Betrug des Neulings in jeder Art von Sport, bei dem so mancher junge Engländer, statt gehoffter Be- lustigung, Selbstmord und Verzweiflung einerndtet, oder, wo diese Künste nicht anwendbar sind, durch Intriguen aller Art die im Wege Stehenden um Ehre oder Vermögen zu bringen suchen, im geringsten Fall aber sie wenigstens ihres Einflusses in der ausge- wählten Gesellschaft zu berauben wissen.
Wer Englands Schattenseite genauer kennt, wird mich hier nicht der Uebertreibung zeihen, und es nicht auffallend finden, daß der von mir erwähnte Mode- held, ein junger Mann von guter Abkunft, aber ohne Vermögen, und im Grunde nicht als ein geschickter Chevalier d'industrie, sich durch den Namen sweet mischief (sanftes Verderben) eben so gut charakteri- sirt als geschmeichelt fühlt. Die Marquise scheint bis jetzt nur von dem sweet angezogen worden zu seyn, es besteht größtentheils in, wie man sagt, unterhal- tender, süß zugeflüsterter Verläumdung, vielleicht lernt sie später auch noch das mischief kennen.
Der bel esprit, dessen caustische Kraft man so un- geheuer fürchtet, daß man ihm wörtlich, wie die Wil- den dem Teufel, hofirt, damit er nicht beiße, hat eine der widerlichsten Außenseiten, die mir noch vorgekom- men sind. Er ist wohl über fünfzig Jahre alt, und sieht vollkommen aus wie eine in Galle eingemachte bittere Pomeranze, ein grau und grünlicher alter Sünder, der bei Tisch nicht essen kann, bis er zwei oder drei Menschen ihres guten Namens beraubt, und eben so viel andere, oft nichts weniger als geist-
Betrug des Neulings in jeder Art von Sport, bei dem ſo mancher junge Engländer, ſtatt gehoffter Be- luſtigung, Selbſtmord und Verzweiflung einerndtet, oder, wo dieſe Künſte nicht anwendbar ſind, durch Intriguen aller Art die im Wege Stehenden um Ehre oder Vermögen zu bringen ſuchen, im geringſten Fall aber ſie wenigſtens ihres Einfluſſes in der ausge- wählten Geſellſchaft zu berauben wiſſen.
Wer Englands Schattenſeite genauer kennt, wird mich hier nicht der Uebertreibung zeihen, und es nicht auffallend finden, daß der von mir erwähnte Mode- held, ein junger Mann von guter Abkunft, aber ohne Vermögen, und im Grunde nicht als ein geſchickter Chevalier d’industrie, ſich durch den Namen sweet mischief (ſanftes Verderben) eben ſo gut charakteri- ſirt als geſchmeichelt fühlt. Die Marquiſe ſcheint bis jetzt nur von dem sweet angezogen worden zu ſeyn, es beſteht größtentheils in, wie man ſagt, unterhal- tender, ſüß zugeflüſterter Verläumdung, vielleicht lernt ſie ſpäter auch noch das mischief kennen.
Der bel esprit, deſſen cauſtiſche Kraft man ſo un- geheuer fürchtet, daß man ihm wörtlich, wie die Wil- den dem Teufel, hofirt, damit er nicht beiße, hat eine der widerlichſten Außenſeiten, die mir noch vorgekom- men ſind. Er iſt wohl über fünfzig Jahre alt, und ſieht vollkommen aus wie eine in Galle eingemachte bittere Pomeranze, ein grau und grünlicher alter Sünder, der bei Tiſch nicht eſſen kann, bis er zwei oder drei Menſchen ihres guten Namens beraubt, und eben ſo viel andere, oft nichts weniger als geiſt-
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Betrug des Neulings in jeder Art von Sport, bei
dem ſo mancher junge Engländer, ſtatt gehoffter Be-
luſtigung, Selbſtmord und Verzweiflung einerndtet,
oder, wo dieſe Künſte nicht anwendbar ſind, durch
Intriguen aller Art die im Wege Stehenden um Ehre
oder Vermögen zu bringen ſuchen, im geringſten Fall
aber ſie wenigſtens ihres Einfluſſes in der ausge-
wählten Geſellſchaft zu berauben wiſſen.
Wer Englands Schattenſeite genauer kennt, wird
mich hier nicht der Uebertreibung zeihen, und es nicht
auffallend finden, daß der von mir erwähnte Mode-
held, ein junger Mann von guter Abkunft, aber ohne
Vermögen, und im Grunde nicht als ein geſchickter
Chevalier d’industrie, ſich durch den Namen sweet
mischief (ſanftes Verderben) eben ſo gut charakteri-
ſirt als geſchmeichelt fühlt. Die Marquiſe ſcheint bis
jetzt nur von dem sweet angezogen worden zu ſeyn,
es beſteht größtentheils in, wie man ſagt, unterhal-
tender, ſüß zugeflüſterter Verläumdung, vielleicht
lernt ſie ſpäter auch noch das mischief kennen.
Der bel esprit, deſſen cauſtiſche Kraft man ſo un-
geheuer fürchtet, daß man ihm wörtlich, wie die Wil-
den dem Teufel, hofirt, damit er nicht beiße, hat eine
der widerlichſten Außenſeiten, die mir noch vorgekom-
men ſind. Er iſt wohl über fünfzig Jahre alt, und
ſieht vollkommen aus wie eine in Galle eingemachte
bittere Pomeranze, ein grau und grünlicher alter
Sünder, der bei Tiſch nicht eſſen kann, bis er zwei
oder drei Menſchen ihres guten Namens beraubt,
und eben ſo viel andere, oft nichts weniger als geiſt-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/432>, abgerufen am 22.12.2024.
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