Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.I. Alte Zeiten bis 888. auf ward also die ganze Erziehung gerichtet, derganze Sinn geschärft, und beynahe das ganze Band der bürgerlichen Gesellschaft gebauet. That der Lehnmann nur dem Lehnherrn seine Dienste, so hatte einer um den andern sich weiter nicht zu be- kümmern. Nun mochte der Lehnmann im Seini- gen machen, was er wollte; nun mochte er mit seinem Eigenthume, und in seinem Hauswesen, in seiner Familie, und insonderheit mit seinen Bauern oder Eigenbehörigen zu Werk gehen, wie es ihm gut dünkte; darüber hatte er keine Einschränkun- gen einer höhern Gewalt zu besorgen. XII. In so weit stieg freylich der Genuß der Frey- XIII. Die Krone verlohr dabey zusehends. Jetzt gebrau-
I. Alte Zeiten bis 888. auf ward alſo die ganze Erziehung gerichtet, derganze Sinn geſchaͤrft, und beynahe das ganze Band der buͤrgerlichen Geſellſchaft gebauet. That der Lehnmann nur dem Lehnherrn ſeine Dienſte, ſo hatte einer um den andern ſich weiter nicht zu be- kuͤmmern. Nun mochte der Lehnmann im Seini- gen machen, was er wollte; nun mochte er mit ſeinem Eigenthume, und in ſeinem Hausweſen, in ſeiner Familie, und inſonderheit mit ſeinen Bauern oder Eigenbehoͤrigen zu Werk gehen, wie es ihm gut duͤnkte; daruͤber hatte er keine Einſchraͤnkun- gen einer hoͤhern Gewalt zu beſorgen. XII. In ſo weit ſtieg freylich der Genuß der Frey- XIII. Die Krone verlohr dabey zuſehends. Jetzt gebrau-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0120" n="86"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Alte Zeiten bis 888.</hi></fw><lb/> auf ward alſo die ganze Erziehung gerichtet, der<lb/> ganze Sinn geſchaͤrft, und beynahe das ganze Band<lb/> der buͤrgerlichen Geſellſchaft gebauet. That der<lb/> Lehnmann nur dem Lehnherrn ſeine Dienſte, ſo<lb/> hatte einer um den andern ſich weiter nicht zu be-<lb/> kuͤmmern. Nun mochte der Lehnmann im Seini-<lb/> gen machen, was er wollte; nun mochte er mit<lb/> ſeinem Eigenthume, und in ſeinem Hausweſen, in<lb/> ſeiner Familie, und inſonderheit mit ſeinen Bauern<lb/> oder Eigenbehoͤrigen zu Werk gehen, wie es ihm<lb/> gut duͤnkte; daruͤber hatte er keine Einſchraͤnkun-<lb/> gen einer hoͤhern Gewalt zu beſorgen.</p><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#aq">XII.</hi> </note> <p>In ſo weit ſtieg freylich der Genuß der Frey-<lb/> heit fuͤr den Stand, der ſich derſelben zu ruͤhmen<lb/> hatte, d. i. fuͤr Fuͤrſten, Grafen und Herren, oder<lb/> auch fuͤr jeden freyen Guͤterbeſitzer, oder, nach<lb/> unſerer jetzigen Art zu reden, fuͤr den hohen und<lb/> niedern Adel, bis zur hoͤchſten Stuffe; aber auch<lb/> bis zu unvermeidlichen Mißbraͤuchen; deſto erbar-<lb/> menswuͤrdiger mußte hingegen nothwendig der Zu-<lb/> ſtand nichtfreyer Leute werden, d. i. gerade des<lb/> zahlreichſten und wichtigſten Standes, der Bauern.</p><lb/> <note place="left"> <hi rendition="#aq">XIII.</hi> </note> <p>Die Krone verlohr dabey zuſehends. Jetzt<lb/> verſtand ſichs ſchon von ſelbſten, daß ohne Ein-<lb/> willigung der Staͤnde von Koͤnigen nichts erhebli-<lb/> ches geſchehen durfte. Selbſt auf jenen bruͤder-<lb/> lichen Verſammlungen der Fraͤnkiſchen Koͤnige ſahen<lb/> dieſe ſich genoͤthiget, einander wechſelsweiſe die<lb/> Zuſage zu thun, daß ſie nicht nur ihre Staͤnde,<lb/> einen jeden in ſeinen Rechten und Wuͤrden laßen<lb/> und ſchuͤtzen, ſondern auch ihren gemeinſchaftlichen<lb/> Rath in Geſchaͤfften der Kirche und des Staats<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gebrau-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0120]
I. Alte Zeiten bis 888.
auf ward alſo die ganze Erziehung gerichtet, der
ganze Sinn geſchaͤrft, und beynahe das ganze Band
der buͤrgerlichen Geſellſchaft gebauet. That der
Lehnmann nur dem Lehnherrn ſeine Dienſte, ſo
hatte einer um den andern ſich weiter nicht zu be-
kuͤmmern. Nun mochte der Lehnmann im Seini-
gen machen, was er wollte; nun mochte er mit
ſeinem Eigenthume, und in ſeinem Hausweſen, in
ſeiner Familie, und inſonderheit mit ſeinen Bauern
oder Eigenbehoͤrigen zu Werk gehen, wie es ihm
gut duͤnkte; daruͤber hatte er keine Einſchraͤnkun-
gen einer hoͤhern Gewalt zu beſorgen.
In ſo weit ſtieg freylich der Genuß der Frey-
heit fuͤr den Stand, der ſich derſelben zu ruͤhmen
hatte, d. i. fuͤr Fuͤrſten, Grafen und Herren, oder
auch fuͤr jeden freyen Guͤterbeſitzer, oder, nach
unſerer jetzigen Art zu reden, fuͤr den hohen und
niedern Adel, bis zur hoͤchſten Stuffe; aber auch
bis zu unvermeidlichen Mißbraͤuchen; deſto erbar-
menswuͤrdiger mußte hingegen nothwendig der Zu-
ſtand nichtfreyer Leute werden, d. i. gerade des
zahlreichſten und wichtigſten Standes, der Bauern.
Die Krone verlohr dabey zuſehends. Jetzt
verſtand ſichs ſchon von ſelbſten, daß ohne Ein-
willigung der Staͤnde von Koͤnigen nichts erhebli-
ches geſchehen durfte. Selbſt auf jenen bruͤder-
lichen Verſammlungen der Fraͤnkiſchen Koͤnige ſahen
dieſe ſich genoͤthiget, einander wechſelsweiſe die
Zuſage zu thun, daß ſie nicht nur ihre Staͤnde,
einen jeden in ſeinen Rechten und Wuͤrden laßen
und ſchuͤtzen, ſondern auch ihren gemeinſchaftlichen
Rath in Geſchaͤfften der Kirche und des Staats
gebrau-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |