Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

Auf dem Ball, dem ich Abends beiwohnte, bei der
neulich erwähnten Marquise L .... sah ich zum er-
stenmal hier Polonaisen und auch Masurka tanzen,
aber sehr schlecht. Man aß im Saal der Statüen,
denen verschiedene Damen ihre Hüte aufgesetzt und
ihre Shawls umgehangen hatten, was dem Kunst-
sinne sehr wohlthat. Um 6 Uhr kam ich zu Hause
und schreibe Dir noch, während man schon meine
Laden schließt, um mir eine künstliche Nacht zu be-
reiten. Die Kammerdiener haben es hier schlimm,
und können nur, so zu sagen: aus der Hand schla-
fen, oder wie die Nachtwächter am Tage.



Ich habe Dir schon erzählt, daß man hier auf die
königlichen Prinzen eingeladen wird, wie an andern
Orten im vertrauten Zirkel auf irgend eine Delikatesse.
So war ich gestern auf die Herzogin von Gloucester,
und heute auch auf den Herzog von Sussex zu Tisch
eingeladen. Dieser Prinz, der mit dem König ganz
brouillirt ist *), sich aber durch sehr liberale Gesin-
nungen bei der Nation beliebt gemacht hat, und dies
in jeder Hinsicht verdient, war viel auf dem Conti-
nent, und liebt die deutsche Lebensart. Unsere Sprache
ist ihm, wie den meisten seiner Brüder, völlig ge-

*) Man vergesse nicht, daß hier vom vorigen die Rede ist.
A. d. H.

Auf dem Ball, dem ich Abends beiwohnte, bei der
neulich erwähnten Marquiſe L .... ſah ich zum er-
ſtenmal hier Polonaiſen und auch Maſurka tanzen,
aber ſehr ſchlecht. Man aß im Saal der Statüen,
denen verſchiedene Damen ihre Hüte aufgeſetzt und
ihre Shawls umgehangen hatten, was dem Kunſt-
ſinne ſehr wohlthat. Um 6 Uhr kam ich zu Hauſe
und ſchreibe Dir noch, während man ſchon meine
Laden ſchließt, um mir eine künſtliche Nacht zu be-
reiten. Die Kammerdiener haben es hier ſchlimm,
und können nur, ſo zu ſagen: aus der Hand ſchla-
fen, oder wie die Nachtwächter am Tage.



Ich habe Dir ſchon erzählt, daß man hier auf die
königlichen Prinzen eingeladen wird, wie an andern
Orten im vertrauten Zirkel auf irgend eine Delikateſſe.
So war ich geſtern auf die Herzogin von Glouceſter,
und heute auch auf den Herzog von Suſſex zu Tiſch
eingeladen. Dieſer Prinz, der mit dem König ganz
brouillirt iſt *), ſich aber durch ſehr liberale Geſin-
nungen bei der Nation beliebt gemacht hat, und dies
in jeder Hinſicht verdient, war viel auf dem Conti-
nent, und liebt die deutſche Lebensart. Unſere Sprache
iſt ihm, wie den meiſten ſeiner Brüder, völlig ge-

*) Man vergeſſe nicht, daß hier vom vorigen die Rede iſt.
A. d. H.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0066" n="50"/>
          <p>Auf dem Ball, dem ich Abends beiwohnte, bei der<lb/>
neulich erwähnten Marqui&#x017F;e L .... &#x017F;ah ich zum er-<lb/>
&#x017F;tenmal hier Polonai&#x017F;en und auch Ma&#x017F;urka tanzen,<lb/>
aber &#x017F;ehr &#x017F;chlecht. Man aß im Saal der Statüen,<lb/>
denen ver&#x017F;chiedene Damen ihre Hüte aufge&#x017F;etzt und<lb/>
ihre Shawls umgehangen hatten, was dem Kun&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;inne &#x017F;ehr wohlthat. Um 6 Uhr kam ich zu Hau&#x017F;e<lb/>
und &#x017F;chreibe Dir noch, während man &#x017F;chon meine<lb/>
Laden &#x017F;chließt, um mir eine kün&#x017F;tliche Nacht zu be-<lb/>
reiten. Die Kammerdiener haben es hier &#x017F;chlimm,<lb/>
und können nur, &#x017F;o zu &#x017F;agen: aus der Hand &#x017F;chla-<lb/>
fen, oder wie die Nachtwächter am Tage.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <opener>
            <dateline> <hi rendition="#et">Den 13ten.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Ich habe Dir &#x017F;chon erzählt, daß man hier auf die<lb/>
königlichen Prinzen eingeladen wird, wie an andern<lb/>
Orten im vertrauten Zirkel auf irgend eine Delikate&#x017F;&#x017F;e.<lb/>
So war ich ge&#x017F;tern auf die Herzogin von Glouce&#x017F;ter,<lb/>
und heute auch auf den Herzog von Su&#x017F;&#x017F;ex zu Ti&#x017F;ch<lb/>
eingeladen. Die&#x017F;er Prinz, der mit dem König ganz<lb/>
brouillirt i&#x017F;t <note place="foot" n="*)">Man verge&#x017F;&#x017F;e nicht, daß hier vom vorigen die Rede i&#x017F;t.<lb/><hi rendition="#et">A. d. H.</hi></note>, &#x017F;ich aber durch &#x017F;ehr liberale Ge&#x017F;in-<lb/>
nungen bei der Nation beliebt gemacht hat, und dies<lb/>
in jeder Hin&#x017F;icht verdient, war viel auf dem Conti-<lb/>
nent, und liebt die deut&#x017F;che Lebensart. Un&#x017F;ere Sprache<lb/>
i&#x017F;t ihm, wie den mei&#x017F;ten &#x017F;einer Brüder, völlig ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0066] Auf dem Ball, dem ich Abends beiwohnte, bei der neulich erwähnten Marquiſe L .... ſah ich zum er- ſtenmal hier Polonaiſen und auch Maſurka tanzen, aber ſehr ſchlecht. Man aß im Saal der Statüen, denen verſchiedene Damen ihre Hüte aufgeſetzt und ihre Shawls umgehangen hatten, was dem Kunſt- ſinne ſehr wohlthat. Um 6 Uhr kam ich zu Hauſe und ſchreibe Dir noch, während man ſchon meine Laden ſchließt, um mir eine künſtliche Nacht zu be- reiten. Die Kammerdiener haben es hier ſchlimm, und können nur, ſo zu ſagen: aus der Hand ſchla- fen, oder wie die Nachtwächter am Tage. Den 13ten. Ich habe Dir ſchon erzählt, daß man hier auf die königlichen Prinzen eingeladen wird, wie an andern Orten im vertrauten Zirkel auf irgend eine Delikateſſe. So war ich geſtern auf die Herzogin von Glouceſter, und heute auch auf den Herzog von Suſſex zu Tiſch eingeladen. Dieſer Prinz, der mit dem König ganz brouillirt iſt *), ſich aber durch ſehr liberale Geſin- nungen bei der Nation beliebt gemacht hat, und dies in jeder Hinſicht verdient, war viel auf dem Conti- nent, und liebt die deutſche Lebensart. Unſere Sprache iſt ihm, wie den meiſten ſeiner Brüder, völlig ge- *) Man vergeſſe nicht, daß hier vom vorigen die Rede iſt. A. d. H.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/66
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/66>, abgerufen am 22.12.2024.