Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Bewunderung, und obgleich ihn die Meisten recher-
chiren, schon weil er Mode ist, so bleibt er ihnen
doch immer ein mehr fremdes Meteor, das sie hie und
da sogar anfeinden, und zu dem sie jedenfalls solches
Herz nicht fassen können, wie zu ihrem eignen Jupi-
ter Ammon, noch dem sie sich so blindlings unter-
werfen wollen, wie der autorite sans replique ihrer
Autokratin. Leicht würde vielleicht auch die schöne
Gemahlin des Ambassadeurs die Rolle jener Dame
gespielt haben, die sie an Reizen, wie an Jugend
übertrifft, und eine Zeit lang mochten die Chancen
zwischen beiden gleich stehen; aber sie war zu harm-
loser Gemüthsart, zu natürlich und zu gutmüthig,
um definitiv obzusiegen. So hoch sie daher auch ihren
Platz im Reiche der Mode einnimmt, hat ihr jene
doch, vor der Hand wenigstens, den höchsten abgelau-
fen. Niemand wird sie aber der genannten Ursachen
wegen weniger liebenswerth finden.

Unter den weiblichen Mitherrscherinnen erster Ca-
tegorie muß ich noch einiger andern erwähnen, die
Niemand übergehen darf, der den Eintritt in das
Heiligthum wünscht. Oben an steht zuerst eine nicht
mehr ganz junge, aber immer noch schöne Gräfin,
eine der wenigen Engländerinnen, von der man sagen
kann, daß sie eine vollkommen gute und wahrhaft
distinguirte Tournure habe. Sie würde mit ihren
Naturgaben in jedem andern Lande gewiß durchaus
liebenswürdig geworden seyn, hier hat sie dem Ge-
präge des lieblosen und alles menschlich Schöne und

Bewunderung, und obgleich ihn die Meiſten recher-
chiren, ſchon weil er Mode iſt, ſo bleibt er ihnen
doch immer ein mehr fremdes Meteor, das ſie hie und
da ſogar anfeinden, und zu dem ſie jedenfalls ſolches
Herz nicht faſſen können, wie zu ihrem eignen Jupi-
ter Ammon, noch dem ſie ſich ſo blindlings unter-
werfen wollen, wie der autorité sans replique ihrer
Autokratin. Leicht würde vielleicht auch die ſchöne
Gemahlin des Ambaſſadeurs die Rolle jener Dame
geſpielt haben, die ſie an Reizen, wie an Jugend
übertrifft, und eine Zeit lang mochten die Chancen
zwiſchen beiden gleich ſtehen; aber ſie war zu harm-
loſer Gemüthsart, zu natürlich und zu gutmüthig,
um definitiv obzuſiegen. So hoch ſie daher auch ihren
Platz im Reiche der Mode einnimmt, hat ihr jene
doch, vor der Hand wenigſtens, den höchſten abgelau-
fen. Niemand wird ſie aber der genannten Urſachen
wegen weniger liebenswerth finden.

Unter den weiblichen Mitherrſcherinnen erſter Ca-
tegorie muß ich noch einiger andern erwähnen, die
Niemand übergehen darf, der den Eintritt in das
Heiligthum wünſcht. Oben an ſteht zuerſt eine nicht
mehr ganz junge, aber immer noch ſchöne Gräfin,
eine der wenigen Engländerinnen, von der man ſagen
kann, daß ſie eine vollkommen gute und wahrhaft
diſtinguirte Tournure habe. Sie würde mit ihren
Naturgaben in jedem andern Lande gewiß durchaus
liebenswürdig geworden ſeyn, hier hat ſie dem Ge-
präge des liebloſen und alles menſchlich Schöne und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0427" n="407"/>
Bewunderung, und obgleich ihn die Mei&#x017F;ten recher-<lb/>
chiren, &#x017F;chon weil er Mode i&#x017F;t, &#x017F;o bleibt er ihnen<lb/>
doch immer ein mehr fremdes Meteor, das &#x017F;ie hie und<lb/>
da &#x017F;ogar anfeinden, und zu dem &#x017F;ie jedenfalls &#x017F;olches<lb/>
Herz nicht fa&#x017F;&#x017F;en können, wie zu ihrem eignen Jupi-<lb/>
ter Ammon, noch dem &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;o blindlings unter-<lb/>
werfen wollen, wie der <hi rendition="#aq">autorité sans replique</hi> ihrer<lb/>
Autokratin. Leicht würde vielleicht auch die &#x017F;chöne<lb/>
Gemahlin des Amba&#x017F;&#x017F;adeurs die Rolle jener Dame<lb/>
ge&#x017F;pielt haben, die &#x017F;ie an Reizen, wie an Jugend<lb/>
übertrifft, und eine Zeit lang mochten die Chancen<lb/>
zwi&#x017F;chen beiden gleich &#x017F;tehen; aber &#x017F;ie war zu harm-<lb/>
lo&#x017F;er Gemüthsart, zu natürlich und zu gutmüthig,<lb/>
um definitiv obzu&#x017F;iegen. So hoch &#x017F;ie daher auch ihren<lb/>
Platz im Reiche der Mode einnimmt, hat ihr jene<lb/>
doch, vor der Hand wenig&#x017F;tens, den höch&#x017F;ten abgelau-<lb/>
fen. Niemand wird &#x017F;ie aber der genannten Ur&#x017F;achen<lb/>
wegen weniger liebenswerth finden.</p><lb/>
          <p>Unter den weiblichen Mitherr&#x017F;cherinnen er&#x017F;ter Ca-<lb/>
tegorie muß ich noch einiger andern erwähnen, die<lb/>
Niemand übergehen darf, der den Eintritt in das<lb/>
Heiligthum wün&#x017F;cht. Oben an &#x017F;teht zuer&#x017F;t eine nicht<lb/>
mehr ganz junge, aber immer noch &#x017F;chöne Gräfin,<lb/>
eine der wenigen Engländerinnen, von der man &#x017F;agen<lb/>
kann, daß &#x017F;ie eine vollkommen gute und wahrhaft<lb/>
di&#x017F;tinguirte Tournure habe. Sie würde mit ihren<lb/>
Naturgaben in jedem andern Lande gewiß durchaus<lb/>
liebenswürdig geworden &#x017F;eyn, hier hat &#x017F;ie dem Ge-<lb/>
präge des lieblo&#x017F;en und alles men&#x017F;chlich Schöne und<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[407/0427] Bewunderung, und obgleich ihn die Meiſten recher- chiren, ſchon weil er Mode iſt, ſo bleibt er ihnen doch immer ein mehr fremdes Meteor, das ſie hie und da ſogar anfeinden, und zu dem ſie jedenfalls ſolches Herz nicht faſſen können, wie zu ihrem eignen Jupi- ter Ammon, noch dem ſie ſich ſo blindlings unter- werfen wollen, wie der autorité sans replique ihrer Autokratin. Leicht würde vielleicht auch die ſchöne Gemahlin des Ambaſſadeurs die Rolle jener Dame geſpielt haben, die ſie an Reizen, wie an Jugend übertrifft, und eine Zeit lang mochten die Chancen zwiſchen beiden gleich ſtehen; aber ſie war zu harm- loſer Gemüthsart, zu natürlich und zu gutmüthig, um definitiv obzuſiegen. So hoch ſie daher auch ihren Platz im Reiche der Mode einnimmt, hat ihr jene doch, vor der Hand wenigſtens, den höchſten abgelau- fen. Niemand wird ſie aber der genannten Urſachen wegen weniger liebenswerth finden. Unter den weiblichen Mitherrſcherinnen erſter Ca- tegorie muß ich noch einiger andern erwähnen, die Niemand übergehen darf, der den Eintritt in das Heiligthum wünſcht. Oben an ſteht zuerſt eine nicht mehr ganz junge, aber immer noch ſchöne Gräfin, eine der wenigen Engländerinnen, von der man ſagen kann, daß ſie eine vollkommen gute und wahrhaft diſtinguirte Tournure habe. Sie würde mit ihren Naturgaben in jedem andern Lande gewiß durchaus liebenswürdig geworden ſeyn, hier hat ſie dem Ge- präge des liebloſen und alles menſchlich Schöne und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/427
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/427>, abgerufen am 22.12.2024.