eben so sehr überraschen wird, als es mich, ich ge- stehe es, in keine geringe Verwunderung setzte, denn es war ganz unmöglich, daß er je früher irgend et- was von mir erfahren haben, noch mich kennen konnte.
Da ich Alles sogleich aufschrieb, und die Sache, wie Du denken kannst, mich nicht wenig interessirte, so glaube ich nicht, daß ich mich bei der Wiederho- lung in einem irgend wesentlichen Punkte irren kann*).
"Ihre Freundschaft," fing er zuerst an, "ist sehr schwer zu gewinnen, und nur durch Solche, die sich Ihnen ganz und mit der größten Treue widmen. In diesem Falle werden Sie aber Gleiches mit Glei- chen mit unwandelbarer Beständigkeit vergelten."
"Sie sind leicht zu reizen in jeder Hinsicht und dann großer Extreme fähig, geben aber weder der leidenschaftlichen Liebe, noch dem Haß, noch andern Leidenschaften eine lange Folge."
"Sie lieben die Kunst, und werden, wenn Sie ausübend darin sind oder werden wollen, sich ohne Schwierigkeit darin ausbilden können, und ich finde die Kraft der Composition auf Ihrem Schädel stark ausgedrückt. Sie sind kein Nachahmer, sondern wol-
*) Ich war im Begriff, diese Stelle wegzulassen, die aller- dings zu sehr der vertrauten Correspondenz angehört, um viele Leser interessiren zu können. Da sie aber den seligen Verfasser wirklich ungemein treu schildert, und später der- selbe manchmal darauf Bezug nimmt, so hoffe ich, wird man mir die Beibehaltung derselben verzeihen. A. d. H.
Briefe eines Verstorbenen. IV. 6
eben ſo ſehr überraſchen wird, als es mich, ich ge- ſtehe es, in keine geringe Verwunderung ſetzte, denn es war ganz unmöglich, daß er je früher irgend et- was von mir erfahren haben, noch mich kennen konnte.
Da ich Alles ſogleich aufſchrieb, und die Sache, wie Du denken kannſt, mich nicht wenig intereſſirte, ſo glaube ich nicht, daß ich mich bei der Wiederho- lung in einem irgend weſentlichen Punkte irren kann*).
„Ihre Freundſchaft,“ fing er zuerſt an, „iſt ſehr ſchwer zu gewinnen, und nur durch Solche, die ſich Ihnen ganz und mit der größten Treue widmen. In dieſem Falle werden Sie aber Gleiches mit Glei- chen mit unwandelbarer Beſtändigkeit vergelten.“
„Sie ſind leicht zu reizen in jeder Hinſicht und dann großer Extreme fähig, geben aber weder der leidenſchaftlichen Liebe, noch dem Haß, noch andern Leidenſchaften eine lange Folge.“
„Sie lieben die Kunſt, und werden, wenn Sie ausübend darin ſind oder werden wollen, ſich ohne Schwierigkeit darin ausbilden können, und ich finde die Kraft der Compoſition auf Ihrem Schädel ſtark ausgedrückt. Sie ſind kein Nachahmer, ſondern wol-
*) Ich war im Begriff, dieſe Stelle wegzulaſſen, die aller- dings zu ſehr der vertrauten Correspondenz angehoͤrt, um viele Leſer intereſſiren zu koͤnnen. Da ſie aber den ſeligen Verfaſſer wirklich ungemein treu ſchildert, und ſpaͤter der- ſelbe manchmal darauf Bezug nimmt, ſo hoffe ich, wird man mir die Beibehaltung derſelben verzeihen. A. d. H.
Briefe eines Verſtorbenen. IV. 6
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eben ſo ſehr überraſchen wird, als es mich, ich ge-
ſtehe es, in keine geringe Verwunderung ſetzte, denn
es war ganz unmöglich, daß er je früher irgend et-
was von mir erfahren haben, noch mich kennen konnte.
Da ich Alles ſogleich aufſchrieb, und die Sache,
wie Du denken kannſt, mich nicht wenig intereſſirte,
ſo glaube ich nicht, daß ich mich bei der Wiederho-
lung in einem irgend weſentlichen Punkte irren kann *).
„Ihre Freundſchaft,“ fing er zuerſt an, „iſt ſehr
ſchwer zu gewinnen, und nur durch Solche, die ſich
Ihnen ganz und mit der größten Treue widmen.
In dieſem Falle werden Sie aber Gleiches mit Glei-
chen mit unwandelbarer Beſtändigkeit vergelten.“
„Sie ſind leicht zu reizen in jeder Hinſicht und
dann großer Extreme fähig, geben aber weder der
leidenſchaftlichen Liebe, noch dem Haß, noch andern
Leidenſchaften eine lange Folge.“
„Sie lieben die Kunſt, und werden, wenn Sie
ausübend darin ſind oder werden wollen, ſich ohne
Schwierigkeit darin ausbilden können, und ich finde
die Kraft der Compoſition auf Ihrem Schädel ſtark
ausgedrückt. Sie ſind kein Nachahmer, ſondern wol-
*) Ich war im Begriff, dieſe Stelle wegzulaſſen, die aller-
dings zu ſehr der vertrauten Correspondenz angehoͤrt, um
viele Leſer intereſſiren zu koͤnnen. Da ſie aber den ſeligen
Verfaſſer wirklich ungemein treu ſchildert, und ſpaͤter der-
ſelbe manchmal darauf Bezug nimmt, ſo hoffe ich, wird man
mir die Beibehaltung derſelben verzeihen. A. d. H.
Briefe eines Verſtorbenen. IV. 6
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/97>, abgerufen am 16.07.2024.
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