsjagen zurückkam. Es<lb/>
war nicht zu vermeiden, ihm entgegen zu gehen, um<lb/>
die Urſache meines Hierſeyns zu erklären. Ich fand<lb/>
einen großen ſchönen Mann von außerordentlich ein-<lb/>
nehmendem Aeußern, in Geſtalt und Benehmen noch<lb/>
jung und rüſtig, an Jahren aber, was man ſich ſa-<lb/>
gen laſſen mußte, um es zu glauben, ſchon ein Fünf-<lb/>
undſechziger. Er empfing mich auf’s Höflichſte, ſagte,<lb/>
daß er das Vergnügen gehabt habe, mich mehrmals<lb/>
in London zu ſehen <hirendition="#aq">(je n’en savois pas un mot)</hi> und<lb/>
bat mich, zu erlauben, daß er mir ſelbſt ſeine Be-<lb/>ſitzungen zeige. So ſehr ich dies nach ſeiner Fatigue<lb/>
auf der Fuchsjagd (bei einer ſolchen pflegt man ge-<lb/>
wöhnlich 5 — 6 deutſche Meilen im Gallop zu jagen<lb/>
und während dem 50—60 Sprünge über Hecken und<lb/>
Gräben zu machen) ablehnte, half mein Sträuben<lb/>
doch nichts, und der alte Mann begleitete mich, berg-<lb/>
auf, bergab, über den größten Theil ſeiner fürſtlichen<lb/>
Domaine. Was mich, als mir neu, diesmal am mei-<lb/>ſten intereſſirte, waren die Hundeſtälle. 150 Stück<lb/>
Hunde fand ich dort in zwei ſehr reinlichen Sälen,<lb/>
jeder Saal mit einer großen Bettſtelle verſehen, auf<lb/>
der 75 Stück Hunde ſchlafen. Jeder der Säle hat vorn<lb/>ſeinen eignen Zwinger. Nirgends ſpürte man den<lb/>
mindeſten üblen Geruch, noch bemerkte man die kleinſte<lb/>
Unreinlichkeit. In jedem Zwinger befand ſich ein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[220/0236]
Schloſſe vorfuhr, der Beſitzer Graf Harewood (Ha-
ſenwald im Deutſchen) mit ſeiner Meute von 100
Hunden, ſeinen rothgekleideten Piqueurs und einer
Menge muthiger Jagdpferde, den Bergabhang herab,
über die Wieſen, vom Fuchsjagen zurückkam. Es
war nicht zu vermeiden, ihm entgegen zu gehen, um
die Urſache meines Hierſeyns zu erklären. Ich fand
einen großen ſchönen Mann von außerordentlich ein-
nehmendem Aeußern, in Geſtalt und Benehmen noch
jung und rüſtig, an Jahren aber, was man ſich ſa-
gen laſſen mußte, um es zu glauben, ſchon ein Fünf-
undſechziger. Er empfing mich auf’s Höflichſte, ſagte,
daß er das Vergnügen gehabt habe, mich mehrmals
in London zu ſehen (je n’en savois pas un mot) und
bat mich, zu erlauben, daß er mir ſelbſt ſeine Be-
ſitzungen zeige. So ſehr ich dies nach ſeiner Fatigue
auf der Fuchsjagd (bei einer ſolchen pflegt man ge-
wöhnlich 5 — 6 deutſche Meilen im Gallop zu jagen
und während dem 50—60 Sprünge über Hecken und
Gräben zu machen) ablehnte, half mein Sträuben
doch nichts, und der alte Mann begleitete mich, berg-
auf, bergab, über den größten Theil ſeiner fürſtlichen
Domaine. Was mich, als mir neu, diesmal am mei-
ſten intereſſirte, waren die Hundeſtälle. 150 Stück
Hunde fand ich dort in zwei ſehr reinlichen Sälen,
jeder Saal mit einer großen Bettſtelle verſehen, auf
der 75 Stück Hunde ſchlafen. Jeder der Säle hat vorn
ſeinen eignen Zwinger. Nirgends ſpürte man den
mindeſten üblen Geruch, noch bemerkte man die kleinſte
Unreinlichkeit. In jedem Zwinger befand ſich ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/236>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.