Mit kaiserlichen Verleihungen von der Art er-XI. eignete sich jedoch um diese Zeit eine wichtige Ver- änderung. Der vorzügliche Einfluß, den die Chur- fürsten seit ihrem ausschließlichen Rechte den Kaiser zu wehlen, nach und nach auch auf andere Geschäffte bekamen, gab bald Anlaß, daß in Fällen, wo der Kaiser nicht nöthig hatte, das ganze Reich zu Ra- the zu ziehen, doch die Einwilligung der Chur- fürsten nicht für überflüssig gehalten wurde (wie z. B. schon vom Römischen Könige Henrich dem VII. ein im Jahre 1228. dem Herzoge Leopold von Oester- reich ertheilter Gnadenbrief vorhanden ist, worin ausdrücklich angeführt wird, daß er mit gutem Rathe und Willen der Churfürsten ertheilt wor- den sey.) (x) Doch bey der Belehnung, die Ottocar von Böhmen von Richard von Cornwall über Oesterreich erhalten hatte, waren die Chur- fürsten nicht zugezogen worden. Eben das nahm hernach Rudolf von Habsburg als den Hauptgrund an, warum diese Belehnung nicht zu Recht beste- hen könne. Davon war aber ferner eine natür- liche Folge, daß nunmehr ein allgemeiner Grund- satz daraus wurde, daß in wichtigen Dingen keine kaiserliche Gnadenverleihung ihren völligen Rechts- bestand erhielt, wenn sie nicht mit der churfürst- lichen Einwilligung versehen war. So können also kaiserliche Gnadenbriefe über Anwartschaften, Zölle oder ähnliche wichtige Gegenstände schon von dieser Zeit an nicht für vollgültig angesehen werden, wenn nicht die Churfürsten ihre Einwil- ligung dazu gegeben haben. Diese pflegte aber
da-
(x)Lünigs Reichsarchiv spicileg. eccles. part. spec. cont. 1. p. 6.
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1) Fried. II. — Alb. I. 1235-1308.
Mit kaiſerlichen Verleihungen von der Art er-XI. eignete ſich jedoch um dieſe Zeit eine wichtige Ver- aͤnderung. Der vorzuͤgliche Einfluß, den die Chur- fuͤrſten ſeit ihrem ausſchließlichen Rechte den Kaiſer zu wehlen, nach und nach auch auf andere Geſchaͤffte bekamen, gab bald Anlaß, daß in Faͤllen, wo der Kaiſer nicht noͤthig hatte, das ganze Reich zu Ra- the zu ziehen, doch die Einwilligung der Chur- fuͤrſten nicht fuͤr uͤberfluͤſſig gehalten wurde (wie z. B. ſchon vom Roͤmiſchen Koͤnige Henrich dem VII. ein im Jahre 1228. dem Herzoge Leopold von Oeſter- reich ertheilter Gnadenbrief vorhanden iſt, worin ausdruͤcklich angefuͤhrt wird, daß er mit gutem Rathe und Willen der Churfuͤrſten ertheilt wor- den ſey.) (x) Doch bey der Belehnung, die Ottocar von Boͤhmen von Richard von Cornwall uͤber Oeſterreich erhalten hatte, waren die Chur- fuͤrſten nicht zugezogen worden. Eben das nahm hernach Rudolf von Habsburg als den Hauptgrund an, warum dieſe Belehnung nicht zu Recht beſte- hen koͤnne. Davon war aber ferner eine natuͤr- liche Folge, daß nunmehr ein allgemeiner Grund- ſatz daraus wurde, daß in wichtigen Dingen keine kaiſerliche Gnadenverleihung ihren voͤlligen Rechts- beſtand erhielt, wenn ſie nicht mit der churfuͤrſt- lichen Einwilligung verſehen war. So koͤnnen alſo kaiſerliche Gnadenbriefe uͤber Anwartſchaften, Zoͤlle oder aͤhnliche wichtige Gegenſtaͤnde ſchon von dieſer Zeit an nicht fuͤr vollguͤltig angeſehen werden, wenn nicht die Churfuͤrſten ihre Einwil- ligung dazu gegeben haben. Dieſe pflegte aber
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(x)Luͤnigs Reichsarchiv ſpicileg. eccleſ. part. ſpec. cont. 1. p. 6.
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1) Fried. II. — Alb. I. 1235-1308.
Mit kaiſerlichen Verleihungen von der Art er-
eignete ſich jedoch um dieſe Zeit eine wichtige Ver-
aͤnderung. Der vorzuͤgliche Einfluß, den die Chur-
fuͤrſten ſeit ihrem ausſchließlichen Rechte den Kaiſer
zu wehlen, nach und nach auch auf andere Geſchaͤffte
bekamen, gab bald Anlaß, daß in Faͤllen, wo der
Kaiſer nicht noͤthig hatte, das ganze Reich zu Ra-
the zu ziehen, doch die Einwilligung der Chur-
fuͤrſten nicht fuͤr uͤberfluͤſſig gehalten wurde (wie
z. B. ſchon vom Roͤmiſchen Koͤnige Henrich dem VII.
ein im Jahre 1228. dem Herzoge Leopold von Oeſter-
reich ertheilter Gnadenbrief vorhanden iſt, worin
ausdruͤcklich angefuͤhrt wird, daß er mit gutem
Rathe und Willen der Churfuͤrſten ertheilt wor-
den ſey.) (x) Doch bey der Belehnung, die
Ottocar von Boͤhmen von Richard von Cornwall
uͤber Oeſterreich erhalten hatte, waren die Chur-
fuͤrſten nicht zugezogen worden. Eben das nahm
hernach Rudolf von Habsburg als den Hauptgrund
an, warum dieſe Belehnung nicht zu Recht beſte-
hen koͤnne. Davon war aber ferner eine natuͤr-
liche Folge, daß nunmehr ein allgemeiner Grund-
ſatz daraus wurde, daß in wichtigen Dingen keine
kaiſerliche Gnadenverleihung ihren voͤlligen Rechts-
beſtand erhielt, wenn ſie nicht mit der churfuͤrſt-
lichen Einwilligung verſehen war. So koͤnnen
alſo kaiſerliche Gnadenbriefe uͤber Anwartſchaften,
Zoͤlle oder aͤhnliche wichtige Gegenſtaͤnde ſchon
von dieſer Zeit an nicht fuͤr vollguͤltig angeſehen
werden, wenn nicht die Churfuͤrſten ihre Einwil-
ligung dazu gegeben haben. Dieſe pflegte aber
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XI.
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/261>, abgerufen am 22.11.2024.
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