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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

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I. Alte Zeiten bis 888.
haben ungemein vortheilhaft zu statten. Wer sich
kein Gewissen daraus machte, die Welt mit einer
so untergeschobenen Gebuhrt zu hintergehen, dem
war es auch nicht zu viel, die besonderen Um-
stände zu erdichten, daß ein Erzbischof Riculf von
Mainz (der schon 814. oder 815., allem Ansehen
nach lange vor der Existenz dieser erst später geschmie-
deten Sammlung, gestorben war,) dieses Buch
aus Spanien bekommen, und seines Beyfalls werth
geachtet habe. Kurz es gelang dem Urheber oder
den Beförderern dieser Sammlung unter solchen
Vorspiegelungen sie vorerst in Gang zu bringen.
Selbst der Erzbischof Hincmar von Rheims, einer
der gelehrtesten und verständigsten Prälaten seiner
Zeit, scheint das Vorgeben, daß Riculf die Samm-
lung verbreitet habe, für wahr angenommen zu
haben (o). Er kam selbst schon in den Fall, daß
ein Bischof von Soissons, der in seiner Provin-
cialsynode 863. verurtheilet war, davon nach Rom
appellirte, wo man die Appellation in Rücksicht auf
die Pseudoisidorische Sammlung willig aufnahm.
So kam dieselbe nicht nur bald nach ihrer Ent-
stehung schon in practischen Gebrauch; sondern,
sobald hernach gewisse Zeitläufte, welche die Sache
noch auf einige Zeit wieder hemmten, nur vor-
über waren, so wurde diese Sammlung zuletzt so
allgemein als ächt für bekannt angenommen, daß
man das meiste davon in das päbstliche Gesetz-
buch, das noch jetzt die Quelle des catholischen

Kir-
(o) Hincmarvs Rhemensis opusc. 33.
cap. 24. "De libro collectarum epistolarum, quem
de Hispania illatum Riculphus episcopus Moguntinus,
in huiusmodi sicut et in capitulis regiis studio-
sus, obtinuit, et istas regiones ex illo repleri fecit."

I. Alte Zeiten bis 888.
haben ungemein vortheilhaft zu ſtatten. Wer ſich
kein Gewiſſen daraus machte, die Welt mit einer
ſo untergeſchobenen Gebuhrt zu hintergehen, dem
war es auch nicht zu viel, die beſonderen Um-
ſtaͤnde zu erdichten, daß ein Erzbiſchof Riculf von
Mainz (der ſchon 814. oder 815., allem Anſehen
nach lange vor der Exiſtenz dieſer erſt ſpaͤter geſchmie-
deten Sammlung, geſtorben war,) dieſes Buch
aus Spanien bekommen, und ſeines Beyfalls werth
geachtet habe. Kurz es gelang dem Urheber oder
den Befoͤrderern dieſer Sammlung unter ſolchen
Vorſpiegelungen ſie vorerſt in Gang zu bringen.
Selbſt der Erzbiſchof Hincmar von Rheims, einer
der gelehrteſten und verſtaͤndigſten Praͤlaten ſeiner
Zeit, ſcheint das Vorgeben, daß Riculf die Samm-
lung verbreitet habe, fuͤr wahr angenommen zu
haben (o). Er kam ſelbſt ſchon in den Fall, daß
ein Biſchof von Soiſſons, der in ſeiner Provin-
cialſynode 863. verurtheilet war, davon nach Rom
appellirte, wo man die Appellation in Ruͤckſicht auf
die Pſeudoiſidoriſche Sammlung willig aufnahm.
So kam dieſelbe nicht nur bald nach ihrer Ent-
ſtehung ſchon in practiſchen Gebrauch; ſondern,
ſobald hernach gewiſſe Zeitlaͤufte, welche die Sache
noch auf einige Zeit wieder hemmten, nur vor-
uͤber waren, ſo wurde dieſe Sammlung zuletzt ſo
allgemein als aͤcht fuͤr bekannt angenommen, daß
man das meiſte davon in das paͤbſtliche Geſetz-
buch, das noch jetzt die Quelle des catholiſchen

Kir-
(o) Hincmarvs Rhemensis opusc. 33.
cap. 24. ”De libro collectarum epiſtolarum, quem
de Hiſpania illatum Riculphus epiſcopus Moguntinus,
in huiusmodi ſicut et in capitulis regiis ſtudio-
ſus, obtinuit, et iſtas regiones ex illo repleri fecit.”
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[92/0126] I. Alte Zeiten bis 888. haben ungemein vortheilhaft zu ſtatten. Wer ſich kein Gewiſſen daraus machte, die Welt mit einer ſo untergeſchobenen Gebuhrt zu hintergehen, dem war es auch nicht zu viel, die beſonderen Um- ſtaͤnde zu erdichten, daß ein Erzbiſchof Riculf von Mainz (der ſchon 814. oder 815., allem Anſehen nach lange vor der Exiſtenz dieſer erſt ſpaͤter geſchmie- deten Sammlung, geſtorben war,) dieſes Buch aus Spanien bekommen, und ſeines Beyfalls werth geachtet habe. Kurz es gelang dem Urheber oder den Befoͤrderern dieſer Sammlung unter ſolchen Vorſpiegelungen ſie vorerſt in Gang zu bringen. Selbſt der Erzbiſchof Hincmar von Rheims, einer der gelehrteſten und verſtaͤndigſten Praͤlaten ſeiner Zeit, ſcheint das Vorgeben, daß Riculf die Samm- lung verbreitet habe, fuͤr wahr angenommen zu haben (o). Er kam ſelbſt ſchon in den Fall, daß ein Biſchof von Soiſſons, der in ſeiner Provin- cialſynode 863. verurtheilet war, davon nach Rom appellirte, wo man die Appellation in Ruͤckſicht auf die Pſeudoiſidoriſche Sammlung willig aufnahm. So kam dieſelbe nicht nur bald nach ihrer Ent- ſtehung ſchon in practiſchen Gebrauch; ſondern, ſobald hernach gewiſſe Zeitlaͤufte, welche die Sache noch auf einige Zeit wieder hemmten, nur vor- uͤber waren, ſo wurde dieſe Sammlung zuletzt ſo allgemein als aͤcht fuͤr bekannt angenommen, daß man das meiſte davon in das paͤbſtliche Geſetz- buch, das noch jetzt die Quelle des catholiſchen Kir- (o) Hincmarvs Rhemensis opusc. 33. cap. 24. ”De libro collectarum epiſtolarum, quem de Hiſpania illatum Riculphus epiſcopus Moguntinus, in huiusmodi ſicut et in capitulis regiis ſtudio- ſus, obtinuit, et iſtas regiones ex illo repleri fecit.”

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/126>, abgerufen am 26.11.2024.