dienten in weißen Gla cehandschuhen, was mir das Fest verleidete, da ich mich von dem Gedanken an Lazareth und Kr. ... dabei nicht los machen konnte.
Reichhaltiger in geistiger Hinsicht war meine gestrige Mittagsmahlzeit bei'm Herzog von Sommersett, ei- nem sehr vielseitig gebildeten Manne. Ueber Tisch erzählte der bekannte Parlamentsredner H ... selt- same Dinge. Unter andern versicherte er, kürzlich Mitglied einer Commission der Regierung gewesen zu seyn, um die Einverständnisse der Polizei mit den Verbrechern, über die man so viel geklagt, zu er- gründen. Dabei sey denn berausgekommen, daß in London eine Gesellschaft, völlig wie eine Behörde or- ganisirt, mit bureaux Clerks etc. existire, welche Dieb- stähle und Falschmünzerei im Großen dirigire, die Ertappten unterstütze, sowohl zu Angriff als Verthei- digung mächtige Hülfe gewähre, dafür aber auch ihren bestimmten Antheil erhielte. An der Spitze stünden nicht nur mehrere angesehene Leute und Parlaments- glieder, sondern sogar ein wohlbekannter Lord und Pair im Oberhause! Die Beweise wären der Art, daß man durchaus nicht daran zwei- feln könne, das Ministerium sey aber bis jetzt der Meinung, um den entsetzlichen Skandal zu vermeiden, die Sache lieber fallen zu lassen. Man sieht, daß in den freien Ländern doch auch Dinge vorgehen, von denen man sich bei uns nichts träumen läßt!
Ein Naturforscher theilte uns nachher eine Vorle- sung über die Kröten mit, welche mir, jedes in sei- ner Sphäre, eben so seltsam als das vorhergehende
dienten in weißen Gla céhandſchuhen, was mir das Feſt verleidete, da ich mich von dem Gedanken an Lazareth und Kr. … dabei nicht los machen konnte.
Reichhaltiger in geiſtiger Hinſicht war meine geſtrige Mittagsmahlzeit bei’m Herzog von Sommerſett, ei- nem ſehr vielſeitig gebildeten Manne. Ueber Tiſch erzählte der bekannte Parlamentsredner H … ſelt- ſame Dinge. Unter andern verſicherte er, kürzlich Mitglied einer Commiſſion der Regierung geweſen zu ſeyn, um die Einverſtändniſſe der Polizei mit den Verbrechern, über die man ſo viel geklagt, zu er- gründen. Dabei ſey denn berausgekommen, daß in London eine Geſellſchaft, völlig wie eine Behörde or- ganiſirt, mit bureaux Clerks ꝛc. exiſtire, welche Dieb- ſtähle und Falſchmünzerei im Großen dirigire, die Ertappten unterſtütze, ſowohl zu Angriff als Verthei- digung mächtige Hülfe gewähre, dafür aber auch ihren beſtimmten Antheil erhielte. An der Spitze ſtünden nicht nur mehrere angeſehene Leute und Parlaments- glieder, ſondern ſogar ein wohlbekannter Lord und Pair im Oberhauſe! Die Beweiſe wären der Art, daß man durchaus nicht daran zwei- feln könne, das Miniſterium ſey aber bis jetzt der Meinung, um den entſetzlichen Skandal zu vermeiden, die Sache lieber fallen zu laſſen. Man ſieht, daß in den freien Ländern doch auch Dinge vorgehen, von denen man ſich bei uns nichts träumen läßt!
Ein Naturforſcher theilte uns nachher eine Vorle- ſung über die Kröten mit, welche mir, jedes in ſei- ner Sphäre, eben ſo ſeltſam als das vorhergehende
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0363"n="345"/>
dienten in weißen Gla c<hirendition="#aq">é</hi>handſchuhen, was mir das<lb/>
Feſt verleidete, da ich mich von dem Gedanken an<lb/>
Lazareth und Kr. … dabei nicht los machen konnte.</p><lb/><p>Reichhaltiger in geiſtiger Hinſicht war meine geſtrige<lb/>
Mittagsmahlzeit bei’m Herzog von Sommerſett, ei-<lb/>
nem ſehr vielſeitig gebildeten Manne. Ueber Tiſch<lb/>
erzählte der bekannte Parlamentsredner H …ſelt-<lb/>ſame Dinge. Unter andern verſicherte er, kürzlich<lb/>
Mitglied einer Commiſſion der Regierung geweſen<lb/>
zu ſeyn, um die Einverſtändniſſe der Polizei mit den<lb/>
Verbrechern, über die man ſo viel geklagt, zu er-<lb/>
gründen. Dabei ſey denn berausgekommen, daß in<lb/>
London eine Geſellſchaft, völlig wie eine Behörde or-<lb/>
ganiſirt, mit <hirendition="#aq">bureaux Clerks</hi>ꝛc. exiſtire, welche Dieb-<lb/>ſtähle und Falſchmünzerei im Großen dirigire, die<lb/>
Ertappten unterſtütze, ſowohl zu Angriff als Verthei-<lb/>
digung mächtige Hülfe gewähre, dafür aber auch ihren<lb/>
beſtimmten Antheil erhielte. An der Spitze ſtünden<lb/>
nicht nur mehrere angeſehene Leute und <hirendition="#g">Parlaments-<lb/>
glieder</hi>, ſondern ſogar ein <hirendition="#g">wohlbekannter<lb/>
Lord und Pair im Oberhauſe</hi>! Die Beweiſe<lb/>
wären der Art, daß man durchaus nicht daran zwei-<lb/>
feln könne, das Miniſterium ſey aber bis jetzt der<lb/>
Meinung, um den entſetzlichen Skandal zu vermeiden,<lb/>
die Sache lieber fallen zu laſſen. Man ſieht, daß in<lb/>
den freien Ländern doch auch Dinge vorgehen, von<lb/>
denen man ſich bei uns nichts träumen läßt!</p><lb/><p>Ein Naturforſcher theilte uns nachher eine Vorle-<lb/>ſung über die Kröten mit, welche mir, jedes in ſei-<lb/>
ner Sphäre, eben ſo ſeltſam als das vorhergehende<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[345/0363]
dienten in weißen Gla céhandſchuhen, was mir das
Feſt verleidete, da ich mich von dem Gedanken an
Lazareth und Kr. … dabei nicht los machen konnte.
Reichhaltiger in geiſtiger Hinſicht war meine geſtrige
Mittagsmahlzeit bei’m Herzog von Sommerſett, ei-
nem ſehr vielſeitig gebildeten Manne. Ueber Tiſch
erzählte der bekannte Parlamentsredner H … ſelt-
ſame Dinge. Unter andern verſicherte er, kürzlich
Mitglied einer Commiſſion der Regierung geweſen
zu ſeyn, um die Einverſtändniſſe der Polizei mit den
Verbrechern, über die man ſo viel geklagt, zu er-
gründen. Dabei ſey denn berausgekommen, daß in
London eine Geſellſchaft, völlig wie eine Behörde or-
ganiſirt, mit bureaux Clerks ꝛc. exiſtire, welche Dieb-
ſtähle und Falſchmünzerei im Großen dirigire, die
Ertappten unterſtütze, ſowohl zu Angriff als Verthei-
digung mächtige Hülfe gewähre, dafür aber auch ihren
beſtimmten Antheil erhielte. An der Spitze ſtünden
nicht nur mehrere angeſehene Leute und Parlaments-
glieder, ſondern ſogar ein wohlbekannter
Lord und Pair im Oberhauſe! Die Beweiſe
wären der Art, daß man durchaus nicht daran zwei-
feln könne, das Miniſterium ſey aber bis jetzt der
Meinung, um den entſetzlichen Skandal zu vermeiden,
die Sache lieber fallen zu laſſen. Man ſieht, daß in
den freien Ländern doch auch Dinge vorgehen, von
denen man ſich bei uns nichts träumen läßt!
Ein Naturforſcher theilte uns nachher eine Vorle-
ſung über die Kröten mit, welche mir, jedes in ſei-
ner Sphäre, eben ſo ſeltſam als das vorhergehende
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/363>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.