Chesterfields Briefe, die ich zu mir gesteckt, würzten das Mahl, und nach einer kleinen Sieste, während der die Nacht eingebrochen war, bestieg ich wieder mein Roß, und ritt die anderthalb deutschen Meilen bis zu meiner Wohnung in einer ununterbrochenen Allee von hellschimmernden Gaslaternen, auf der wohl- arrosirten Straße langsam nach Hause. Es summte gerade Mitternacht, als ich dort ankam, und ein schwarzbehangener Sarg fuhr, wie eine Geistererschei- nung, links an mir vorüber.
Den 5ten.
Auf Almacks gab mir B. Deinen Brief, und ich eilte sogleich damit home. Wie sehr haben mich Deine Schilderungen gefreut, und fast hätte ich über die ehrlichen alten Parkbäume geweint, die mir durch Dich zuriefen: O Herr, hörst Du nicht, von tausend Vögelchen belebt, unsrer Wipfel Rauschen? . . Ach ja! ich höre es im Geiste, und werde auch nicht eher wieder wahre Freude empfinden, bis ich dort ange- langt bin, wo meine treueste Freundin weilt, und wo meine Pflanzenkinder mir entgegenwachsen. Für das fünfblättrige Kleeblatt danke ich vielmals, und da das Pferd des beigefügten, tausend Glück brin- genden Wiener Postillons unterwegs seinen Schweif verloren hat, so habe ich diesen durch das Kleeblatt ersetzt, welche Vegetabilie ihm ein wahres heiliges Allianz-Ansehen gibt.
Hier unterbrach mich der alte B .... dt mit der Frage, ob er den Rest der Nacht wohl ausgehen
Cheſterfields Briefe, die ich zu mir geſteckt, würzten das Mahl, und nach einer kleinen Sieſte, während der die Nacht eingebrochen war, beſtieg ich wieder mein Roß, und ritt die anderthalb deutſchen Meilen bis zu meiner Wohnung in einer ununterbrochenen Allee von hellſchimmernden Gaslaternen, auf der wohl- arroſirten Straße langſam nach Hauſe. Es ſummte gerade Mitternacht, als ich dort ankam, und ein ſchwarzbehangener Sarg fuhr, wie eine Geiſtererſchei- nung, links an mir vorüber.
Den 5ten.
Auf Almacks gab mir B. Deinen Brief, und ich eilte ſogleich damit home. Wie ſehr haben mich Deine Schilderungen gefreut, und faſt hätte ich über die ehrlichen alten Parkbäume geweint, die mir durch Dich zuriefen: O Herr, hörſt Du nicht, von tauſend Vögelchen belebt, unſrer Wipfel Rauſchen? . . Ach ja! ich höre es im Geiſte, und werde auch nicht eher wieder wahre Freude empfinden, bis ich dort ange- langt bin, wo meine treueſte Freundin weilt, und wo meine Pflanzenkinder mir entgegenwachſen. Für das fünfblättrige Kleeblatt danke ich vielmals, und da das Pferd des beigefügten, tauſend Glück brin- genden Wiener Poſtillons unterwegs ſeinen Schweif verloren hat, ſo habe ich dieſen durch das Kleeblatt erſetzt, welche Vegetabilie ihm ein wahres heiliges Allianz-Anſehen gibt.
Hier unterbrach mich der alte B .... dt mit der Frage, ob er den Reſt der Nacht wohl ausgehen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0085"n="69"/>
Cheſterfields Briefe, die ich zu mir geſteckt, würzten<lb/>
das Mahl, und nach einer kleinen Sieſte, während<lb/>
der die Nacht eingebrochen war, beſtieg ich wieder<lb/>
mein Roß, und ritt die anderthalb deutſchen Meilen<lb/>
bis zu meiner Wohnung in einer ununterbrochenen<lb/>
Allee von hellſchimmernden Gaslaternen, auf der wohl-<lb/>
arroſirten Straße langſam nach Hauſe. Es ſummte<lb/>
gerade Mitternacht, als ich dort ankam, und ein<lb/>ſchwarzbehangener Sarg fuhr, wie eine Geiſtererſchei-<lb/>
nung, links an mir vorüber.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><opener><dateline><hirendition="#et">Den 5ten.</hi></dateline></opener><lb/><p>Auf Almacks gab mir B. Deinen Brief, und ich<lb/>
eilte ſogleich damit <hirendition="#aq">home.</hi> Wie ſehr haben mich Deine<lb/>
Schilderungen gefreut, und faſt hätte ich über die<lb/>
ehrlichen alten Parkbäume geweint, die mir durch<lb/>
Dich zuriefen: O Herr, hörſt Du nicht, von tauſend<lb/>
Vögelchen belebt, unſrer Wipfel Rauſchen? . . Ach<lb/>
ja! ich höre es im Geiſte, und werde auch nicht eher<lb/>
wieder wahre Freude empfinden, bis ich <hirendition="#g">dort</hi> ange-<lb/>
langt bin, wo meine treueſte Freundin weilt, und<lb/>
wo meine Pflanzenkinder mir entgegenwachſen. Für<lb/>
das fünfblättrige Kleeblatt danke ich vielmals, und<lb/>
da das Pferd des beigefügten, tauſend Glück brin-<lb/>
genden Wiener Poſtillons unterwegs ſeinen Schweif<lb/>
verloren hat, ſo habe ich dieſen durch das Kleeblatt<lb/>
erſetzt, welche Vegetabilie ihm ein wahres heiliges<lb/>
Allianz-Anſehen gibt.</p><lb/><p>Hier unterbrach mich der alte B .... dt mit der<lb/>
Frage, ob er den Reſt der Nacht wohl ausgehen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[69/0085]
Cheſterfields Briefe, die ich zu mir geſteckt, würzten
das Mahl, und nach einer kleinen Sieſte, während
der die Nacht eingebrochen war, beſtieg ich wieder
mein Roß, und ritt die anderthalb deutſchen Meilen
bis zu meiner Wohnung in einer ununterbrochenen
Allee von hellſchimmernden Gaslaternen, auf der wohl-
arroſirten Straße langſam nach Hauſe. Es ſummte
gerade Mitternacht, als ich dort ankam, und ein
ſchwarzbehangener Sarg fuhr, wie eine Geiſtererſchei-
nung, links an mir vorüber.
Den 5ten.
Auf Almacks gab mir B. Deinen Brief, und ich
eilte ſogleich damit home. Wie ſehr haben mich Deine
Schilderungen gefreut, und faſt hätte ich über die
ehrlichen alten Parkbäume geweint, die mir durch
Dich zuriefen: O Herr, hörſt Du nicht, von tauſend
Vögelchen belebt, unſrer Wipfel Rauſchen? . . Ach
ja! ich höre es im Geiſte, und werde auch nicht eher
wieder wahre Freude empfinden, bis ich dort ange-
langt bin, wo meine treueſte Freundin weilt, und
wo meine Pflanzenkinder mir entgegenwachſen. Für
das fünfblättrige Kleeblatt danke ich vielmals, und
da das Pferd des beigefügten, tauſend Glück brin-
genden Wiener Poſtillons unterwegs ſeinen Schweif
verloren hat, ſo habe ich dieſen durch das Kleeblatt
erſetzt, welche Vegetabilie ihm ein wahres heiliges
Allianz-Anſehen gibt.
Hier unterbrach mich der alte B .... dt mit der
Frage, ob er den Reſt der Nacht wohl ausgehen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/85>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.