Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

verlockend zu einem höheren trügerischen Genuß --
doch wer diesen erreicht, erkauft ihn nur mit schwe-
rem Verlust! Friede und Ruhe bleiben zurück in des
Thales trauter Stille. --

Ich wurde bald in meiner poetischen Exstase durch
die schöne Wirthin unterbrochen, die sich an unserer
Schilderung des verzauberten Schlosses sehr ergötzte,
und nun sogleich selbst dafür sorgte, daß uns Stu-
ben angewiesen wurden, um unserer Toilette obzulie-
gen, die der Staub und die Hitze des Tages sehr nö-
thig machten. Ein excellentes Dine mit geeistem
Champain und vortrefflichen Früchten wurde mit Ver-
gnügen angenommen, und hielt uns bis um Mitter-
nacht bei Tisch. Caffee und Thee mit Musik nahmen
noch ein paar andere Stunden hinweg, und, auf-
richtig gesagt, die letzte, ich meine die Musik, hätten
wir der Familie gern erlassen. Meine Verdauung
wurde wesentlich durch die ungeheure Anstrengung
gestört, mit der ich das Lachen, in einer wahren
Agonie, unterdrücken mußte, als die alte Mutter
der Hausfrau sich zuletzt ans Clavier setzte, und uns
eine Arie aus ihrer Jugend, von Rousseaus Compo-
sition, zum besten gab, an deren Refrain: "Je
t'aimerai toujours"
ich ebenfalls Zeit meines Lebens
denken werde. Sie benutzte nämlich das ai jedesmal
zu einem Trillo, der im Anfang dem Mekkern eines
Lammes glich, dann eine Zeitlang der Lachtaube nach-
ahmte, und mit der Cadenze eines balzenden Auer-
hahns endete. Das Lied schien unendlich, der junge
R ..., der leider eben so leicht als ich zum Lachen

verlockend zu einem höheren trügeriſchen Genuß —
doch wer dieſen erreicht, erkauft ihn nur mit ſchwe-
rem Verluſt! Friede und Ruhe bleiben zurück in des
Thales trauter Stille. —

Ich wurde bald in meiner poetiſchen Exſtaſe durch
die ſchöne Wirthin unterbrochen, die ſich an unſerer
Schilderung des verzauberten Schloſſes ſehr ergötzte,
und nun ſogleich ſelbſt dafür ſorgte, daß uns Stu-
ben angewieſen wurden, um unſerer Toilette obzulie-
gen, die der Staub und die Hitze des Tages ſehr nö-
thig machten. Ein excellentes Diné mit geeistem
Champain und vortrefflichen Früchten wurde mit Ver-
gnügen angenommen, und hielt uns bis um Mitter-
nacht bei Tiſch. Caffee und Thee mit Muſik nahmen
noch ein paar andere Stunden hinweg, und, auf-
richtig geſagt, die letzte, ich meine die Muſik, hätten
wir der Familie gern erlaſſen. Meine Verdauung
wurde weſentlich durch die ungeheure Anſtrengung
geſtört, mit der ich das Lachen, in einer wahren
Agonie, unterdrücken mußte, als die alte Mutter
der Hausfrau ſich zuletzt ans Clavier ſetzte, und uns
eine Arie aus ihrer Jugend, von Rouſſeaus Compo-
ſition, zum beſten gab, an deren Refrain: „Je
t’aimerai toujours“
ich ebenfalls Zeit meines Lebens
denken werde. Sie benutzte nämlich das ai jedesmal
zu einem Trillo, der im Anfang dem Mekkern eines
Lammes glich, dann eine Zeitlang der Lachtaube nach-
ahmte, und mit der Cadenze eines balzenden Auer-
hahns endete. Das Lied ſchien unendlich, der junge
R …, der leider eben ſo leicht als ich zum Lachen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0070" n="54"/>
verlockend zu einem höheren trügeri&#x017F;chen Genuß &#x2014;<lb/>
doch wer die&#x017F;en erreicht, erkauft ihn nur mit &#x017F;chwe-<lb/>
rem Verlu&#x017F;t! Friede und Ruhe bleiben zurück in des<lb/>
Thales trauter Stille. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ich wurde bald in meiner poeti&#x017F;chen Ex&#x017F;ta&#x017F;e durch<lb/>
die &#x017F;chöne Wirthin unterbrochen, die &#x017F;ich an un&#x017F;erer<lb/>
Schilderung des verzauberten Schlo&#x017F;&#x017F;es &#x017F;ehr ergötzte,<lb/>
und nun &#x017F;ogleich &#x017F;elb&#x017F;t dafür &#x017F;orgte, daß uns Stu-<lb/>
ben angewie&#x017F;en wurden, um un&#x017F;erer Toilette obzulie-<lb/>
gen, die der Staub und die Hitze des Tages &#x017F;ehr nö-<lb/>
thig machten. Ein excellentes Din<hi rendition="#aq">é</hi> mit geeistem<lb/>
Champain und vortrefflichen Früchten wurde mit Ver-<lb/>
gnügen angenommen, und hielt uns bis um Mitter-<lb/>
nacht bei Ti&#x017F;ch. Caffee und Thee mit Mu&#x017F;ik nahmen<lb/>
noch ein paar andere Stunden hinweg, und, auf-<lb/>
richtig ge&#x017F;agt, die letzte, ich meine die Mu&#x017F;ik, hätten<lb/>
wir der Familie gern erla&#x017F;&#x017F;en. Meine Verdauung<lb/>
wurde we&#x017F;entlich durch die ungeheure An&#x017F;trengung<lb/>
ge&#x017F;tört, mit der ich das Lachen, in einer wahren<lb/>
Agonie, unterdrücken mußte, als die alte Mutter<lb/>
der Hausfrau &#x017F;ich zuletzt ans Clavier &#x017F;etzte, und uns<lb/>
eine Arie aus ihrer Jugend, von Rou&#x017F;&#x017F;eaus Compo-<lb/>
&#x017F;ition, <hi rendition="#g">zum be&#x017F;ten</hi> gab, an deren Refrain: <hi rendition="#aq">&#x201E;Je<lb/>
t&#x2019;aimerai toujours&#x201C;</hi> ich ebenfalls Zeit meines Lebens<lb/>
denken werde. Sie benutzte nämlich das ai jedesmal<lb/>
zu einem Trillo, der im Anfang dem Mekkern eines<lb/>
Lammes glich, dann eine Zeitlang der Lachtaube nach-<lb/>
ahmte, und mit der Cadenze eines balzenden Auer-<lb/>
hahns endete. Das Lied &#x017F;chien unendlich, der junge<lb/>
R &#x2026;, der leider eben &#x017F;o leicht als ich zum Lachen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0070] verlockend zu einem höheren trügeriſchen Genuß — doch wer dieſen erreicht, erkauft ihn nur mit ſchwe- rem Verluſt! Friede und Ruhe bleiben zurück in des Thales trauter Stille. — Ich wurde bald in meiner poetiſchen Exſtaſe durch die ſchöne Wirthin unterbrochen, die ſich an unſerer Schilderung des verzauberten Schloſſes ſehr ergötzte, und nun ſogleich ſelbſt dafür ſorgte, daß uns Stu- ben angewieſen wurden, um unſerer Toilette obzulie- gen, die der Staub und die Hitze des Tages ſehr nö- thig machten. Ein excellentes Diné mit geeistem Champain und vortrefflichen Früchten wurde mit Ver- gnügen angenommen, und hielt uns bis um Mitter- nacht bei Tiſch. Caffee und Thee mit Muſik nahmen noch ein paar andere Stunden hinweg, und, auf- richtig geſagt, die letzte, ich meine die Muſik, hätten wir der Familie gern erlaſſen. Meine Verdauung wurde weſentlich durch die ungeheure Anſtrengung geſtört, mit der ich das Lachen, in einer wahren Agonie, unterdrücken mußte, als die alte Mutter der Hausfrau ſich zuletzt ans Clavier ſetzte, und uns eine Arie aus ihrer Jugend, von Rouſſeaus Compo- ſition, zum beſten gab, an deren Refrain: „Je t’aimerai toujours“ ich ebenfalls Zeit meines Lebens denken werde. Sie benutzte nämlich das ai jedesmal zu einem Trillo, der im Anfang dem Mekkern eines Lammes glich, dann eine Zeitlang der Lachtaube nach- ahmte, und mit der Cadenze eines balzenden Auer- hahns endete. Das Lied ſchien unendlich, der junge R …, der leider eben ſo leicht als ich zum Lachen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/70
Zitationshilfe: Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/70>, abgerufen am 22.12.2024.