sind mehrere, mit großen Wandspiegeln und Psyches dekorirt, fortwährend mit Anprobirenden besetzt, wo der Schneider Millionär selbst zehnmal ändert, ohne je Verdrießlichkeit darüber zu äußern.
Nachdem dem Fracke sein Recht angethan worden ist, setze ich meine Promenade fort, und komme an einen Fleischerladen, wo nicht nur das rohe Fleisch die schönsten Guirlanden, Pyramiden und andere phantasiereiche Formen bildet, und zierliche Eisbehäl- ter überall liebliche Kühle verbreiten, sondern auch noch hinter jedem Schinken ein Komödienzettel hängt, und auf den spiegelglatten Tischen die beliebtesten Zeitungen liegen.
Mit ihm wetteifert einige Häuser weiter der Händ- ler mit Seeungeheuern, der, wie König Fisch im Mährchen, zwischen Marmor und Springbrunnen sitzt, es aber doch schwerlich so weit bringen wird als sein berühmter College Crockford, der noch bessere als gewöhnliche Fische zu angeln verstanden hat. Es ist dies ein genialer Mann, der sich von einem armen Fischer zur Geißel und zugleich zum Liebling der vor- nehmen und reichen Welt hinaufgeschwungen hat. Er ist ein Spieler, der Millionen gewonnen, und damit jetzt einen Spielpalast in der Art des Salons in Pa- ris, aber mit einer asiatischen Pracht erbaut hat, die selbst die Königliche fast hinter sich läßt. Auch ist in dem jetzt wieder herrschenden Geschmack der Zeit Lud- wig XIV., verziert mit allen jenen geschmacklosen Schnörkeln, Uebermaß von Vergoldung, gehäufter Mischung von Stukkatur und Malerei u. s. w. eine
ſind mehrere, mit großen Wandſpiegeln und Pſychés dekorirt, fortwährend mit Anprobirenden beſetzt, wo der Schneider Millionär ſelbſt zehnmal ändert, ohne je Verdrießlichkeit darüber zu äußern.
Nachdem dem Fracke ſein Recht angethan worden iſt, ſetze ich meine Promenade fort, und komme an einen Fleiſcherladen, wo nicht nur das rohe Fleiſch die ſchönſten Guirlanden, Pyramiden und andere phantaſiereiche Formen bildet, und zierliche Eisbehäl- ter überall liebliche Kühle verbreiten, ſondern auch noch hinter jedem Schinken ein Komödienzettel hängt, und auf den ſpiegelglatten Tiſchen die beliebteſten Zeitungen liegen.
Mit ihm wetteifert einige Häuſer weiter der Händ- ler mit Seeungeheuern, der, wie König Fiſch im Mährchen, zwiſchen Marmor und Springbrunnen ſitzt, es aber doch ſchwerlich ſo weit bringen wird als ſein berühmter College Crockford, der noch beſſere als gewöhnliche Fiſche zu angeln verſtanden hat. Es iſt dies ein genialer Mann, der ſich von einem armen Fiſcher zur Geißel und zugleich zum Liebling der vor- nehmen und reichen Welt hinaufgeſchwungen hat. Er iſt ein Spieler, der Millionen gewonnen, und damit jetzt einen Spielpalaſt in der Art des Salons in Pa- ris, aber mit einer aſiatiſchen Pracht erbaut hat, die ſelbſt die Königliche faſt hinter ſich läßt. Auch iſt in dem jetzt wieder herrſchenden Geſchmack der Zeit Lud- wig XIV., verziert mit allen jenen geſchmackloſen Schnörkeln, Uebermaß von Vergoldung, gehäufter Miſchung von Stukkatur und Malerei u. ſ. w. eine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0377"n="357"/>ſind mehrere, mit großen Wandſpiegeln und Pſych<hirendition="#aq">é</hi>s<lb/>
dekorirt, fortwährend mit Anprobirenden beſetzt, wo<lb/>
der Schneider Millionär ſelbſt zehnmal ändert, ohne<lb/>
je Verdrießlichkeit darüber zu äußern.</p><lb/><p>Nachdem dem Fracke ſein Recht angethan worden<lb/>
iſt, ſetze ich meine Promenade fort, und komme an<lb/>
einen Fleiſcherladen, wo nicht nur das rohe Fleiſch<lb/>
die ſchönſten Guirlanden, Pyramiden und andere<lb/>
phantaſiereiche Formen bildet, und zierliche Eisbehäl-<lb/>
ter überall liebliche Kühle verbreiten, ſondern auch<lb/>
noch hinter jedem Schinken ein Komödienzettel hängt,<lb/>
und auf den ſpiegelglatten Tiſchen die beliebteſten<lb/>
Zeitungen liegen.</p><lb/><p>Mit ihm wetteifert einige Häuſer weiter der Händ-<lb/>
ler mit Seeungeheuern, der, wie König Fiſch im<lb/>
Mährchen, zwiſchen Marmor und Springbrunnen<lb/>ſitzt, es aber doch ſchwerlich ſo weit bringen wird als<lb/>ſein berühmter College Crockford, der noch beſſere als<lb/>
gewöhnliche Fiſche zu angeln verſtanden hat. Es iſt<lb/>
dies ein genialer Mann, der ſich von einem armen<lb/>
Fiſcher zur Geißel und zugleich zum Liebling der vor-<lb/>
nehmen und reichen Welt hinaufgeſchwungen hat. Er<lb/>
iſt ein Spieler, der Millionen gewonnen, und damit<lb/>
jetzt einen Spielpalaſt in der Art des Salons in Pa-<lb/>
ris, aber mit einer aſiatiſchen Pracht erbaut hat, die<lb/>ſelbſt die Königliche faſt hinter ſich läßt. Auch iſt in<lb/>
dem jetzt wieder herrſchenden Geſchmack der Zeit Lud-<lb/>
wig <hirendition="#aq">XIV.,</hi> verziert mit allen jenen geſchmackloſen<lb/>
Schnörkeln, Uebermaß von Vergoldung, gehäufter<lb/>
Miſchung von Stukkatur und Malerei u. ſ. w. eine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[357/0377]
ſind mehrere, mit großen Wandſpiegeln und Pſychés
dekorirt, fortwährend mit Anprobirenden beſetzt, wo
der Schneider Millionär ſelbſt zehnmal ändert, ohne
je Verdrießlichkeit darüber zu äußern.
Nachdem dem Fracke ſein Recht angethan worden
iſt, ſetze ich meine Promenade fort, und komme an
einen Fleiſcherladen, wo nicht nur das rohe Fleiſch
die ſchönſten Guirlanden, Pyramiden und andere
phantaſiereiche Formen bildet, und zierliche Eisbehäl-
ter überall liebliche Kühle verbreiten, ſondern auch
noch hinter jedem Schinken ein Komödienzettel hängt,
und auf den ſpiegelglatten Tiſchen die beliebteſten
Zeitungen liegen.
Mit ihm wetteifert einige Häuſer weiter der Händ-
ler mit Seeungeheuern, der, wie König Fiſch im
Mährchen, zwiſchen Marmor und Springbrunnen
ſitzt, es aber doch ſchwerlich ſo weit bringen wird als
ſein berühmter College Crockford, der noch beſſere als
gewöhnliche Fiſche zu angeln verſtanden hat. Es iſt
dies ein genialer Mann, der ſich von einem armen
Fiſcher zur Geißel und zugleich zum Liebling der vor-
nehmen und reichen Welt hinaufgeſchwungen hat. Er
iſt ein Spieler, der Millionen gewonnen, und damit
jetzt einen Spielpalaſt in der Art des Salons in Pa-
ris, aber mit einer aſiatiſchen Pracht erbaut hat, die
ſelbſt die Königliche faſt hinter ſich läßt. Auch iſt in
dem jetzt wieder herrſchenden Geſchmack der Zeit Lud-
wig XIV., verziert mit allen jenen geſchmackloſen
Schnörkeln, Uebermaß von Vergoldung, gehäufter
Miſchung von Stukkatur und Malerei u. ſ. w. eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/377>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.