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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

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Während ich meiner schönen Freundin möglichst
Trost einsprach, konnte ich mich nicht enthalten, in-
nerlich Betrachtungen anzustellen, wie sonderbar das
Schicksal spiele, und wie noch viel sonderbarer es von
uns selbst gehandhabt und beurtheilt werde. Neben
mir saß die Nichte Napoleon's! des einstigen Herrn
fast der ganzen civilisirten Welt, eine Frau, deren On-
kel und Tanten Alle noch vor kaum vergangener Zeit
auf den ältesten Thronen Europa's saßen, während
sie jetzt durch die ungeheuersten Ereignisse in die
Classe der gewöhnlichen Gesellschaft herabgeworfen
worden sind -- und das Alles hat dennoch nicht den
geringsten Eindruck mehr auf das neben mir sitzende
Individuum gemacht, keinen Schmerz bei ihr zurück-
gelassen, aber die Untreue eines albernen englischen
Dandy's erregt ihre Verzweiflung, und bringt sie
zu dem Entschluß, seinetwillen ihr Leben zu enden!!!
Mit einer wahren Indignation rief ich ihr zu, daran
zu denken, wem sie angehöre, und an das erhabne
Beispiel von Ertragen des Lebens in wahrem Un-
glück, das ihr großer Oheim ihr und der Welt gege-
ben. Aecht weiblich aber gab sie gar nichts auf diese
Tirade und erwiederte: Ach wenn ich jetzt die Wahl hätte,
j' aimerai cent fois mieux etre la maitresse heu-
reuse de mon amant que Reine d'Angleterre et
des Indes.

Bei alle dem schien die Fete und die Gesellschaft,
so wie einige Gläser Champagner beim Frühstück, die
ich ihr einnöthigte, ihre Verzweiflung bedeutend zu
mildern, und ich brachte sie um 6 Uhr zurück, (ziem-

Während ich meiner ſchönen Freundin möglichſt
Troſt einſprach, konnte ich mich nicht enthalten, in-
nerlich Betrachtungen anzuſtellen, wie ſonderbar das
Schickſal ſpiele, und wie noch viel ſonderbarer es von
uns ſelbſt gehandhabt und beurtheilt werde. Neben
mir ſaß die Nichte Napoléon’s! des einſtigen Herrn
faſt der ganzen civiliſirten Welt, eine Frau, deren On-
kel und Tanten Alle noch vor kaum vergangener Zeit
auf den älteſten Thronen Europa’s ſaßen, während
ſie jetzt durch die ungeheuerſten Ereigniſſe in die
Claſſe der gewöhnlichen Geſellſchaft herabgeworfen
worden ſind — und das Alles hat dennoch nicht den
geringſten Eindruck mehr auf das neben mir ſitzende
Individuum gemacht, keinen Schmerz bei ihr zurück-
gelaſſen, aber die Untreue eines albernen engliſchen
Dandy’s erregt ihre Verzweiflung, und bringt ſie
zu dem Entſchluß, ſeinetwillen ihr Leben zu enden!!!
Mit einer wahren Indignation rief ich ihr zu, daran
zu denken, wem ſie angehöre, und an das erhabne
Beiſpiel von Ertragen des Lebens in wahrem Un-
glück, das ihr großer Oheim ihr und der Welt gege-
ben. Aecht weiblich aber gab ſie gar nichts auf dieſe
Tirade und erwiederte: Ach wenn ich jetzt die Wahl hätte,
j’ aimerai cent fois mieux être la maitresse heu-
reuse de mon amant que Reine d’Angleterre et
des Indes.

Bei alle dem ſchien die Fete und die Geſellſchaft,
ſo wie einige Gläſer Champagner beim Frühſtück, die
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[419/0439] Während ich meiner ſchönen Freundin möglichſt Troſt einſprach, konnte ich mich nicht enthalten, in- nerlich Betrachtungen anzuſtellen, wie ſonderbar das Schickſal ſpiele, und wie noch viel ſonderbarer es von uns ſelbſt gehandhabt und beurtheilt werde. Neben mir ſaß die Nichte Napoléon’s! des einſtigen Herrn faſt der ganzen civiliſirten Welt, eine Frau, deren On- kel und Tanten Alle noch vor kaum vergangener Zeit auf den älteſten Thronen Europa’s ſaßen, während ſie jetzt durch die ungeheuerſten Ereigniſſe in die Claſſe der gewöhnlichen Geſellſchaft herabgeworfen worden ſind — und das Alles hat dennoch nicht den geringſten Eindruck mehr auf das neben mir ſitzende Individuum gemacht, keinen Schmerz bei ihr zurück- gelaſſen, aber die Untreue eines albernen engliſchen Dandy’s erregt ihre Verzweiflung, und bringt ſie zu dem Entſchluß, ſeinetwillen ihr Leben zu enden!!! Mit einer wahren Indignation rief ich ihr zu, daran zu denken, wem ſie angehöre, und an das erhabne Beiſpiel von Ertragen des Lebens in wahrem Un- glück, das ihr großer Oheim ihr und der Welt gege- ben. Aecht weiblich aber gab ſie gar nichts auf dieſe Tirade und erwiederte: Ach wenn ich jetzt die Wahl hätte, j’ aimerai cent fois mieux être la maitresse heu- reuse de mon amant que Reine d’Angleterre et des Indes. Bei alle dem ſchien die Fete und die Geſellſchaft, ſo wie einige Gläſer Champagner beim Frühſtück, die ich ihr einnöthigte, ihre Verzweiflung bedeutend zu mildern, und ich brachte ſie um 6 Uhr zurück, (ziem-

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Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/439>, abgerufen am 22.12.2024.